Umweltschutz:"Meine größte Sünde ist, dass ich alleine auf 60 Quadratmetern lebe"

Umweltschutz: Einen Riesenaufwand betreibt Ernst Hörmann vor seinen Mahnwachen auf dem Freisinger Marienplatz.

Einen Riesenaufwand betreibt Ernst Hörmann vor seinen Mahnwachen auf dem Freisinger Marienplatz.

(Foto: Marco Einfeldt)

Seit Februar organisiert der Freisinger Ernst Hörmann Mahnwachen am Marienplatz. Er will darauf aufmerksam machen, dass jetzt mehr gegen den Klimawandel getan werden muss, als nur Müll zu trennen.

Interview von Petra Schnirch, Freising

Einmal im Monat organisiert Ernst Hörmann seit Anfang Februar Mahnwachen am Freisinger Marienplatz. Er will darauf aufmerksam machen, dass es höchste Zeit ist, etwas gegen den Klimawandel zu unternehmen. Inzwischen hat er mehrere Unterstützer gefunden. Die nächste Demonstration wird am Freitag, 7. Juni, stattfinden, wegen der Bauarbeiten in der Innenstadt diesmal am Kriegerdenkmal. Die SZ sprach mit ihm über seine Beweggründe.

Das Thema Klimawandel beschäftigt Sie seit vielen Jahren. Was hat den Anstoß gegeben, Mahnwachen in Freising zu organisieren?

Ernst Hörmann: Ich war eigentlich der Meinung, wir brauchen eine regelmäßige Demo in München, habe dort aber nicht genügend Mitstreiter gefunden. Deshalb habe ich gesagt, dann mache ich das in Freising einfach selber. Als die Kohlekommission im Januar ihre Ergebnisse, die weit an den Klimazielen vorbeigehen, veröffentlicht hat, war das für mich der Anlass, mit den Mahnwachen zu beginnen.

Wie war die Resonanz darauf?

Ich habe Bammel gehabt, aber ich war richtig überrascht, weil beim ersten Mal schon 150 Leute da waren, gehofft hatte ich auf 40. Ich war im Taumel (lacht). Aber ich treibe ja auch einen Riesenaufwand: Ich plakatiere, verteile eine Woche vor der Demo Flyer, ich schreibe Kirchen, Verbände und ökologische Parteien an. Wobei es eine Veranstaltung der Bürger bleiben muss, ich will mich nicht vereinnahmen lassen.

Spüren Sie ein Umdenken?

Das war mit ein Grund, dass ich gesagt habe, die Zeit ist reif. Man sieht am Wahlverhalten, dass die ökologischen Parteien deutlich zugelegt haben. Wenn nicht jetzt, wann dann? Aber ich hätte mir gewünscht, dass es jedes Mal mehr Leute werden, bis jetzt ist das nicht in Erfüllung gegangen. Bei 200 hat sich die Zahl eingependelt. Man muss bedenken, wie wichtig es ist. Es kann doch niemandem egal sein, was mit seinen Kindern und Enkeln passiert. Die Regierungen werden sich erst bewegen, wenn der Druck ganz gewaltig wird.

Was muss aus Ihrer Sicht passieren?

Die Politik muss den Menschen die Wahrheit sagen, wie ernst es wirklich ist. Wenn wir die Wende bis 2035 nicht geschafft haben, nehmen wir unseren Kindern alle Chancen und fahren sie quasi ins Ende - nur weil wir nicht drei Gänge zurückschalten und weiter im Überfluss leben wollen. Das Wichtigste wäre, sofort aus der Braunkohle auszusteigen, das ist machbar. Und vor 2030 müssen wir ganz aus der Kohle raus. Der letzte Verbrenner muss 2025 verkauft werden. Nur wenn man der Wirtschaft heute sagt, was sie machen muss, kann sie sich drauf einstellen. Aber da braucht es Mut dazu.

Was kann und muss jeder Einzelne tun?

Der Bürger soll natürlich auch an sich arbeiten. Fliegen geht eigentlich gar nicht mehr. Man sollte keine großen Autos fahren, viel öffentlich unterwegs sein und den Konsum generell zurückschrauben. Mülltrennen allein reicht nicht. Nötig ist auch eine CO₂-Steuer. Das, was der Staat dabei einnimmt, sollte er wieder an die Bürger ausschütten. Wer kein Heizöl verbraucht, hat dann mehr Geld - das ist ein Anreiz, vom Öl wegzukommen.

