Scheidender Kulturamtsleiter Adolf Gumberger:"Vermissen werde ich den Kontakt mit den Künstlern"

Scheidender Kulturamtsleiter Adolf Gumberger: Das Bild seines Freundes, des früheren Oberbürgermeisters Adolf Schäfer mit der typischen Zigarette, hängt im Büro des scheidenden Kulturamtsleiters Adolf Gumberger.

Das Bild seines Freundes, des früheren Oberbürgermeisters Adolf Schäfer mit der typischen Zigarette, hängt im Büro des scheidenden Kulturamtsleiters Adolf Gumberger.

(Foto: Marco Einfeldt)

Der scheidende Kulturamtsleiter Adolf Gumberger hat viele verrückte Sachen erlebt. Mit einer Schauspielerin im Domina-Kostüm musste er zum Arzt, mit Paula Weber-Schäfer war er in einer Fernseh-Quizshow. Worauf er dagegen gut verzichten kann, ist die Büroarbeit.

Interview von Kerstin Vogel, Freising

Mit dem scheidenden Freisinger Kulturamtsleiter Adolf Gumberger ins Gespräch zu kommen, ist leicht. An diesem Tag ist es Max, der kleine Hund, der ihn ins Büro begleitet, der ihn ins Erzählen bringt. Max war der Hund der Anfang des Jahres verstorbenen Paula Weber-Schäfer. Gumberger hat das Tier als enger Freund der Familie Schäfer übernommen - und in der Geschichte, die ihm dazu einfällt, spielt auch ein zahmes Kaninchen eine große Rolle. Außer um das friedliche Zusammenleben von Hund und Nager geht es in dem Gespräch mit Gumberger um Theater, Glamour, sein künftiges Leben als Rentner und viele Anekdoten, zu denen unter anderem ein Ausflug zu einer Quizshow in Luxemburg gehört.

SZ: Herr Gumberger, was hat es mit dieser Quizshow auf sich?

Gumberger: Eine Redakteurin wollte Anfang der 90er Jahre unbedingt die Paula als Kandidatin für ihre Quizshow - das war mit Victor Worms - und Paula wollte ihre eigenen Leute mitbringen. Das hat natürlich mich getroffen, dann war der Nadler Alexander dabei und Annemarie Schmidt, eine Lehrerin vom Dom-Gymnasium. Das war so witzig, wir haben zum Schluss nur noch gelacht und gar nicht mehr gewusst warum. Irgendwann hat der Victor Worms mal gefragt: "Entschuldigung, darf ich auch mitspielen?" Aber wir waren die erste und einzige Gruppe, die es mit allen vier Leuten bis ins Finale am Samstag zur besten Sendezeit geschafft hat.

Sie haben eine Ausbildung in der Finanzverwaltung absolviert, waren 18 Jahre lang im Personalamt tätig - warum sollte es irgendwann dann das Kulturamt sein?

Ich war ja immer schon an Kultur interessiert und da ganz besonders am Sprechtheater. Durch meine Tätigkeit bei der Laienbühne kannte ich auch die praktische Theaterarbeit. Als man die Verwaltung im Kulturamt neu strukturieren wollte, war es wohl die Kombination aus Verwaltungs- und Theatererfahrung, die den Ausschlag dafür gab, dass man mich mit dieser Aufgabe betraut hat. Für mich persönlich war es ein fast logischer Schritt, da ich, was Kultur und Theater betrifft, erblich vorbelastet bin. Mein Ururgroßvater ist mit einer eigenen Schauspielbühne durch die Lande gezogen. Fahrendes Volk also. Ich sage scherzhaft lieber: Er hatte ein Tourneeunternehmen. Er war aber auch Landschaftsmaler und das Interessante ist, dass Frau Doktor Götz (die für Museum, Archiv und Bibliothek zuständige Referatsleiterin der Stadt, Anm. d. Red.) das Thema dann mal ausgegraben hat. Sie hatte im Archiv des Stadtmuseums ein Bild gefunden, bei dem sie dachte, dass auf dem Rahmen "Gumberger" stehen könnte - und das war tatsächlich ein Bild von meinem Ururgroßvater. Mittlerweile sind ein paar hundert Bilder von ihm bekannt.

Wann ist es mit dem Theater, also den Laienspielern, losgegangen?

Ich habe 1985 in der Laienspielgemeinschaft bei Simon Huber das erste Mal gespielt. Mein erstes Stück war "Die Pfingstorgel", ich war der "billige Jakob", auch genannt "Öha", weil das mein Text war. Ich habe dann jahrelang immer entweder gespielt oder Regie geführt. Nachdem das sehr zeitintensiv ist, habe ich mir einmal eine Auszeit gegönnt - und das war furchtbar. Ich habe wirklich gedacht, dass ich nicht zur Premiere gehen und nur unten sitzen und zuschauen kann. Ging dann aber ganz gut. Ich bin auch jetzt noch bei den Laienspielern, aber eben nicht mehr aktiv.

Hat das Asamgebäude, das jetzt saniert wird, eine besondere Bedeutung für Sie?

Eine sehr große. Ich bin schon '74 oder '75 dort in die Fachoberschule gegangen und, als ich bei der Stadt angefangen habe, wieder in Büros dort eingezogen - dann kam das Theater: Ich habe einen Großteil meines Lebens im Asam verbracht. Wenn jetzt bei der Sanierung kaum ein Stein auf dem anderen bleibt, ist das ein bisschen schmerzhaft. Im April 2017 sind wir mit dem Kulturamt in die Luitpoldanlage gezogen und ich war seitdem nicht mehr im Asamsaal. Ich habe den das letzte Mal gesehen, bevor er ausgeräumt wurde. Ich möchte alles so in Erinnerung behalten wie es war. Aber natürlich schaue ich mir das an, wenn es fertig ist. Das Neue wird toll, das ist keine Frage, aber es ist nicht mehr "mein" Asam, wie ich es erlebt habe, auch mit all seinen Unzulänglichkeiten.

Sieht man Sie vielleicht als Schauspieler noch einmal auf der dann neuen Bühne?

Man soll ja nie etwas ausschließen. Aber im Moment kann ich mir das nicht vorstellen.

Warum nicht?

Ich habe ja fast drei Jahrzehnte mit der Laienbühne Theater gemacht und ich möchte diese Zeit nicht missen. Wir hatten zusammen große Erfolge und ich bin allen, die daran beteiligt waren, wirklich sehr dankbar für diese tolle und spannende Zeit. Aber die letzten Jahre hat sich das mit meinen Aufgaben als Kulturamtsleiter einfach nicht mehr vereinbaren lassen. Wenn ich jetzt wieder etwas machen sollte, dann möchte ich das unabhängig von jeder Erwartungshaltung tun. Aktuelle Stoffe, ganz andere Inszenierungen vielleicht - wer weiß. Aber zunächst einmal möchte ich mich jetzt nirgendwo binden. Ich will ganz bewusst erleben, wie das Leben als Rentner sich anfühlt. Kommt der Zeitpunkt, an dem einem langweilig wird oder man gar sagt: Boah, ich werde nicht mehr gebraucht. Aber, ehrlich gesagt, kann ich mir das für mich nicht vorstellen.

Wer war der glamouröseste Mensch, der Ihnen untergekommen ist? Oder welche Berühmtheit war besonders "normal"?

Der Glamouröseste? Das kann ich gar nicht sagen. Sehr normal ist Heiner Lauterbach, der ist so was von entspannt und nett und liebenswert. Oder Hugo Egon Balder, schrille Figur, aber so ein netter, witziger Typ. Man kann fast sagen: je bekannter, desto bescheidener sind die. Grundsätzlich kriegt jeder Künstler bei uns die optimale Betreuung. Ich versuche herauszufinden, was er braucht, was ihm gut tut, ich will ja, dass er sich bei uns wohlfühlt und gerne auf die Bühne geht. Ganz schwierig sind zum Teil die Comedians, die RTL groß gemacht hat. Also was RTL denen bezahlt, das macht Kleinkunst kaputt.

Der Theaterspielplan Asam hat sich ja ein bisschen in Richtung Boulevard entwickelt. Manch einer hätte gerne mehr Klassiker im Programm. Woran scheitert das?

Wir haben ja immer wieder Klassiker drin. Aber ich kann nur buchen, was am Markt ist. Und da wird ganz wenig angeboten. Der Klassiker alleine ist es ja noch nicht, der muss auch hervorragend gespielt und inszeniert sein, sonst kriegt man das Publikum nicht. Tatsächlich aber haben wir nicht wirklich das Publikum dafür.

Ist das Freisinger Publikum denn so speziell?

Jedes Publikum ist speziell. Überall. Das Freisinger Publikum ist anders als das Münchner und wieder anders als das Erdinger. Ich habe das oft mit anderen Kulturamtsleitern diskutiert, aber es gibt keine wirklich stichhaltige Erklärung dafür.

Hat die Stadt Freising als Kulturstadt für Sie denn ein eigenes Gesicht?

Ja, ganz klar das Sprechtheater, das ich forciert habe, weil es die größte Strahlkraft hat und meine Leidenschaft ist, dann der Lindenkeller mit seinem irrsinnig breiten Programm, das hat Profil. Wobei es nicht so viele bezahlbare Acts für den Lindenkeller gibt, deshalb wiederholen sich die Künstler. Wir haben uns eine Zeitlang mit mehreren Kulturamtsleitern zusammengetan, um gemeinsam Künstler von außerhalb Bayerns zu holen und bezahlbar zu machen. Wir hießen schon die "Bayernmafia".

