Renaturierung von Ökosystemen:Wildblumen gegen Hitzewellen

Renaturierung von Ökosystemen: Kornblumen auf einem Feld in Freising. Wildblumen sind wichtig im Einsatz gegen den Klimawandel.

Kornblumen auf einem Feld in Freising. Wildblumen sind wichtig im Einsatz gegen den Klimawandel.

(Foto: Marco Einfeldt)

Belastete Ökosysteme können sich selbst heilen. Doch das dauert seine Zeit . Der Weihenstephaner Renaturierungsexperte Johannes Kollmann erläutert, was der Mensch selbst auch im Kleinen unternehmen kann, um Ökosysteme zu unterstützen und warum Wildblumen den Klimawandel verlangsamen können.

Von Lena Meyer, Freising

"Dass wir über Wissenschaft sprechen können, ist wunderbar", beginnt Johannes Kollmann seinen Vortrag über die Renaturierung von Ökosystemen. Über 170 wissenschaftliche Werke publizierte er zu diesem Thema, in seinem Gebiet gilt der TUM Professor als führender Experte. An diesem Abend möchte er sein Wissen mit Freising teilen.

Es ist ein lauer Sommerabend. Die Temperaturen sinken langsam und der ein oder die andere trifft sich, um eine Erfrischung einzunehmen. Beispielsweise ein getreidehaltiges Getränk, das seinen Ursprung auf Feldern nimmt, die nicht ganz unproblematisch für Ökosysteme sind. Denn Agrarlandschaften befinden sich in einer Biodiversitätskrise. Auch in Freising.

Immer mehr Ackerwildpflanzen würden Mais und Weizen weichen und fielen damit der Landwirtschaft zum Opfer, erläutert Kollmann. Doch wie alles in der Natur habe das Konsequenzen: Durch das Wegfallen von Ackerwildpflanzen gehe der Tierbestand, der sich davon ernähre, ebenfalls zurück.

Renaturierung von Ökosystemen: Das schnell wuchernde Springkraut, hier an der bei Pellhausen, verdrängt heimische Arten.

Das schnell wuchernde Springkraut, hier an der bei Pellhausen, verdrängt heimische Arten.

(Foto: Marco Einfeldt)

Biodiversitätskrise und belastete Ökosysteme in Freising? Trotz grüner Parks und Klimaanpassungsmaßnahmen? Leider ja. Kollmann verweist in diesem Zusammengang auf invasive Pflanzensorten, wie das Springkraut. Eigentlich stammt das Gewächs aus Tibet, jetzt wächst es zuhauf in der Domstadt und erfreut Scharen von Kinder und Erwachsene. Es springt so schön und schwächt aber nebenbei die Biodiversität. Eingeschleppt von dem Mensch gehen Neobiota, also invasive Pflanzenarten, als Gewinner des Klimawandels hervor - angesichts der hohen Temperaturen verbreiten sie sich prächtig und verdrängen vorhandene Arten. Dadurch wiederum könnten heimische Tiere keine Nahrung mehr finden, so Kollmann. Doch auch Zuchtsorten, ein geringer Wildkräuterbestand und, nicht zu vergessen, landwirtschaftliche Monokulturen würden Freisings Ökosysteme belasten. "Man kann auch schöne Felder in Freising finden", gibt Kollmann zu. Deren Wildblumenanteil sei allerdings verschwindend gering.

Blühflächen sehen nicht nur schön aus, sie haben auch eine kühlende Funktion

Aus diesem Grund müsse es zu einer Revitalisierung von Getreidefeldern kommen. Damit ist der Wiederaufbau von Ackerblumen in der Agrarlandschaft gemeint. Dazu allerdings müssten Landwirte davon überzeugt werden, Wildblumen anzubauen, die "nicht stören", und die Landschaft "ein bisschen bunter" gestalten. Besonders regionale Pflanzen sollten ausgewählt werden, erklärt Kollmann. Diese seien in der Lage, invasive Arten "zu unterdrücken". Und die gute Nachricht: Ein Großteil der Landwirte könne sich bereits vorstellen, Wildblumenanteile auf ihren Feldern zu dulden.

Die sehen nicht nur schön aus, sondern haben nebenbei auch einen wichtigen Effekt. Blühflächen haben gegenüber dem freien Rasen einen entscheidenden Vorteil: Sie kühlen besser. "Viel Gras", so Kollmann sei "offenbar nicht so gut", da ein offener Rasen viel Biomasse produziere. Blühflächen jedoch könnten "das Stadtklima als Ganzes mit Hilfe anderer Maßnahmen senken".

Ökosysteme können sich zwar selbst heilen, allerdings nur "sehr langsam", wie Kollmann anmerkt. Dem müsse nachgeholfen werden. Doch obwohl "alles Wissen" vorhanden sei, sieht "die Praxis dazu nicht ganz einfach" aus, gesteht Kollmann. Trotzdem zeigt er sich optimistisch: Es gebe viele Lösungen und viele wissenschaftliche Grundlagen, auf die man sich stützen könne. Für ihn ist das Thema somit keine reine Utopie, sondern "die Realität von morgen".

Auch die Bürgerinnen und Bürger können einen Teil dazu beitragen, dass dieses Morgen Wirklichkeit wird. "Das fängt schon im Baumarkt an", erläutert Kollmann. Dort sollen Verbraucherinnen und Verbraucher beispielsweise darauf achten, keine invasiven Pflanzenarten zu kaufen und stattdessen Blühmischungen zu wählen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: