Süddeutsche Zeitung

Axel Hacke liest in Freising:Liebe, Lüge und Feigheit vorm Freund

Musikalisch begleitet von seiner Frau Ursula Mauder, stellt SZ-Autor Axel Hacke im Freisinger Lindenkeller sein Buch "Wozu wir da sind" vor.

Von Birgit Goormann-Prugger, Freising

In seinem neuen Buch "Wozu wir da sind" lässt SZ-Autor Axel Hacke seinen Protagonisten, Walter Wemut, hauptberuflich Nachrufautor einer Zeitung, der Frage nachsinnen, was das sein könnte: ein gelungenes Leben. Wemut beleuchtet die vielen Lebensentwürfe, die ihm begegnet sind, zieht die Literatur zu Rate, macht sich Gedanken und mixt alles zu einem furiosen Monolog. Hacke stellt sein Buch am Donnerstag, 12. Dezember, um 20 Uhr im Lindenkeller vor. Es wird ein Abend mit Text und Musik. Dazu hört man die Eigenkompositionen der Sängerin und Drehbuchautorin Ursula Mauder, Axel Hackes Frau. In den rein akustisch arrangierten Songs geht es um Scheitern und Triumph, Tod und Traum, Liebe, Lüge und Feigheit vor dem Freund. Die SZ hat mit Axel Hacke über diesen Abend und sein neues Buch gesprochen.

SZ: Wozu wir da sind. Das klingt so suchend, befinden Sie sich in einer Sinnkrise? So als Mann mit knapp über 60?

Axel Hacke: Nein, da befinde ich mich nicht. Aber von mir ist ja im Buch auch nicht die Rede. Allerdings ist auch Walter Wemut, die Hauptfigur, nicht in einer Sinnkrise, er steht bloß vor einer schwierigen Aufgabe, weil er eben zum 80. Geburtstag einer Freundin eine Rede über die Frage halten muss, was ein gelungenes Leben ist - oder sein könnte. Darüber macht er sich Gedanken, dabei denkt er auch über sein eigenes Leben nach, gezwungenermaßen, und diese Gedanken legt er in einem langen Monolog dar. Das fällt ihm nicht immer ganz leicht, aber in der Krise ist er deswegen nicht. Er ist nicht der Typ dafür.

Hat Ihr alter, weiser Kühlschrank Bosch Ihnen in den vielen nächtlichen Gesprächen erklären können, wozu wir da sind?

Na ja, es geht bei der Frage um nicht weniger als um den Sinn des Lebens - und um den ging es in den Dialogen mit Bosch eigentlich auch immer. Und diese Sinn-Frage wurde insofern ständig berührt, als die beiden immer wieder gedanklich um ihre Freundschaft kreisten, in ihrem Fall eine innige, lebenslange Beziehung. Solche Beziehungen machen ja an sich ein Leben oft schon sinnvoll und erfüllen es, insofern waren Bosch und ich immer schon mit dieser Frage beschäftigt. Wir waren immer an den großen Fragen dran. Einmal bittet Bosch sogar darum, ihm Senecas Rede über den Kaiser Claudius über Nacht ins Eisfach zu legen, er wolle sich noch ein bisschen damit beschäftigen.

Was gehört denn zu einem gelungenen Leben, so ungefähr?

Vielleicht, zum Beispiel: etwas in diesem Leben selbst wirklich zu wollen, seine eigenen Ziele zu haben, die Schienen zu verlassen, auf die man gesetzt worden ist und das Leben nicht als Muss zu sehen, sondern es selbst zu gestalten. Also: eine wirklich intensive Beziehung zum Leben zu haben, zu anderen Menschen zum Beispiel. Der Mensch ist kein Einzelwesen, er kann schlecht allein leben, also muss er diesen Beziehungen zu anderen auch viel Aufmerksamkeit schenken. Wemut fragt zum Beispiel einmal, ob es nicht das sei, worauf es im Leben ankomme: etwas zu finden, das Sie berührt, packt, mitnimmt, ergreift, nicht gleichgültig lässt? Das kann eine Arbeit sein, eine Liebe, auch eine Begeisterung für etwas.

. . . und ein verpfuschtes Leben wie geht das?

Wenn Sie nichts davon finden, weil Sie es vielleicht nicht mal gesucht haben, dann sind Sie nahe dran.

Wird in Nachrufen nicht eigentlich viel zu viel geschwindelt?

Mag sein. Es ist auch in Ordnung, wenn man nach dem Positiven sucht, am Ende, wenn nichts mehr zu ändern ist, oder? Wemut ist allerdings ziemlich ehrlich, das macht ihm auch manchmal Probleme, mit dem Chef zum Beispiel.

Was soll denn in Ihrem Nachruf einmal alles so geschrieben stehen?

Glauben Sie im Ernst, dass ich darüber nachdenke? Das lese ich mir dann in Ruhe alles durch, wenn es soweit ist, auf meiner Wolke. Außerdem: So viele Nachrufe wird es auf mich nicht geben, für so bedeutend halte ich mich nicht.

Dies ist ein Abend mit Text und Musik. Was war denn zuerst da und haben Sie bei der Musik etwas mitreden können?

Die Musik war zuerst da, die Songs meiner Frau, ihr Album "The Feel of Life", deswegen ist es ja auch so großartig, dass wir solche Abende wie in Freising zusammen machen können. Wir wollten - das haben wir schon öfter gemacht - mal wieder ein Hörbuch zusammen machen, und weil es in Ursulas Musik um die Höhen und Tiefen des Lebens geht, um Erfüllung und Enttäuschung, Scheitern und Triumph, Liebe und Feigheit vor dem Freund, weil sie also über all das gesungen hat, habe ich eben darüber geschrieben, also mein Buch gäbe es nicht ohne diese Musik und auch nicht ohne unsere vielen Gespräche zu dem Thema in den Jahrzehnten unserer Beziehung.

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Quelle:
SZ vom 06.12.2019/FPOL
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