Süddeutsche Zeitung

Die Maskenaffäre und die Folgen:Enormer Vertrauensverlust

"Es werden alle über einen Kamm geschoren", klagen die Bundes- und Landtagsabgeordneten aus dem Landkreis Freising. Sie befürworten eine größere Transparenz - bezahlte Nebentätigkeiten hat nach eigenen Angaben keiner von ihnen.

Von Petra Schnirch, Nadja Tausche und Birgit Goormann-Prugger, Freising

Nach dubiosen Maskendeals mehrerer Abgeordneter hat Bayerns Ministerpräsident Markus Söder die neue CSU ausgerufen und einen Zehn-Punkte-Plan vorgelegt, um Vertrauen zurückzugewinnen. Nebentätigkeiten sollen offengelegt und Fehlverhalten strenger bestraft werden. Die SZ hat die Abgeordneten, die den Landkreis Freising im Landtag und im Bundestag vertreten, dazu befragt.

Der CSU-Landtagsabgeordnete und Leiter der Staatskanzlei, Florian Herrmann, versichert, er habe sich als Abgeordneter stets an die Transparenzregeln gehalten, die zu dem Zeitpunkt einschlägig gewesen seien. "Seit ich Mitglied im Kabinett bin, habe ich daneben natürlich keine weiteren Tätigkeiten oder Einnahmen; meine Zulassung als Rechtsanwalt ruht."

Der Zehn-Punkte-Plan reiche aus, um weitere Verstöße zu verhindern, sagt Florian Herrmann (CSU)

Herrmann ist laut eigenen Aussagen der Ansicht, dass der Zehn-Punkte-Plan ausreichen wird, um weitere Verstöße in diesem Bereich zu verhindern. "Jetzt muss aufgeklärt werden, was da genau in den Einzelfällen war und man muss klar machen, dass man die mögliche Verquickung von Mandat und persönlicher Berufstätigkeit sauber voneinander trennen muss, dass es wirklich nicht erlaubt ist", sagt Herrmann. "Als Abgeordneter muss man sein Mandat wirklich als Mandat ausüben und nicht im Sinne von Mandanten. Jedem muss klar sein, dass für bezahlte Interessenvertretungen ein absolutes Verbot gilt", so der CSU-Politiker weiter. Man sei als Abgeordneter eben kein Lobbyist und darum dürfe man auch kein Geld dafür bekommen, wenn man sich für Interessen einsetze.

Die Vorfälle hätten natürlich für große Verärgerung in der Bevölkerung gesorgt: "Wir hatten vor allem im vergangenen Jahr die besondere Situation, dass es zu Beginn der Pandemie nicht genug Masken und Schutzmaterial gab. Es war ein täglicher Kampf, das zu organisieren. Da ist es schon erschütternd, wenn man mitbekommt, dass es manche Trittbrettfahrer gibt, die damit Provisionen verdient haben. Das ist moralisch sehr fragwürdig." Das habe für einen Vertrauensverlust in der Bevölkerung gesorgt, "der durch einige wenige verursacht wurde, der es aber in sich trägt, allen zu schaden".

Eine Verschärfung der Regeln halte er für "absolut überfällig", sagt Erich Irlstorfer (CSU)

Bundestagsabgeordneter Erich Irlstorfer, CSU, versichert, dass er abgesehen von dem Sitzungsgeld als Kreisrat "null Nebeneinkünfte" hat und auch keinerlei Beteiligungen. Es sei seine Maxime, dass er sich als Abgeordneter "in vollem Umfang und einer gewissen Schlagkraft" einbringen wolle. Er habe gar nicht die Zeit, andere Funktionen zu übernehmen, sagt Irlstorfer. Eine Verschärfung der Regeln halte er für "absolut überfällig". Er sei froh über den "richtigen und wichtigen" Impuls von CSU-Chef Markus Söder. Dabei sei es wichtig, auch neue Wege zu gehen. Es sei viel Vertrauen verloren gegangen - und "es werden alle über einen Kamm geschoren", sagt Irlstorfer: Es heiße jetzt, das sei "die Politik" und nicht Abgeordneter soundso.

