Süddeutsche Zeitung

Kreistagsmitglieder mit Migrationshintergrund:"Ein Schritt in die richtige Richtung"

Im neuen Kreistag sitzen mit Ozan Iyibas und Samuel Fosso erstmals zwei Mitglieder mit Migrationshintergrund.

Von Francesca Polistina, Freising

Samuel Fosso und Ozan Iyibas haben wenig gemeinsam. Der erste, 47, ist Softwareentwickler und Vorsitzender des Vereins "Mibikids" zur Deutschförderung, lebt in der Domstadt und hat bei der "Freisinger Mitte" sein politisches Zuhause gefunden. Der zweite, 37, ist nach über 20 Jahren bei der Sparkasse als selbständiger Unternehmensberater tätig, kommt aus Neufahrn und war dort bei der Wahl im März Bürgermeisterkandidat der CSU. Zwei Dinge einigen sie dennoch: Beide werden im neu gewählten Kreistag sitzen, Iyibas zum ersten, Fosso bereits zum zweiten Mal. Und beide haben einen Migrationshintergrund - als einzige unter den 70 Kreisrätinnen und Kreisräten.

Laut dem Jahresbericht des Landratsamtes wohnen im Landkreis Freising derzeit 34 510 ausländische Personen, das entspricht insgesamt 19 Prozent der Gesamtbevölkerung. Die meisten davon kommen aus der Türkei (4263), aus Rumänien (3759) und Ungarn (2666), gut vertreten sind auch die Kroaten, die Polen, die Italiener und die Österreicher. Aber auch viele deutsche Bürger haben einen Migrationshintergrund, sei es in der ersten oder dritten Generation.

In der Politik auf lokaler Ebene spiegelt sich das nicht wider. Schaut man sich die Listen der neuen Stadt- und Gemeinderäte an, fällt auf, dass die Anzahl der Namen, die auf ausländische Wurzeln hinweisen, in den meisten Fällen bei null liegt. Insbesondere in den Dörfern. Dort, egal ob es sich um Kranzberg, Mauern, Attenkirchen oder eine andere Gemeinde handelt, sitzen in den neuen Gremien keine oder kaum Menschen mit einem Migrationshintergrund. In den Städten wie Freising und Neufahrn ist deren Anteil um einiges höher, aber immer noch marginal. Anzumerken ist jedoch eine kleine Verbesserung: Mit dem Einzug von Ozan Iyibas und der Bestätigung von Samuel Fosso sitzen nun im Kreistag zwei anstatt wie vorher nur ein Politiker mit Migrationshintergrund. In Prozent bedeutet das, dass deren Anteil sich von 1,5 auf etwa drei erhöht hat.

Die Zahl spiegle die Gesellschaft nicht wider, sagt Fosso

Ist die Zahl angemessen? Laut Samuel Fosso sei das noch nicht genug, denn diese Zahl spiegele die Gesellschaft einfach nicht wider. Trotzdem, sagt er, handelt es sich um einen Schritt in die richtige Richtung, "und das muss man auch anerkennen". Die Tatsache, dass so wenige Menschen mit Migrationshintergrund gewählt werden, liegt seiner Meinung nach daran, dass die Kommunalwahl eine Persönlichkeitswahl ist, "und wenn man die Leute nicht kennt, wählt man sie einfach nicht". Ganz wichtig sei auch die Platzierung in der Liste: Desto höher ein Name auftaucht, desto wahrscheinlicher ist seine Wahl - das Problem sei nur, dass Menschen mit Migrationshintergrund selten oben platziert werden. Ein höherer Anteil in den politischen Gremien sei aber erstrebenswert, deshalb hat Fosso vor, Migrantenorganisationen proaktiv anzusprechen, um damit Menschen anzuwerben.

Auch für Ozan Iyibas ist die Zahl nicht genug: "Im Vergleich zur vergangenen Wahlperiode hat sich nichts geändert: Die Politiker mit Migrationshintergrund sind immer noch zu wenig und diejenige, die es schaffen, sind in der Regel schon lange in der Politik". Iyibas nimmt sich selbst als Beispiel: Seit 13 Jahren ist er Mitglied der CSU, er musste, wie er sagt, "hart arbeiten" und "sich beweisen". "Wenn ich einen anderen Namen gehabt hätte, wäre der Prozess um einiges schneller gewesen", sagt er. Seiner Meinung nach spielt der Name auch beim Wahlverhalten eine Rolle: "Auch wenn Politiker mit Migrationshintergrund oben in den Listen erscheinen, werden sie nicht gewählt: Das zeigt, dass es noch eine gewisse Haltung in der Gesellschaft gibt." Für Iyibas sei die Gesellschaft noch nicht bereit für einen höheren Migrantenanteil in den Gremien - wichtig ist aber, dass man beim Thema "dranbleibt" und dass die Betroffenen nicht resignieren, wenn sie nicht gewählt werden, sondern in den Ortsverbänden weitermachen.

Zurück zum Thema "Namen": Einen ausländisch klingenden Nachnamen hat übrigens auch die Grünen-Politikerin Joana Bayraktar, die es ebenfalls in den Kreistag geschafft hat: Sie kommt aus einem deutschen Umfeld, vom türkischstämmigen Mann ihrer Mutter hat sie den Nachnamen übernommen. "Im Politischen habe ich bisher keine Nachteile aufgrund meines Nachnamens erlebt, im privaten Leben erlebe ich manchmal eine gewisse Skepsis", sagt sie. Wie man heißt, das bleibt weiterhin Thema.

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SZ vom 02.04.2020/nta
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