Freunde und Bekannte des Opfers sprachen in der Gerichtsverhandlung von einer „toxischen Beziehung“. Der Freisinger sei seiner 30 Jahre jüngeren Lebenspartnerin „hörig“ gewesen, hätte „alles für sie getan“ und sei „komplett abhängig“ von ihr gewesen. Sie jedoch habe ihn regelmäßig beschimpft und gedemütigt. Doch all die Warnungen aus seinem Umfeld ließ der Senior, wenngleich er es laut der Zeugen eigentlich besser wusste, an sich abprallen. Am Ende kam es, wie eine Freundin es ihm nach eigener Aussage prophezeit hatte: „Das wird nicht gut ausgehen.“
Am 11. März 2024 wurde der 73-Jährige auf einem Parkplatz in der Nähe seines Wohnhauses in Freising von einem Passanten tot aufgefunden. Seine Lebensgefährtin, heute 44 Jahre alt, soll ihn, so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft, mit einem Messerstich in den Rücken heimtückisch und aus Habgier getötet haben. Das Opfer hatte die Frau nicht lange vor seinem Tod, im November 2023, als Alleinerbin eingesetzt. Seit Donnerstag muss sie sich dafür vor der als Schwurgericht tagenden ersten Strafkammer des Landgerichts Landshut verantworten.
Beim eigentlichen Prozessauftakt vor eineinhalb Wochen hatte die Angeklagte wegen des Verdachts auf eine ansteckende Krankheit gefehlt. Nachdem dieser inzwischen durch weitere Untersuchungen ausgeräumt worden ist, konnte die Hauptverhandlung, für die noch sechs weitere Termine angesetzt sind, am Donnerstag nun in Anwesenheit der 44-Jährigen beginnen. Doch diese machte zu den Vorwürfen auf Anraten der Verteidigung zunächst keine Angaben.
Hintergrund ist eine Durchsuchung in der Kanzlei von einem der drei vorgesehenen Verteidiger. Gegen diesen sei ein Ermittlungsverfahren wegen versuchter Strafvereitelung und nicht erlaubten Verkehrs mit Gefangenen eingeleitet worden. Das Oberlandesgericht habe ihn deshalb nicht zum Prozess zugelassen, erläuterte die Staatsanwältin. Es ging um Informationen, die aus dem Gefängnis geschmuggelt und rechtswidrig an Dritte weitergeleitet worden sein sollen.
Bei der Durchsuchung in der Kanzlei des Kollegen sei aber auch ungeöffnete Korrespondenz zwischen der Angeklagten und ihrem Anwalt beschlagnahmt worden, die besonders geschützt sei, sagte einer der beiden verbliebenen Verteidiger in der Verhandlung. Deshalb legte er für diese „Verteidigerpost“ einen Erhebungs- und Verwertungswiderspruch ein. Bis die Sache von der Kammer geklärt sei, mache seine Mandantin von ihrem Schweigerecht Gebrauch.
Das Opfer konnte sich mit dem Messer im Rücken noch auf die Straße flüchten
Die Staatsanwaltschaft wirft der 44-Jährigen vor, ihrem Partner am Morgen des 11. März 2024 ein Küchenmesser mit einer Klingenlänge von 20 Zentimetern in den Rücken gerammt zu haben, als er seine Wohnung gerade über die Terrassentür verlassen hatte. Ihre Absicht sei gewesen, vorzeitig an das Vermögen des 73-Jährigen zu kommen. Ihr Lebenspartner habe sich mit dem im Rücken steckenden Messer durch die Garage noch auf die Straße flüchten können, wo er in der Nähe des AOK-Gebäudes an der Kammergasse auf einem Parkplatz zusammengebrochen sei. Beamte der Kriminalpolizei Erding fanden die 44-Jährige noch am Vormittag desselben Tagens nackt und schlafend auf der Couch in der Wohnung des Angeklagten vor und nahmen sie fest.
Die Freunde und Bekannten des Opfers berichteten davon, dass dieser seit Anfang 2020er-Jahre eine On-Off-Beziehung mit der Angeklagten geführt hatte. Der Ingenieur, der zeitlebens allein gelebt habe, sei sehr verliebt gewesen, habe schon bald von Heirat gesprochen. „Er ist voll aufgeblüht und war absolut begeistert, als er sie kennengelernt hat“, sagte eine Freundin. „Aber von da an ging es bergab mit seinem Befinden.“ Die Angeklagte zog im Mehrfamilienhaus des Opfers in eine eigene Wohnung und später wieder aus.
Ein erstes Testament mit der Angeklagten als Erbin soll das Opfer verbrannt haben
Immer wieder waren die beiden getrennt und wieder zusammen. Letzteres, weil der 73-Jährige den Kontakt gesucht habe. Er habe sie immer wieder über Whatsapp angeschrieben, ihr Blumen geschickt und sie in ihrer tschechischen Heimat besucht, berichtete eine Zeugin. „Er hat gesagt, er kann es nicht beenden, weil er sich so zu ihr hingezogen fühlt.“ Obwohl er laut Zeugenaussagen wusste, dass die Angeklagte ein Drogenproblem hatte und Kokain konsumierte. Auch, dass sie aus dem Rotlichtmilieu stammte und „sich mit irgendwelchen kriminellen Machenschaften, zum Beispiel im Autohandel, auskennt“, wie Zeugen berichteten, schreckte den 73-Jährigen offenbar nicht ab.
Wie Freunde des Opfers berichteten, soll die Stimmung bei der Angeklagten schnell gekippt sein. Mal sei sie nett und hilfsbereit gewesen, dann wieder habe sie ihren Partner beschimpft und ihm Dinge beliebiger Art vorgeworfen – etwa, dass er ihre Wohnung verwanzt habe, um sie zu überwachen. Andererseits veranlasste sie den 73-Jährigen laut Zeugen dazu, Kameras auf dem Anwesen zu installieren, weil sie behauptet haben soll, Männer wollten sie in ihrer Wohnung vergiften.
Der 73-Jährige führte dieses Verhalten auf psychische Probleme der Angeklagten zurück, ein guter Freund machte in der Verhandlung eher deren Drogenkonsum dafür verantwortlich. „Die Frau ist hochgradig kriminell“, sagte er. Daher habe er seinem Freund geraten, er solle sein Testament sofort verbrennen, als er erfahren habe, dass die Angeklagte als Alleinerbin vorgesehen war. Der 73-Jährige befolgte den Rat und schickte ihm ein Beweisfoto. Dass er danach ein neues Testament geschrieben und die 44-Jährige abermals als Erbin eingetragen hatte, wussten seine Freunde nicht.