Die Stoßgebete aus Freising haben genützt. Es müssen sehr viele gewesen sein. So viele, dass sich wohl alle ehemaligen 59 Freisinger Fürstbischöfe in der Nachfolge des Heiligen Korbinian zusammengetan haben, um gemeinsam an entsprechender Stelle folgende, dringende Bitte vorzutragen: „Es darf an diesem Sonntag, 15. September 2024, in Freising nicht regen. Auf gar keinen Fall.“ So war es dann auch.
Der Himmel schloss seine Schleusen nach zwei Tagen Dauerregen wenigstens für ein paar Stunden. Und so blieben am Sonntag in der Freisinger Altstadt beim großen Festzug, der an die Ankunft des französischen Wanderbischofs Korbinian, Begründer des Erzbistums München und Freising, vor 1300 Jahren erinnert, alle trocken.
Tausende Besucher und Besucherinnen säumten die Straßen, um dabei zu sein bei diesem Jubiläumsumzug mit 1500 Teilnehmenden und 53 Vereinen aus Freising und der gesamten Diözese. Angeführt von der Reiterstaffel der Polizei zogen Musikkapellen, Fahnenabordnungen aus München und Bayern sowie etliche Motivwagen mit historischen Themen am Publikum vorbei. Korbinian blickte zu ihnen gleich mehrfach huldvoll herab. Auch sonst waren im Fußvolk viele geistliche Herren zu sehen.



Die „Schönen Münchnerinnen“ grüßten in Biedermeiergewändern das Publikum, die „German Living Socitey“ fuhr in einem amerikanischen Jeep aus dem Jahr 1945 vorbei und die Freisinger Laienbühne hatte sich den bayerischen Herzog Tassilo eingeladen. Als Korbinian nach Bayern kam, herrschte das Geschlecht der Agilolfinger und der bayerische Herzog Tassilo III. war der letzte aus diesem Haus.

Für die Ehrengäste hatte man vor dem gerade erst wieder neu eröffneten Asamgebäude eine Tribüne aufgebaut – und sie war prominent besetzt. Erzbischof Reinhard Marx, Bayerns Ministerpräsident Markus Söder, seine Stellvertreterin Ulrike Scharf, Staatskanzleichef Florian Herrmann und Franz Herzog von Bayern, alle waren da. Der Satz des Tages kam von Bayerns Ministerpräsident: „Freising ist heute die Hauptstadt Bayerns“, sagte Markus Söder in einer kurzen Ansprache auf dem Marienplatz. Dafür wurde er in Freising bejubelt, ausnahmsweise, muss man sagen. Üblicherweise wird er hier von Startbahngegnern ausgepfiffen.


Weil Korbinian gerne reiste, an vielen Orten in Europa seine Spuren hinterlassen hatte und das alte Fürstbistum Freising bis zu seiner Auflösung im Jahr 1802 Besitztümer in Österreich, Italien und Slowenien sein Eigen nennen konnte, zählten an diesem Tag auch die Generalkonsule der genannten Länder zu den Ehrengästen. Ebenso der Landrat aus Garmisch-Partenkirchen, Anton Speer. „Denn auch das Werdenfelser Land gehört früher zu uns“, erwähnte Freisings Oberbürgermeister Tobias Eschenbacher schmunzelnd, vielleicht sogar ein bisschen stolz. Freising war schließlich lange eigenständig und ist rein rechtlich erst seit 220 Jahren ein Teil Bayerns. Ein Trauma, das er als Nürnberger durchaus nachempfinden könne, sagte Markus Söder.
Man kann den genauen Zeitpunkt von Korbinians Ankunft in Freising heute nicht mehr genau bestimmen, aber zumindest auf den Zeitraum zwischen 716 und 725 eingrenzen. Die konkrete Festlegung auf das Jahr 724 erfolgte erst viel später. Erstmals findet sie sich beim römischen Kirchenhistoriker Cesare Baronio (1538 bis 1607).
In der Barockzeit war es dann der Freisinger Fürstbischof Johann Franz Eckher von Kapfing und Liechteneck (1695/96 bis 1727), der das Ankunftsjahr 724 aufgriff. Das nahm er zum Anlass, sich seine Kathedrale, den Freisinger Mariendom, von den Gebrüdern Asam grundlegend umgestalten zu lassen.

1824 gab es das Fürstbistum Freising nicht mehr. Der Bischofssitz war nach der Säkularisation 1821 nach München verlegt worden und die Freisinger Kathedrale auf dem Domberg wurde zur sogenannten Konkathedrale. Der damalige Stadtmagistrat ließ es sich aber nicht nehmen, die Ankunft des Heiligen Korbinian vor damals 1100 Jahren groß zu feiern. Gleiches tat man auch 1924 mit einem Festzug.
In den vergangenen 300 Jahren wurde das Bistumsjubiläum stets ganz im Kontext der jeweiligen Zeit begangen. Festlich und vor allem förmlich, mit Würdenträgern in Schwarz und Mädchen in jungfräulichem Weiß, die den Festzug begleiteten.


Diesmal war es vor allem bunt, fröhlich und heiter. Freising wollte sich von seiner weltoffenen und europäischen Seite zeigen. Den Startschuss hatten die Attachinger Böllerschützen gegeben. Moderiert wurde das Spektakel von Traudi Siferlinger vom Bayerischen Rundfunk. Begonnen hatte der Festtag schon am Morgen mit einem Festgottesdienst auf dem Freisinger Domplatz, den Erzbischof Reinhard Marx zelebrierte.


Bis November steht in der Stadt Freising noch alles ganz im Zeichen des Jubiläumsjahres, das dann mit dem Korbiniansfest auf dem Domberg endet. Der nächste Korbinians-Festzug in Freising findet erst wieder in 100 Jahren statt, also 2124. Das genaue Datum steht noch nicht fest, aber es wird bestimmt auch dann wieder nicht regnen.