Landwirtschaft und Kunst Zusammen die Welt retten

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Kunst und Landwirtschaft sollen in einem Projekt vereint werden.
Kunst und Landwirtschaft sollen in einem Projekt vereint werden. (Foto: Marco Einfeldt)

Ein Wissenschaftler aus Brasilien, ein Künstler aus München und ein Freisinger Bio-Bauer arbeiten gemeinsam, an einem Projekt über Landwirtschaft, Nachhaltigkeit und Klimaschutz, die in einem Dokumentarfilm festgehalten werden soll. Die drei kennen sich seit Jahren. Protokolle einer besonderen Verbindung.

Von Ambros Maria Karner, Freising

Die Vereinigung von Kunst und Wissenschaft ist nicht immer einfach. Der Künstler und Grafiker Thomas Hager nimmt diese Herausforderung mit seinem Projekt „Die Kunst, die Welt zu retten“ an. Dabei soll der Freisinger Ökobauer Josef Braun eine bedeutende Rolle spielen. Künstler Thomas Hager plant eine tiefgehende Auseinandersetzung mit den Themen Landwirtschaft und Nachhaltigkeit, die er in einem Dokumentarfilm festhalten will. Dafür möchte er die Perspektiven zweier Experten – des brasilianischen Professors Antônio Andrioli und des Freisinger Ökobauern Josef Braun – vereinen. Einerseits die brasilianische Landwirtschaft, die durch Abholzung und Monokulturen geprägt ist, und andererseits die Landwirtschaft in Bayern, die noch weit von Nachhaltigkeit entfernt ist. „Die Theorie des Wissenschaftlers und die Praxis des Bauern“, so Hager, „sollen zusammengeführt werden“. Die SZ schildert die Perspektiven der drei Protagonisten:

Josef Braun: der Bauer

Josef Braun auf seinem Hof.
Josef Braun auf seinem Hof. (Foto: Marco Einfeldt)

Josef Braun bewirtschaftet seit den 1970er-Jahren gemeinsam mit seiner Frau Irene einen 54 Hektar großen Hof im Süden des Freisinger Landkreises. 1988 stellten sie den Hof auf Biolandwirtschaft um. Der Auslöser dafür war die Katastrophe von Tschernobyl: „Damals mussten wir erleben, wie unser Sandkasten verstrahlt war und die Kühe nicht mehr auf die Weide konnten. Das war für mich ein Trauma.“ Damals wurde dem Freisinger Ehepaar klar, dass sie, wenn sie „Verantwortung für ihre beiden Töchter und die Natur übernehmen wollten, die Landwirtschaft nicht mehr in der bisherigen Form weiter betreiben konnten“, erzählt Josef Braun.

„In Freising sind die Böden nicht mehr in der Lage, Wasser aufzunehmen“

Bei Vorträgen zur grünen Gentechnik in Deutschland lernte Antônio Andrioli Josef Braun vor mehreren Jahren kennen. Seitdem sind sie „regelmäßig in Kontakt“, erzählt Braun, „um uns aktiv für eine nachhaltigere Landwirtschaft einzusetzen“. Dies sei in Freising wegen des spürbaren Klimawandels wichtig.

Im Landkreis Freising „sind die Böden durch einseitige Bewirtschaftung, schwere Maschinen, Monokulturen und Gülle, die die Böden verseucht, nicht mehr in der Lage, Wasser aufzunehmen“, so Josef Braun. Hochwasser-Katastrophen, die man jetzt erlebe, könnten nicht gelöst werden, „indem man Dämme und Rückhalteflächen vergrößert“, fügt er hinzu, sondern indem man „die Landwirtschaft radikal verändert“. In der Praxis sei dies gar nicht so schwer. Wenn „die Bodenlebendigkeit wiederhergestellt wird“ und die „Böden wieder lebendig, locker und regenwurmhaltig sind, kann der Boden problemlos sehr große Regenmengen aufnehmen“, erklärt Josef Braun.

Er berichtet von einem Infiltrationstest, den er vor zwei Jahren auf seinem Biohof ausgeführt habe, um zu sehen, wie lange das Wasser braucht, um in den Boden zu versickern: „Unsere Böden brauchten für die Versickerung von 220 Litern nur sieben Minuten und 35 Sekunden. So kann man Hochwasser bekämpfen.“ Josef Braun sieht seinen Biolandbau als ein „völlig anderes Denkmodell“ im Vergleich zur industrialisierten Landwirtschaft, wo „die Beherrschung der Natur durch die Technik im Vordergrund steht“. Im Biolandbau versuche man, die Regelmechanismen der Natur zu verstehen, um ein Gleichgewicht zwischen Mensch und Natur zu schaffen. „Ohne Gleichgewicht entstehen Probleme in der Landwirtschaft und in der Natur“, betont der Agrarökologe.

Josef Braun sieht auch die Verantwortung der westlichen Nationen darin, „kein Soja, keine Baumwolle, kein Palmöl oder Mais aus Brasilien zu kaufen“. Nur so könnten die indigenen Bevölkerungen überleben und die Regenwälder vor weiterer Abholzung geschützt werden. Er erklärt, dass „solange die westlichen Nationen diese Produkte nachfragen, Länder wie Brasilien ihre eigenen Ressourcen ausplündern werden, um ihren Wohlstand zu sichern“. Dieser Aspekt führt ihn zu den Theorien von Professor Andriolis.

