Freising:Jagdszenen auf dem Domberg

Für viele Tiere und Pflanzen ist das Freisinger Stadtgebiet ein idealer Lebensraum. Das gilt für das violette Zimbelkraut ebenso wie für die Taube. Die muss den Wanderfalken fürchten, der auf den Türmen nistet

Von Katharina Aurich, Freising

Touristen konzentrieren sich bei ihrem Besuch in der Stadt in der Regel auf die historischen Gebäude des Dombergs, Einheimische erledigen geschäftig ihren Alltag. Aber auch für Tiere und Pflanzen, die hier meist unbemerkt gedeihen, ist die Stadt ein attraktiver Lebensraum. Umweltreferent Manfred Drobny hat am Samstag beim Umwelttag 20 Besucher mit auf einen Spaziergang rund um den Domberg mitgenommen, um diese Vielfalt aufzuspüren. Einer der bekanntesten Stadtbewohner ist die Stadttaube, ein Abkömmling der türkischen Felsentaube.

Sie fühle sich hier zwischen den Mauern und Dächern der Stadt wie in einer Felslandschaft, erläuterte Drobny. Aber auch Gefahren lauern, denn die Wanderfalken, die oben in den Domtürmen nisten, ernähren sich hauptsächlich von Tauben. Mit Nisthilfen wurden die Raubvögel angesiedelt und die Stadt Freising hat damit eine Taubenplage, wie sie in manch anderen Städten herrscht, verhindert. Wer sich Zeit nehme und die Türme beobachte, dem zeigten sie ihre Flugkünste, erzählte Drobny. Falken jagen im Sturzflug und töten mit ihren Krallen. Den Beweis dafür sammelte Drobny auf dem Domhof auf: Einen verwesten Taubenflügel, Reste einer Falkenmahlzeit. Die Raubvögel sind in dem Domtürmen nicht alleine, dort leben vor allem auch Dohlen und der klassische Stadtvogel mit den kurzen Beinen, einer der schnellsten Flieger, der Mauersegler. Der städtische Lebensraum sei wärmer und trockener als das Land und biete eine Fülle an Nahrungsquellen, so Drobny. Außerdem gebe es keinen Jagddruck, außer die Rattenbekämpfung oder die Gefahr für Steinmarder, in einen Gulli zu fallen, schilderte Drobny. Der "urbane Raum", so das Fachwort, sei eine Zufluchtstätte für seltene Pflanzenarten. Ein Neuankömmling, der hier ursprünglich nicht heimisch war, sei das Zimbelkraut, das mit seinen kleinen, hell-violetten Blüten in den Mauerritzen auf dem Weg hinauf zum Domberg wächst. Die Eibe am Wegrand sei vom Aussterben bedroht und die Linden, die den Pflasterweg hinauf zum Domberg säumen, gehörten mit rund 150 Jahren zu den ältesten Bäumen in Freising. Richtig wertvoll für die biologische Vielfalt würden die Bäume aber erst im Alter. Dann seien Äste abgebrochen, es entstünden kleine Höhlen als ideale Behausungen für Hornissen oder Fledermäuse. In Bayern lebten zwischen 14 bis 18 000 Tierarten, darunter allein 6000 Käferarten, informierte der Biologe weiter. Einen großen Teil davon müsse man nicht irgendwo in der Natur aufspüren, sondern sie existierten mitten unter uns.

Oben auf dem Domberg angekommen, mit weitem Blick über Freising und die Schotterebene, zeigte Drobny seinen Zuhörern den Bewuchs des südöstlichen Domhangs. Linden und Ulmen fühlen sich hier wohl, früher bauten die Mönche Wein an. Eine ganz andere Vegetation wachse unten an der Hangkante, wo sich das Wasser sammle und moorige, feuchte Flächen vorherrschten. Der Grünzug entlang der Moosach sei für ein gutes Stadtklima wichtig, nicht nur heute, sondern vor allem in Zukunft, wenn sich das Klima weiter erwärme, betonte Drobny. Auf dem Rückweg über den kühleren Domberghang entpuppte sich eine kleine, unscheinbare und ungepflegten Grünfläche neben der Stiege am Amtsgericht als Eldorado für seltene Pflanzen: Maiglöckchen wuchern neben Taubenkropflichtnelken und für die Innenstadt etwas ganz besonders sei die Goldnessel, zeigte Drobny, während er auf dem Hang balancierte. Weiter unten am Fuße des Dombergs an der Luckengasse macht die Gruppe vor einem eher ungepflegten Anwesen halt. Aber der Mangel an Perfektion sei genau das Schöne, appellierte Drobny: "Bitte machen Sie Mauerritzen nicht sauber". Auf kleinstem Raum haben sich hier nämlich gelber Lerchensporn, eine kleine, anspruchslose Staude, deren Blüten besonders intensiv leuchten und der Storchschnabel angesiedelt, erzählte der Biologe begeistert.

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