Süddeutsche Zeitung

Brot aus Freisinger Landweizen:Alt aber gut

Die Bäckerei Geisenhofer präsentiert ihr verkaufsfertiges Brot aus einer in Vergessenheit geratenen heimischen Getreidesorte. Das Ergebnis der Kooperation der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) mit den Landwirten Lorenz und Tobias Kratzer und dem Freisinger Backbetrieb ist demnächst in den Filialen erhältlich. Der Name: "Freisinger Schatz".

Von Tobias Merk, Freising

Kaum ein anderes Land hat eine derart große Auswahl an Brotvariationen anzubieten wie Deutschland. Dabei wurde "unser tägliches Brot" einst sogar aus noch viel mehr unterschiedlichen Getreidesorten hergestellt. Einige von diesen sind allerdings im Zuge der Industrialisierung peu à peu in Vergessenheit geraten. Mit Blick auf gegenwärtige ökologische Krisen gibt es in Bayern seit einiger Zeit Bemühungen, wieder eine höhere Diversität im Getreideanbau zu erreichen. Erste Früchte dieser landwirtschaftsministerialen Bemühungen konnten gestern in der Freisinger Bäckerei und Konditorei Geisenhofer bestaunt und probiert werden.

Die Freude über das neue Produkt war Bäckermeister Stefan Geisenhofer anzusehen. Hatte er doch längere Zeit mit seinem Team an der richtigen Rezeptur für ganz besondere neue Brotlaibe getüftelt. Diese Mühen scheinen sich gelohnt zu haben, denn das aus dem urigen "Freisinger Landweizen" gewonnene Brot konnte bei den Vorstellungsteilnehmern - zu denen neben der gastgebenden Bäckerei Geisenhofer auch Stephan Sedlmayer, Klaus Fleißner und Ulla Konradl von der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) sowie die Landwirte Lorenz und Tobias Kratzer zählten - ausnahmslos überzeugen. LfL-Präsident Stephan Sedlmayer zeigte sich bei der Vorstellung des nun verkaufsbereiten Urkornbrotes äußerst zufrieden. Eine Wiederbelebung älterer Getreidesorten sei "für alle Seiten" voranbringend und käme "der Gesellschaft in Gänze" zugute, fülle man damit doch die "Biodiversitätsstrategie" des Freistaat Bayern mit Leben.

Die Initiative dazu ist 2008 von der Staatsregierung gestartet worden, um Bayerns Artenvielfalt zu schützen. Denn nicht nur Hitze und Dürre erzeugen für die Landwirtschaft im Zuge der Erderwärmung einen zunehmenden Veränderungsdruck, auch die Vielfalt der Pflanzen- und Tierwelt nahm in den vergangenen Dekaden rapide ab. Dabei ist eine hohe Diversität an Lebensformen für ein funktionierendes Ökosystem eine Grundvoraussetzung. Die gegenwärtige Krise in der Biodiversität stellt neben dem Klimawandel eine weitere ökologische Mammutaufgabe dar - auch in Bayern, wo es zwar eine große Vielfalt an Kulturpflanzensorten gibt, diese allerdings zunehmend vom Aussterben bedroht sind.

Pflanzen-Genbank als Wegbereiter

Klaus Fleißner, der bei der LfL das Projekt zur Erhaltung bayerischer, landwirtschaftlicher pflanzengenetischer Ressourcen leitet, erklärte, man habe in der bestehenden nationalen Gendatenbank für Pflanzenressourcen explizit nach Freisinger Getreidesorten gesucht. Die für das Projekt vom Leibniz-Institut in Gatersleben dann zur Verfügung gestellten fünf Gramm pro Saatgut mussten infolge ausreichen, um in Erfahrung zu bringen, welche Sorte die höchsten Erfolgsaussichten hat. Diese konnte mit dem "Freisinger Landweizen" gefunden werden, wodurch die an dem Projekt teilnehmende Freisinger Bäckerei Geisenhofer 2020 erste Backversuche starten konnte. Aufgrund damals erzielter "geschmackvoller Ergebnisse" bei Brot und Brötchen folgte nun dieses Jahr auf den Feldern der Landwirte Lorenz und Tobias Kratzer, die bereits seit 1996 Biolandwirtschaft betreiben, erstmals ein flächendeckender Anbau der alten Sorte.

Am Ende entscheiden die Verbraucher

Die Bäckerei Geisenhofer war sofort Feuer und Flamme gewesen, als sie von dem bestehenden Projekt erfahren hatte - passt dieses doch, Bäckermeister Stefan Geisenhofer zufolge, exzellent zu der eigenen "Ideologie, lokale Lebensmittel schonend und bedächtig zu produzieren". Jeder Teig ruhe vor der Verarbeitung mindestens 48 Stunden. Diese besonders lange Verarbeitungszeit sei das Besondere in dem vor sieben Jahren gegründeten Betrieb und führe zu einer sehr guten Verträglichkeit. So hätten einige Kunden sogar davon berichtet, dass sie, obwohl sie eigentlich Unverträglichkeiten haben, diese Brote vertragen könnten. Diese Effekte führe er auf den "eigenen Idealismus" in der Produktion zurück. Es sei "ein tolles Gefühl nun das Ergebnis des Projekts schmecken zu können".

Insgesamt konnten durch den Anbau der Landwirte Kratzer sechs Tonnen Getreide verarbeitet werden, die "vermutlich bis ungefähr Weihnachten" zur Brotproduktion reichen werden. Wenn die Nachfrage für den speziellen neuen Laib entsprechend hoch sei, könne man im nächsten Jahr "relativ flexibel" die Produktionsmenge beim "Freisinger Landweizen" erhöhen. Entscheidend sei, dass die Freisinger an dem urigen Brot Gefallen finden.

Auch wenn der Ertrag im Vergleich zu manch gewöhnlicheren Getreide "etwas niedriger sei", weise das Korn tolle Eigenschaften auf, da es neben einer "tollen Bekömmlichkeit" und einem "guten Geschmack" auch nährstoffreich sei. Auch der das Getreide verarbeitende Müller sei "begeistert gewesen". Alle Seiten zogen somit bereits vor der Einführung in den Verkauf ein positives Fazit. Eines fehlte dem speziellen Brot allerdings noch: Ein Verkaufsname. Nachdem Bäcker Stefan Geisenhofer die Runde zur Ideensuche animierte, kam man beim Gedanken an die über 100 an dem LfL-Projekt teilnehmenden Landwirte, Bäcker und Müller, die offiziell als "SchatzBewahrer" fungieren, zum Durchbruch und fand einen neuen "Freisinger Schatz".

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5689768
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ/vo
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.