Antônio Andrioli: der Wissenschaftler

Antônio Inácio Andrioli.
Antônio Inácio Andrioli. (Foto: privat)

Antônio Inácio Andrioli wurde in Südbrasilien als Sohn eines Sojabauern mit bayerischen und südtiroler Wurzeln geboren. Nach einer Ausbildung zum Agrartechniker studierte er Philosophie, Psychologie und Soziologie. Als Mitbegründer der Universidade da Fronteira Sul engagiert er sich intensiv für Bildung und Forschung mit Schwerpunkt auf nachhaltiger Landwirtschaft in Brasilien. 2020 wurde er mit dem bayerischen Naturschutzpreis des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) ausgezeichnet.

Anfang der 1990er-Jahre lernte Thomas Hager, damals Aktivist und Dokumentarfotograf gegen grüne Gentechnik, Professor Andrioli in Deutschland kennen. Beide teilten das Interesse an den riesigen Sojaplantagen in Südbrasilien und den Schäden, die durch industrialisierte Landwirtschaftstechniken verursacht werden. Die Probleme, die Brasilien in großem Maßstab aufweist, finden sich auch in den kleineren regionalen Rahmenbedingungen Bayerns wieder. Das jüngste Hochwasser, das Freising und große Teile Süddeutschlands getroffen hat, ist nur ein Beispiel unter vielen.

In Brasilien nehme der Hunger trotz steigender Soja- und Fleischexporte zu.

Die Größe Brasiliens bringt sowohl Herausforderungen als auch Vorteile mit sich, die Deutschland nicht bieten kann. „In Brasilien ist es möglich, fast jede Pflanze anzubauen und fast jedes Tier zu züchten. Wir haben die unterschiedlichsten Böden und Klimabedingungen sowie eine enorme Artenvielfalt. Es mangelt weder an Wasser noch an Menschen, um zu produzieren“, betont Professor Andrioli. Trotzdem kämpft der brasilianische Staat mit Hungersnot und Ressourcenverschwendung. Warum? Andrioli erklärt:

„Unsere staatliche Politik fördert Monokulturen für den Agrarexport und reduziert die Produktion von Grundnahrungsmitteln, was eine Agrarreform und eine bäuerliche Familienwirtschaft unmöglich macht“, erklärt Andrioli. „Die Landflucht hat zugenommen, sodass immer mehr Menschen von anderen ernährt werden müssen.“ Das führt laut Andrioli dazu, dass „der Hunger in Brasilien trotz steigender Soja- und Fleischexporte zunimmt.“

Brasilien, ein zentrales Land für die Welternährung, ist auch eines der am stärksten vom Klimawandel betroffenen Länder. Die kurzsichtige Politik, geprägt durch zunehmende Abholzung, „zerstört die natürlichen Ressourcen, verseucht und überdüngt die Böden“. Diese industrialisierte Landwirtschaft habe schwerwiegende „Auswirkungen auf den Klimawandel, der schon jetzt Dürren und Überschwemmungen in einem noch nie dagewesenen Ausmaß verursacht“, so Andrioli.

Die Lösung sieht der Professor in zwei entscheidenden Faktoren: Nachhaltigkeit und Ernährungssouveränität. „Die Nahrungsmittelproduktion soll stärker regional und weniger global ausgerichtet werden, um die Zugänglichkeit zu verbessern und Energieverschwendung durch lange Transportwege zu reduzieren.“ Zudem sollte die Agrarökologie „in der öffentlichen Politik Vorrang haben“. Durch die Kombination von „traditionellem Wissen der kleinbäuerlichen Landwirtschaft und fortgeschrittenem agrarwissenschaftlichem Wissen“ bestehe die große Chance, „gleichzeitig den Herausforderungen der Klimakrise, der Hungerkrise und des Artensterbens gerecht zu werden“.

Thomas Hager: der Künstler

Thomas Hager
Thomas Hager (Foto: privat)

Thomas Hager ist ein vielseitiger Künstler und Grafiker, der an der Kunstakademie in München bei Professor Robin Page studierte und sein Diplom als Meisterschüler abschloss. Er leitet den Werkstattraum für „Neue Medien“ und bildet Studierende in der Siebdruckwerkstatt der Akademie der bildenden Künste München aus. Zudem war er Dozent für Fotografie an der Technischen Hochschule Deggendorf und Mitglied des Berufsverbands bildender Künstler München und Oberbayern (BBK). Zusammen mit Professor Andrioli hat er die landwirtschaftliche Lage im Süden Brasiliens dokumentiert.

Hager ist überzeugt, dass Kunst eine bedeutende Rolle in der Gesellschaft spielen wollte: „Die Bildende Kunst hat in den letzten Jahren an Bedeutung verloren“, erläutert er, „die Kunst sollte mehr im öffentlichen Raum präsent sein und sich politisch engagieren“, fordert er. Das Leitmotiv von Hagers Kunst ist Nachhaltigkeit. „Jeder Künstler sollte seine Lebensphilosophie haben und meine beruht auf Nachhaltigkeit und Biodiversität“, erklärt er. „Als Künstler möchte ich auf die politischen Probleme hinweisen, die eine fehlende Nachhaltigkeit in den verschiedensten Aspekten unseres Alltags mit sich bringt.“

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