Süddeutsche Zeitung

Archivstück des Monats:Radikaler Eingriff ins Aussehen des Mariendoms

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Bei Renovierungsarbeiten zu Beginn der Sechzigerjahre wurden insbesondere die Türme umgestaltet. Eine kleine Diaserie des Freisinger Bauingenieurs Alois Lutzenberger dokumentiert den Fortschritt der Arbeiten.

Von Florian Notter, Freising

Dass die beiden Domtürme vor nicht allzu langer Zeit deutlich anders aussahen als heute, das scheint kaum vorstellbar - sind sie doch seit Jahrhunderten unstrittig das bedeutendste Wahrzeichen Freisings; und, so möchte man meinen, gerade deshalb über jeden Hauch von Veränderung erhaben. Tatsächlich wurden die beiden Türme aber - wie die Domkirche selbst - mehrfach umgestaltet: mindestens einmal in der Barockzeit, dann Mitte des 19. Jahrhunderts und zuletzt in den Jahren 1962 und 1964.

Die jüngste Turmneugestaltung war Teil der umfassenden Außenrenovierung der Domkirche, die von 1962 bis 1978 dauerte. Da im Fall des Domes eine staatliche Baulastpflicht gegeben ist, lag die Federführung dieser Maßnahme beim Landbauamt Freising, dem heutigen Staatlichen Bauamt. Neben notwendigen Erneuerungen am Mauerwerk und an den Dächern wurde dabei erheblich in das äußere Erscheinungsbild der Domkirche eingegriffen, sodass weniger von einer Renovierung als vielmehr von einer Neugestaltung gesprochen werden muss.

In der Manier historistischer Stilpurifikationen des 19. Jahrhunderts versuchte man, sich dem Zustand vor der großen barocken Erneuerung von 1723/25 anzunähern, was die Beseitigung wesentlicher architektonischer Gestaltungselemente des 18. und 19. Jahrhunderts zur Folge hatte. Zu nennen wäre hier etwa der 1965 durchgeführte Abbruch des Westgiebels über dem Hauptportal, wodurch die stadträumliche Exklusivität der Domkirche innerhalb des Domplatz-Ensembles deutlich abgeschwächt wurde.

Der augenfälligste Eingriff betraf jedoch das Äußere der beiden Türme (Südturm: 1962, Nordturm: 1964). Hier wurde der historische Putz, der unter anderem Reste der barocken, von den Brüdern Asam entworfenen Bemalung von 1725 enthielt, vollständig abgetragen. In Anlehnung an die mittelalterliche Gestaltung hatte man statt des einen großen Schalllochs pro Turmseite wieder zwei kleinere eingefügt.

Eine Turmuhr gibt es seither nur noch im Nordturm, Ziffernblätter finden sich dementsprechend an der Nord-, Ost- und Westseite des Nordturms. Deren Gestaltung und asymmetrische Anordnung orientierten sich an der Freisinger Stadtansicht von Sebastian Münster (um 1548). Stark verändert hatte man jeweils auch den Übergang zum Turmdach: Das Gesims am Ortgang, das das Dach insgesamt stärker akzentuierte, wurde ganz weggenommen. Die Schieferdeckung, die die Domtürme 1868 erhalten hatten, wurde zugunsten einer Deckung mit Kupferblech aufgegeben. Durch die Fassung des Putzes in Kalkweiß erhielten die Türme schließlich ihr markantes, uns heute vertrautes Aussehen.

Die Metamorphose der Freisinger Domtürme in den frühen 1960er Jahren lässt sich auf einer kleinen, kostbaren Serie von Farbdias nachvollziehen, die auf den Freisinger Bauingenieur Alois Lutzenberger (1904-1976) zurückgeht. Lutzenberger war beim Landbauamt Freising beschäftigt gewesen. Über mehrere Jahre hinweg gehörten die staatlichen Gebäude des Dombergs, darunter auch der Dom, zu seinem Zuständigkeitsbereich, allerdings nicht mehr in den Jahren der Neugestaltung ab 1962. Wie sein Sohn Michael berichtet, lehnte Lutzenberger die Radikalität der damaligen Baumaßnahmen ab. Die Farbdias wurden 2021 dem Stadtarchiv Freising überlassen.

Der Autor ist Leiter des Freisinger Stadtarchivs

Quellen : StadtAFS, Fotosammlung, Serie Alois Lutzenberger.

Literatur : Hildebrandt, Maria / Nadler, Stefan: Freising Domkirche Mariä Geburt und St. Korbinian. Dokumentation zur Bau-, Ausstattungs- und Restaurierungsgeschichte, München 2004 (für die Zurverfügungstellung des Manuskriptes sei Frau Maria Hildebrandt, München, ausdrücklich gedankt).

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