Was lange währt, wird endlich gut: Nach erheblichen Startschwierigkeiten hat der Landkreis Freising jetzt endlich den Sozialpass auf den Weg gebracht. Dieser soll Empfängerinnen und Empfängern von sozialen Leistungen mehr Teilhabe am öffentlichen Leben ermöglichen. Beteiligt sind derzeit sechs Kommunen, was von der Einwohnerzahl her mehr als der Hälfte der Landkreisbevölkerung entspricht. Bezugsberechtigt sind derzeit 7386 Personen.
Der Sozialpass bietet aber nicht nur Bedürftigen mehr Teilhabe am öffentlichen Leben, sondern er hat auch eine gesellschaftliche Dimension. „Wir müssen wegkommen von der ewigen Spaltung der Gesellschaft“, formulierte es Charlotte Reitsam, eine der Initiatorinnen des Sozialpasses, während einer Pressekonferenz im Landratsamt.
Der Anstoß zur Einführung des Ausweises ging von einem Prozess innerhalb der Agenda-21-Gruppe „Tisch füreinander“ in der Stadt Freising aus. Reitsam transportierte die Idee in den Stadtrat, wo es letztlich eine parteiübergreifende Zustimmung zur Einführung des Sozialpasses gab. Skepsis herrschte zunächst in den Gremien des Kreistags und unter einigen Bürgermeistern im Landkreis.
Die Sorge vor der „Geburt eines bürokratischen Monsters“ ging um. Schließlich stimmte der Kreisausschuss im Sommer 2023 der Einführung des Sozialpasses zum 1. März 2024 zu. Es kam zu weiteren Verzögerungen, denn die Begeisterung vieler Gemeinden für eine Beteiligung hielt sich in Grenzen. Sechs signalisierten am Ende ihre Teilnahme: Freising, Neufahrn, Hallbergmoos, Moosburg, Langenbach und Attenkirchen.
Am Ende reifte die Erkenntnis, dass nicht die Zahl der Gemeinden für die Einführung des Sozialpasses entscheiden sei, sagte Landrat Helmut Petz, sondern die Einwohnerzahl. Da die teilnehmenden Kommunen überwiegend im bevölkerungsreichen südlichen Landkreis beheimatet sind, decken diese die Hälfte der Einwohnerzahl des Landkreises ab. Das deckt sich gut mit der Klientel von Bernhard Reiml, Leiter des Freisinger Jobcenters, die überwiegend in dieser Region wohnt.
Eine „Investition in die Zukunft“
Reiml sagte, dass finanziell schlechter gestellte Mensch zuerst an den Bereichen Kultur, Bildung und Essen sparten. Er sieht in der Einführung des Sozialpasses eine „Investition in die Zukunft“ und einen „Mehrwert für die Gesellschaft“. Ohne soziales Engagement „fällt uns das in ein paar Jahren auf die Füße“. Der Anteil derer, die ihr Leben lang von sozialer Unterstützung leben, soll nicht wachsen. Denn Reiml weiß aus seiner beruflichen Erfahrung, dass sich Menschen, die sich sozial abgehängt fühlen, die Tendenz zeigten, sich „total“ einzuigeln und dann ihr Leben praktisch nur noch an der Playstation oder vor dem Fernseher verbringen. Das Kapital, das diese Menschen haben, sei Zeit. Und vielleicht entstehe ja bei dem einen oder anderen Empfänger des Sozialpasses der Wunsch, sich in ein Ehrenamt einzubringen.
Sozialplaner und Sozialpass-Koordinator Jens Hornig bestätigte, dass die Einführung des Ausweises aus Sicht der Armutsforschung wichtig sei, vor allem was die soziale Teilhabe von Kindern anbelangt. Die Forschung sage, dass ein Sozialpass gut ankomme und „passgenau“ sei. Im Vergleich zu Bayern (4,9 Prozent) oder gar der Bundesrepublik (8,5) steht der Landkreis Freising mit 3,9 Prozent von Personen, die auf soziale Unterstützung angewiesen sind, noch gut da. Von 186 276 Menschen beziehen 7386 finanzielle Hilfen. 4750 leben in 2500 Bedarfsgemeinschaften, 800 sind Leistungsbezieher nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, 1212 Bezieher von Wohngeld und 625 von Grundsicherung im Alter. Hornig warnte aber davor, dass die Quote im Landkreis nicht immer so niedrig bleiben könnte. „Und dann haben wir mit dem Sozialpass ein System für die Zukunft geschaffen.“
Der Sozialpass dient auch der Integration von Geflüchteten
Die Sorge, dass ein bürokratisches Monster geschaffen werde, hat sich im Nachhinein als unbegründet erwiesen. Leistungsempfänger erhalten auf einen formlosen Antrag den Sozialpass, den das Landratsamt ausstellt. Empfänger von Grundsicherung im Alter oder Wohngeldbezieher müssten bei der Behörde anrufen, sagte Werner Wagensonner von der Sozialverwaltung des Landratsamts. Beim Jobcenter herrscht reger Publikumsverkehr, sodass die Klientel rasch auf den Sozialpass aufmerksam gemacht wird. Sandra Schulenberg, Sachgebietsleiterin Asyl am Landratsamt, hob die Vorteile des Sozialpasses für die Integration von Geflüchteten hervor. Diese können den Ausweis beantragen. Dessen Laufzeit sei wegen des Bleiberechts an das Herkunftsland gebunden, sagte sie.
Der Landkreis gibt den Pass aus und führt die Internetauftritte zusammen, in der Gemeinde wird das lokale Angebot ausgestaltet. Alle berechtigten Landkreisbürger können die Angebote, sei es kommunaler, privater, kirchlicher, kultureller oder sportlicher Art, nutzen – zum großen Teil über Gemeindegrenzen hinweg.
Auch kleine Gemeinden können mitmachen
Josef Niedermair, Bürgermeister von Hallbergmoos, ist von der Idee begeistert. Besonders freut es ihn, dass einstige Skeptiker wie sein Moosburger Amtskollege Josef Dollinger jetzt mit von der Partie sind. Auf Anregung von Petz könne er sich ja informieren, ob die Hallbergmooser Welle auch am Sozialpass partizipieren wolle. Viele Firmen würden sich ja gerne engagieren, wüssten aber nicht, wie. Niedermair und Attenkirchens Bürgermeister Mathias Kern ermunterten kleine Gemeinden dazu, mitzumachen. Zwar hätten diese weniger personelle Ressourcen, könnten aber für Kinder günstigere Konditionen bei der Mittagsbetreuung oder Ferienspielen anbieten. „Kinder müssen mit dabei sein“, betonte Kern. „Auch wenn die Eltern wenig Geld haben.“
Die Ausgabe des Sozialpasses startet am 20. September. Weitere Informationen gibt es unter https://lrafs.de/sozialpass.