Was ein Problem ist, was aber nicht alle so sehen: Es ist eigentlich viel zu viel los. Man nimmt sich gegenseitig das Publikum weg. Und: Im Moment machen drei Leute von Stadtjugendpflege und Kulturamt das Programm. Dadurch wird es breiter, das ist super - aber es müsste organisatorisch in einer Hand sein.

Wenn Sie sagen, es ist zu viel: Brauchen wir dann noch das Abseits?

Was ich nicht verstehen kann, ist das Argument: Jetzt, wo es losgegangen ist mit der Asamsanierung, brauchen wir das als Ersatz. Das Abseits mit 60, 70 Plätzen, eine in die Jahre gekommene Kneipe - nicht böse gemeint - und auf der anderen Seite ein großes, prunkvolles Barocktheater, das kann man doch wirklich nicht vergleichen. Und wenn man da mit Steuergeld rein geht, ist natürlich die Frage, wer sagt dann zu recht: Bitte, ich auch? Von daher sehe ich es kritisch.

Subkultur entsteht doch immer da, wo Freiheit ist, nicht dort, wo irgendein Regulativ sitzt, da ist es doch komisch, wenn die Stadt da dabei sein soll. Eine Kultstätte kann man nicht planen. Die wächst oder sie wächst nicht. Grundsätzlich ist so etwas natürlich wünschenswert, so wie zum Beispiel auch im Furtnerbräu. Was sich da entwickelt, ist toll, das ist eine Kultstätte, die gerade aus sich heraus entsteht. Das muss man lassen und höchstens behutsam unterstützen.

Wie schätzen Sie die Freisinger Kulturszene selber ein?

Unheimlich aktiv, breit aufgestellt durch alle Genres, ganz ungewöhnlich für eine Stadt dieser Größenordnung, dass so viele Menschen da sind, die sich mit Kultur beschäftigen. Und wenn man immer hört, es sei nichts los - das ist ein gerne benutzter Vorwand. Wenn man am Samstag lieber auf der Couch sitzt und Sportschau ansieht, ist das vollkommen in Ordnung und das darf man auch so sagen.

Im Stadtrat ist die Kultur, in der Zeit, in der ich das miterlebt habe, immer gut gefördert worden. Natürlich ginge immer mehr, keine Frage. Aber im Vergleich zu vielen Kollegen in anderen Städten haben wir nicht mit so großen Schwierigkeiten zu kämpfen. Mit dem neuen Asam wird man allerdings noch etwas draufsatteln müssen. Das wird ein Juwel, aber da muss man nun den nächsten Schritt gehen, ein Konzept für die Zukunft festlegen.

Bedauern Sie nicht, dass Sie damit jetzt nichts mehr zu tun haben?

Das bin ich schon ganz oft gefragt worden. Auch von Kollegen, die sich alle vorstellen, dass man die Eröffnung noch macht, mit einem Riesen-Etat. Aber der Punkt ist: Es ist völlig egal, wer das macht. Es wird nachher nirgends einen Gumberger-Saal geben oder so etwas. Zu glauben, dass da irgendwas bleibt, ist sehr vermessen. Wobei es von der Aufgabe her reizvoll ist - aber es ist ja mit der Eröffnungssaison nicht getan, da müssen sie dranbleiben. Also höre ich so auf, dass sich mein Nachfolger vernünftig einarbeiten kann.

Und was macht nun der Rentner Gumberger?

Der Rentner wird viel Sport treiben, viel mit dem Fahrrad unterwegs sein. Und ansonsten: alles offen. Das ist ein gutes Gefühl. Was mir sicher nicht fehlen wird, ist diese ganze Verwaltungsarbeit. Vermissen werde ich den Kontakt mit den Menschen, mit dem Publikum und den Künstlern. Und die verrückten Sachen, die eben passieren. Die Stalkerin, die da war, beim Hardy Krüger, über die genau an dem Tag alle Boulevard-Zeitungen berichtet haben, oder die Schauspielerin, die ich im Domina-Kostüm zum Arzt bringen musste. Oder als Ten Years after da waren, die Helden meiner Jugend. Ich war ja früher Schlagzeuger. Ich habe die Band am Flughafen abgeholt und ich musste mich zwicken, um es wirklich glauben zu können. Am Ende des Tages habe ich mich mit Chick Churchill über Knieprobleme unterhalten, weil er Schwierigkeiten hatte, als er ins Auto eingestiegen ist. Und ich kenne das. Also habe ich mich mit dem Helden meiner Jugend über Knieoperationen unterhalten. So was nimmt man mit.

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