Süddeutsche Zeitung

Freising:Protest im strömenden Regen

Rund 800 Menschen demonstrieren am zweiten globalen Klimastreiktag in Freising. Sie kritisieren das aus ihrer Sicht unzureichende Handeln der Bundesregierung und warnen vor den Folgen in der Region.

Von Thilo Schröder, Freising

Wenn auf dem Podium von Hitzewellen gesprochen wird, während es wie aus Gießkannen regnet, dann hat dieses Szenario zweifellos eine ironische Note. Einerseits. Wenn sich laut Polizeiangaben rund 800 Menschen am Freisinger Kriegerdenkmal zur Klimademo versammeln und mit Regenschirmen und Ponchos ausgerüstet, mit durchweichten Pappplakaten über den Köpfen dem Wetter trotzen, dann verwischt jede Ironie.

Nach dem ersten weltweiten Klimastreik am 20. September hat die Initiative "Fridays for Future" (FFF) zusammen mit anderen Organisationen am Freitag erneut zur Demonstration aufgerufen, drei Tage vor Beginn des zweiwöchigen UN-Klimagipfels in Madrid. Unter dem Motto #NeustartKlima kritisiert die Klimabewegung das aus ihrer Sicht unzureichende Klimapaket, das die Bundesregierung zeitgleich zum ersten Streik beschlossen hat. Und das derzeit in Teilen sogar auf der Kippe steht, da es im Bundesrat Widerspruch gibt.

Anke Neumeier: "Wir dachten, jetzt bewegt sich was. Und dann kam das Klimapaket."

"Wir dachten, wir sind laut, wir sind viele, jetzt bewegt sich was", sagte die Studentin Anke Neumeier in einer Ansprache zu Beginn der Demo. "Und dann kam das Klimapaket. Das ist ein Schlag ins Gesicht aller, die im September auf die Straße gegangen sind." Die Menge applaudierte. "Wir brauchen eine neue Klimapolitik der Bundesregierung."

500 Teilnehmer waren angemeldet, wie die Polizei mitteilte, gerechnet habe man aufgrund des schlechten Wetters mit weniger Menschen, sagte ein Sprecher. "Wetter ist nicht gleich Klima", erinnerte Neumeier. "Von dem schlechten Wetter dürfen wir uns nicht die Stimmung vermiesen lassen", sagte FFF-Sprecherin Klara Wrusch, als es nach einer zwischenzeitlichen Regenpause wieder tröpfelte.

Die Demoroute war dieses Mal kürzer als beim ersten Klimastreik, führte vom Kriegerdenkmal über die Bahnhofstraße, Saar- und Johannisstraße über die Obere Hauptstraße zurück. Davor und danach gab es mehrere Redebeiträge. Annette Menzel, Professorin für Ökoklimatologie an der TU München in Weihenstephan, warnte vor der globalen Erwärmung, die sich in Bayern und Deutschland umso stärker auswirke. Hitzesommer wie 2018 würden häufiger; bereits jetzt mangele es in Teilen des Bayerischen Waldes an Trinkwasser; in Flüssen sei die Schifffahrt wegen des niedrigen Pegels teilweise nicht möglich; Arten würden unwiederbringlich aussterben.

"Die politischen Versprechungen sind nicht ausreichend. Bei uns könnte es bis zu vier Grad wärmer werden", sagte Menzel. In Freising könnte es dann durchschnittlich so warm wie heute in Südfrankreich oder Kroatien sein - was sich zunächst vielleicht nach Urlaubstraum anhöre, aber für die Vegetation dramatische Folgen habe, da diese an solche klimatischen Bedingungen nicht angepasst sei.

Die Folgen des Klimawandels sind in Bayern bereits sichtbar

Ernst Schrimpff von den Solarfreunden Moosburg erinnerte in seinem Redebeitrag daran, wie teuer Solarstrom in den 1990er Jahren gewesen sei. "Das konnte sich niemand leisten. Heute verschwinden Kohlekraftwerke, weil sie mit dem billigen Solarstrom nicht mithalten können." Schrimpff sagte, er glaube fest an den Erfolg der Klimabewegung: "Wir werden gewinnen, da gibt es gar keinen Zweifel."

Am Ende der gut zweieinhalbstündigen Demonstration waren zwar die meisten Teilnehmer schon auf dem Heimweg, weil der Regen zunehmend stärker wurde, die Organisatoren aber sind zufrieden. "Ich bin glücklich, dass diese 800 Leute gekommen sind, obwohl es fast sintflutartig geschüttet hat", sagte Sprecherin Klara Wrusch am Freitagnachmittag. "Es ist ganz wichtig, dranzubleiben, und es hat sich ja schon viel bewegt."

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SZ vom 30.11.2019
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