Süddeutsche Zeitung

Klimaforum Freising:"Wir müssen in die Umsetzung kommen"

Lesezeit: 3 min

Im Landkreis fehlt es nicht an guten Ideen, was den Ausbau des Busnetzes und der Radwege angeht. In der Praxis gibt es jedoch noch sehr viel zu tun.

Von Thilo Schröder, Freising

Nachdem beim ersten "Klimaforum Freising" das Ausloten der Sichtweisen auf verschiedene Klimathemen dominiert hatte, stand die zweite Auflage am Dienstag im Zeichen einer nachhaltigen Mobilität. Auf dem Podium diskutierten neben Initiator und FDP-Landratskandidat Tobias Weiskopf Jürgen Mieskes, OB-Kandidat der CSU, SPD-Kreischef Andreas Mehltretter, ÖDP-Kreisrat Manfred Reuß, FSM-Stadträtin Katrin Stockheim und Linken-Kreisrat Albert Schindlbeck. Die Grünen hatte Weiskopf nach deren "öffentlichkeitswirksamer Absage" vor dem ersten Forum nicht explizit eingeladen, sie aber auch nicht ausgeladen, wie er sagte.

Moderiert von den Studierenden Linus Königbaur und Claudia Staab ging es im ersten Block um den ÖPNV. Einig waren sich die Kandidaten, dass ein Ausbau notwendig sei. Reuß forderte eine bessere Abstimmung der Buslinien, Weiskopf sprach sich für eine Verbesserung der Maßnahmen aus der jüngsten MVV-Tarifreform sowie mehr Pendlerparkplätze aus, da das Auto auf dem Land noch eine wichtige Rolle spiele. Mieskes forderte mehr Bus-Flexibilität, insbesondere mit Blick auf Quer- und Ringverbindungen, auch Landkreis übergreifend. Man müsse sich ran tasten, die Bürger mitnehmen, sagte Stockheim. Das derzeitige ÖPNV-Netz sei "an einem Limit angelangt", es gehe nun um übergeordnete Lösungen. Bei der S-Bahn könnte die Waggon-Zahl erhöht werden, wenn das Netz keine höhere Taktung ermögliche, warf Schindlbeck ein. Im weiteren Verlauf ging es um Antriebsformen. Reuß plädierte für Hybridbusse, Weiskopf für Biomethan- und Elektroantriebe. Mieskes forderte ein baldiges Umsteuern. Stockheim erinnerte ihn an für die Stadtwerke geltenden Vertragslaufzeiten, die nächste Ausschreibung sei schon in Arbeit.

Der Radwegeausbau gehe "zu langsam" voran

Der zweite Block widmete sich Anreizen zum Umstieg vom Auto auf andere Verkehrsmittel. Man müsse die Infrastruktur dafür schaffen, so Stockheim. Steuern für entsprechende Energieträger müssten erhöht beziehungsweise gesenkt werden, sagte Schindlbeck. Es müssten beim Bau von Stellplätzen auch E-Ladesäulen vorgeschrieben sein, so Mehltretter. Dafür müsse man aber erst das Stromnetz "massiv ausbauen", ergänzte Reuß.

Anschließend ging es um alternative Mobilitätsangebote. Beim Carsharing könne man "die Bemühungen auf jeden Fall noch intensivieren", sagte Mehltretter. Für Carsharing sei Freising zu klein, meinte dagegen Mieskes, er fände E-Scooter wie in München gut. Und: "Freising ist definitiv eine Radlstadt." Der Radwegeausbau gehe "zu langsam" voran, kritisierte Schindlbeck. Auch ein Bikesharing-Angebot in Kooperation mit der MVG sei in Arbeit, sagte Stockheim. Sammeltaxis, die per künstlicher Intelligenz notwendige Kapazitäten berechnen, könnten für Freising ebenfalls ein Modell sein, sagte Weiskopf.

Im vierten und letzten Block drehte sich alles ums Fahrrad. Radwege müssten sicherer gemacht werden, betonte Weiskopf. Zunächst müssten alle Verkehrsteilnehmer gleichberechtigt sein, wie im neu ausgebauten Teil der Unteren Hauptstraße, sagte Schindlbeck. "Da funktioniert das. Ich kann nicht in jeder Straße einen Radweg bauen." Mehltretter widersprach: "Wir sollten versuchen, überall dort, wo wir den Platz haben, Radwege zu bauen."

Das Publikum kritisierte den zu stark auf Freising gelegten Fokus

"Viele Senioren sind zu Fuß unterwegs", mahnte Reuß. Wenn für Radwege Parkplätze wegfielen, müsse man das bedenken und "mit Augenmaß" agieren. Er sei dafür, Radstreifen auf der Straße anzulegen, statt durch Radwege Flächen zu versiegeln, sagte Mieskes. Die gemeinsame Wegnutzung solle Autofahrer an einen besseren Umgang mit Radlern heranführen. Stockheim sagte, es sei schwierig und brauche Zeit, gewachsene Strukturen zu ändern, in der Verwaltung oder auf der Straße; Stichwort: Auto gleich Statussymbol. Die Politik könne aber vorangehen, sich fraktionsübergreifend besser abstimmen und so Mehrheiten schaffen, sagte Weiskopf. Es gebe ja schon das Mobilitätskonzept, so Mehltretter, es hänge an der Umsetzung.

Gegen Ende konnte das Publikum stärker intervenieren. Im Zentrum stand die Kritik an einem zu starken Freising-Fokus. Busverbindungen ins Umland, zwischen den Gemeinden und insbesondere in Nachbarlandkreise seien wenig bis gar nicht vorhanden, hieß es - ob nach Petershausen, Pfaffenhofen, Garching oder Erding. "Das muss kommen", pflichtete ihm Weiskopf bei. Kurze Strecken im Umland könne man oft auch nicht mit dem Rad zurücklegen, da sich Gemeinden weigerten, Radwege zu bauen, hieß es. "Da muss in den Kommunen ein Umdenken stattfinden, dass das kein rausgeschmissenes Geld ist", sagte Reuß. Es gelte unabhängig davon, durch Homeoffice-Möglichkeiten den (Berufs-)verkehr zu reduzieren, sagte ein Mann. Dazu brauche es ein schnelles Breitbandnetz, warf ein anderer ein.

Was während des ganzen Abends nicht zur Sprache kam: das Radbegehren, kürzlich initiiert von der ÖDP und unterstützt von den Grünen. Es überwog am Ende der Wunsch nach Einigkeit, demonstriert durch ein gemeinsames Selfie. Und die Auffassung, dass "alle in dieselbe Richtung gehen", wie Schindlbeck formulierte. "Es fehlt nicht an guten Ideen", sagte Reuß, "wir müssen in die Umsetzung kommen."

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SZ vom 13.02.2020
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