Irlstorfer befürwortet eine Offenlegung von Nebeneinkünften "vom ersten Euro" an. "Wir brauchen klare, transparente Regeln. Allerdings dürften diese "nicht realitätsfern" sein. Man könne nicht verlangen, dass ein Abgeordneter ein eingeführtes Familienunternehmen verkaufen müsse. Wichtig sei eine Offenlegung bei Aufsichtsratsposten. "Das ist schon ein heikles Thema", sagt Irlstorfer und gibt ein Beispiel: Wenn er als Gesundheitspolitiker dem Aufsichtsrat einer privaten Krankenversicherung angehören würde, "hätte ich ein Entscheidungsproblem". Abgeordnete leisteten viel, sie würden aber auch gut bezahlt.

Wie andere nebenbei zahlreiche Mandanten betreuen könnten, könne er sich nicht erklären, sagt Johannes Becher (Grüne)

Wie hoch die Bezüge sind, das listet der Landtagsabgeordnete Johannes Becher (Grüne) auf seiner Abgeordneten-Homepage unter dem Reiter "Transparenz" detailliert auf. Er sei oft danach gefragt worden und habe nichts zu verheimlichen, sagt er. Selbst das Sitzungsgeld, das er als Stadtratsmitglied in Moosburg und als Kreisrat bekommt, ist dort aufgeführt, die aktuellen Zahlen für 2020 (es sind 2520 beziehungsweise 1605 Euro) folgen noch. Weitere Einkünfte habe er nicht. "Ich bin im Hauptberuf und mit Haut und Haaren Abgeordneter", sagt Becher und fügt hinzu: "Aber das scheint nicht die Norm zu sein. Er habe eine "60-Stunden-Woche plus" und zusätzlich Ehrenämter. Wie andere nebenbei noch zahlreiche Mandanten betreuen könnten, könne er sich nicht erklären.

Auch Becher findet, dass Nebeneinkünfte vom ersten Euro an dargestellt werden sollten. Die Politik wäre gut beraten, dem aktuellen Vertrauensverlust "mit ernsthafter Transparenz zu begegnen", sagt er. Die von Söder verkündeten Verschärfungen seien vorerst nur eine Ankündigung. Die CSU habe bisher "offenbar ein Umsetzungsproblem". Die Nebentätigkeiten von Alfred Sauter seien seit Jahren bekannt. Gespannt ist Becher, wie die CSU dem Grünen-Antrag im Landtag für ein Lobbyregister und einen "legislativen Fußabdruck" begegnet. In einigen Wochen steht dazu die zweite Lesung an. "Die CSU hätte über die Jahre viele Möglichkeiten gehabt, für Transparenz zu sorgen", kritisiert Becher.

Ein Dorn im Auge sei auch "die Massivität bei Parteispenden", so Benno Zierer (Freie Wähler)

Eine Diskussion hält auch MdL Benno Zierer (Freie Wähler) für dringend notwendig, "wenn man sieht, was für Auswüchse es geben kann". Er selbst habe keine Nebeneinkünfte aus anderen Tätigkeiten. Als Stadt- und Kreisrat erhält er Sitzungsgeld, außerdem hat er seine landwirtschaftlichen Flächen an seinen Cousin verpachtet und er vermietet auf seinem Hof Räume an die Lebenshilfe, die er zuvor mit großen Aufwand umgebaut habe, schildert er.

Ein Dorn im Auge sei den Freien Wählern auch "die Massivität bei Parteispenden". Hier setze sich die Partei seit Jahren für eine Änderung ein, sie selbst nehme keine Konzernspenden an. Unterbunden werde müsse zudem die Funktion von Abgeordneten als "Türöffner". Was eine neue Regelung zu Abgeordneteneinkünften angeht, hofft Zierer, dass darüber "vernünftig" diskutiert wird und keine "Schnellgesetzgebung" auf den Weg gebracht wird, die dann wieder korrigiert werden muss.

Der AfD-Bundestagsabgeordnete Johannes Huber sagt, er beziehe außerhalb seiner Tätigkeit im Bundestag keine Einkünfte. Huber ist der Meinung, die Angabe der Einkünfte in Spannen, wie es derzeit üblich ist, sei zu weit gefasst: "Der Betrag aus Nebentätigkeiten sollte so konkret wie möglich angegeben werden." Es brauche strengere Regeln beim Offenlegen von Nebeneinkünften, aber auch von Firmenspenden, so Huber. Und weiter: "Dass jetzt vor allem CSU und SPD aufgeschreckt sind, zeigt, dass besonders diese Parteien sich betroffen fühlen und dass dort das Kind durch die aufgedeckten Korruptionsaffären bereits in den Brunnen gefallen ist."

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5243443
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 23.03.2021/ilos
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.