Der Verhandlungssaal war am Mittwoch gut gefüllt. Neben Dominic Walter, der als Geschäftsführer einer GmbH für Autotechnik im Gewerbegebiet Gute Änger geklagt hatte, waren drei Vertreter der Stadt und mehrere Anwohner erschienen. Außerdem dabei: Walters Anwalt und sein Vater. Mit der Beteiligung seines Vaters hat Walter auf einen Hinweis des Vorsitzenden Richters Dietmar Wolff bei einem Ortstermin vor zwei Monaten reagiert (wir berichteten).
Wolff hatte angedeutet, dass Walters Werkstatt von der Verkehrsregelung in der Erdinger Straße so weit entfernt ist, dass der GmbH die Klagebefugnis fehlt. Deshalb hat Walter neben der GmbH seinen Vater als privaten Verkehrsteilnehmer klagen lassen.
Schon bei der Ortsbesichtigung hat Wolff keinen Hehl daraus gemacht, dass er eine Verkehrsführung wie in der Straße Gute Änger „oberbayernweit noch nicht gesehen“ habe. Die Stadt hat nämlich nicht nur Radfahrstreifen auf beiden Seiten der Fahrbahn eingerichtet und mit gelber Farbe abgegrenzt. Sie hat zudem zur Straßenmitte hin Parkplätze mit gelben Kästchen markiert, mal auf der linken Straßenseite, mal auf der rechten.
Ortstermin in Freising:Rote Karte für gelbe Streifen?
Richter des Münchner Verwaltungsgerichts haben in Lerchenfeld die von der Stadt angelegten Schutzstreifen für Radfahrer besichtigt. Eine Entscheidung, wie es mit den gelben Markierungen weitergeht, gibt es noch nicht, eine Tendenz aber schon.
Dazwischen schlängelt sich der Verkehr durch. In der Verhandlung hat Wolff seine Vorort-Einschätzung bekräftigt: „Mit Erstaunen“ habe er das „künstlich erzeugte Schlängeln“ zur Kenntnis genommen. Zwar sei der Schutz vor allem der Schüler, die mit dem Rad zu den im weiteren Straßenverlauf liegenden Schulen fahren, ein berechtigtes Anliegen der Stadt.
„Eine Gefahr ist nicht gemildert, sondern erst geschaffen worden“.
Allerdings setze die getroffene Regelung eine Gefahrenlage voraus, auch wenn es sich nur um einen Verkehrsversuch handele. Es dränge sich der Eindruck auf, die Begründung mit einer bestehenden Gefahr sei nachgereicht worden, „um ein politisches Konzept tragfähig zu machen“. Und noch deutlicher: „Eine Gefahr ist nicht gemildert, sondern erst geschaffen worden“.
Damit meinte Wolff ganz offensichtlich, dass größere Lieferwagen bei einer verbleibenden Fahrbahnbreite von drei Metern an der engsten Stelle gezwungen sind, auf den Schutzstreifen auszuweichen. In der Erdinger Straße stelle sich die Situation anders dar, so Wolff weiter: Dort seien lediglich Parkmöglichkeiten entfallen.
Mit Blick darauf, dass das Gesetz für den Verkehrsversuch ohnehin eine Maximalfrist bis Ende April nächsten Jahres vorsieht, hat Wolff angeregt, sich auf eine vorzeitige Beseitigung der Streifen zu einigen, und den 31. Dezember vorgeschlagen. Die Walters waren sichtlich erleichtert und haben sofort zugestimmt.
Dominik Fuchs, der Mobilitätsbeauftragte der Stadt, gab zu bedenken, dass die Entfernung der nicht aufgeklebten, sondern aufgemalten Streifen etwa 2000 Euro kosten werde und deshalb ein Vergabeverfahren erforderlich sei. Am Freitag hat die Stadt den Vorschlag des Gerichts dann aber doch angenommen.
Die geänderte Straßenverkehrsordnung erleichtert die Förderung des Radverkehrs
Ob die Sache damit endgültig vom Tisch ist, ist zweifelhaft. Die Stadt könnte auf Grundlage der gewonnenen Erkenntnisse eine Dauerlösung beschließen und davon profitieren, dass die erst vor Kurzem geänderte Straßenverkehrsordnung die Förderung des Radverkehrs erleichtert. Dagegen könnte abermals geklagt werden.
In dem Fall „kann es sein, dass wir uns wieder sehen“, mutmaßte Wolff. Den Anwohnern war wichtig, bei einem möglichen Neuanlauf in den Entscheidungsprozess eingebunden zu werden. Im Vorfeld des jetzigen Verkehrsversuchs war dies offenbar nicht der Fall. „Mit uns hat niemand geredet“, beschwerte sich einer der Zuhörer nach der Verhandlung.