Was tragen Sie im Kampf gegen den Klimawandel selbst bei?

Ich fahre keine Autos mehr. Ich esse nahezu kein Fleisch und kaufe regional und nur bio ein. Kleidung trage ich auf. Wenn ich etwas kaufe, dann sollte es möglichst nachhaltig sein. Meine größte Sünde ist es, dass ich alleine auf 60 Quadratmetern lebe. Nur gemeinschaftliches Wohnen ist heutzutage eigentlich noch akzeptabel. Wir dürfen einfach keine weiteren Flächen mehr versiegeln.

In den Urlaub fliegen würden Sie also gar nicht mehr?

Auf keinen Fall. Ich fahre mit dem Fahrrad sogar bis nach Süditalien. In diesem Jahr gönne ich es mir, dass ich mit dem Zug nach Neapel runter fahre, weil ich zu sehr eingebunden bin und mir die Zeit fehlt. Ich möchte bei den nächsten Mahnwachen - sie werden mittlerweile von einem Trägerkreis, dem ich angehöre, getragen - unbedingt dabei sein und will sie mit vorbereiten. Das hat Priorität. Ich gehe auch gern wandern und fahre mit dem Fahrrad bis zum Karwendel - öfter als mit der Bahn.

Was erhoffen Sie sich von der EU?

Jetzt hoffe ich, dass sich die Subventionierung der Bauern radikal ändert, dass dies nicht mehr nach Fläche geschieht, sondern nach ökologischer Leistung. Da legt sich gerade unsere Regierung quer, weil sie sich zu sehr an den Bauernverband hält, der wiederum stark mit der Industrie verbunden ist. Es ist zwingend, dass wir die Landwirtschaft ändern. Wir als Konsumenten tragen dazu bei. Wichtig ist Bewusstseinsbildung. Ich frage: Muss es jeden Tag Fleisch sein?

Wie lange beschäftigen Sie sich schon so intensiv mit dem Klimawandel?

Ganz intensiv seit ungefähr fünf Jahren. Ich war 2016 bei "Ende Gelände" in der Lausitz (Anm. d. Red.: die Protestbewegung engagiert sich für den Kohleausstieg). Ich war auch bereit, mit runter in die Grube zu gehen, obwohl ich Beamter bin. Vor einer Strafe oder dass man mir gar die Pension kappt, davor habe ich keine Angst. Womit ich ein Problem habe, ist, nichts zu machen. Mittlerweile bin ich zu allem bereit, aber immer friedlich. Auch Sachbeschädigungen lehne ich ab, weil man damit die Akzeptanz verliert.

Sie engagieren sich aber auch in anderen Bereichen.

Ich betreue seit über zwei Jahren einen Asylbewerber aus Afghanistan und habe ihm auch einen Ausbildungsplatz verschafft. Man muss offen sein, denn das ist auch für mich eine Bereicherung. Als ich nach Freising gekommen bin, habe ich bei einem Radl-Arbeitskreis mitgearbeitet und Hausaufgabenbetreuung gemacht. Auf großen Demos war ich immer schon - allerdings nicht, das bereue ich heute, in Wackersdorf. Es war falsch, dass ich meinen Kopf damals nicht hingehalten habe.

Was machen Sie, wenn Sie einfach mal abschalten wollen?

Handwerklich arbeiten ist ein Hobby von mir, im Augenblick komme ich aber nicht mehr dazu. Ich habe viel Werkzeug. Drei Jahre lang habe ich mein Haus energetisch saniert, das ist jetzt an eine Familie vermietet. Mein Engagement jetzt macht mir aber auch Spaß.

Wie lange wollen Sie die Mahnwachen noch organisieren?

Solange, bis wir unser Ziel erreichen - oder wenn keiner mehr kommt. Das ist kein Selbstzweck. Die Mahnwache macht nur Sinn, wenn sie einen Beitrag leistet. Es geht nicht darum, dass ich ein gutes Gefühl habe. Darum müssen wir auch noch viel mehr machen. Wir werden Gesetze überschreiten müssen, um mehr Aufmerksamkeit zu erlangen und zum Beispiel Straßen blockieren. Die Leute werden sonst nicht wach. Wir brauchen eine große Transformation, die unser ganzes Leben betrifft. Die Menschen müssen auf die Straße gehen und das einfordern. Ich hoffe allerdings, dass es in Freising bald noch mehr werden.

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