Freising:Islamische Gemeinde steht unter Beobachtung

Frühlingsfest der islamischen Gemeinde

Der Verfassungsschutz zählt die Islamische Gemeinde Freising wie die IGMG zum "Legalistischen Islamismus".

(Foto: Florian Peljak)

Der Verfassungsschutz hat ein Auge auf die Islamische Gemeinde in Freising, weil sie der Gemeinschaft Milli Görüs nahe steht. Dem Dachverband für Muslime werden verfassungsfeindliche Tendenzen vorgeworfen.

Von Clara Lipkowski und Lea Wahode, Freising

Der Verfassungsschutz beobachtet die Islamische Gemeinde Freising. Das hat Markus Schäfert, Sprecher des Landesamts für Verfassungsschutz (LfV), auf Nachfrage der SZ Freising bestätigt. "Wir rechnen die Gemeinde der IGMG zu, das bedeutet, dass wir ein Auge auf sie haben", sagte er am Donnerstag.

Die Islamische Gemeinschaft Milli Görüs (IGMG) ist ein Dachverband für Muslime in Deutschland und wird wegen verfassungsfeindlicher Tendenzen nachrichtendienstlich beobachtet. Die Islamische Gemeinde Freising steht ihr in verschiedener Weise nahe. Markus Schäfert zufolge wird sie deshalb seit mehr als zehn Jahren beobachtet. Das bedeute aber nicht, dass alle Menschen, die die Moschee besuchen, verdächtig seien und überwacht würden, sagte er mit Nachdruck. Welche Mittel der Überwachung in Freising Anwendung finden, könne er nicht sagen.

Der Verfassungsschutz rechnet die IGMG und die Islamische Gemeinde Freising dem "Legalistischen Islamismus" zu. "Diese Form von Islamismus ist aber völlig anders als der weitaus radikalere, dschihadistische Salafismus", sagte Schäfert (siehe Kriterien für Islamismus). Er warnte davor, die Beobachtung überzubewerten. "Es ist sehr weit hergeholt, nun zu denken, dass sich dort Terroristen aufhalten." Die Gemeinde sei eine inhomogene Gruppe und ein Generalverdacht demnach irreführend. "Mehr als 99 Prozent der Muslime in Deutschland stehen auf dem Boden der Verfassung. Weniger als ein Prozent leitet aus der Religion politische Ziele ab", sagte er. Der Kreis Freising sei bei weitem kein Brennpunkt des Islamismus in Bayern.

"In Bayern werden doch alle Moscheen überwacht"

Kriterien für Islamismus

Das Bayerische Staatsministerium des Innern definiert im Verfassungsschutzbericht 2016 Kriterien für Islamismus. Die Religion gelte demnach als alles umfassende Lebensform: "Islam ist Glaube und Staat". Die Scharia sei dabei das politisch und gesellschaftlich bindende Ordnungsprinzip. Koran und Sunna haben Verfassungsvorrang. Zudem werden Muslime als religiöse und politische Einheit betrachtet, die einem panislamischen Ziel folgen. Grundsätzlich könne man drei islamistische Strömungen anhand ihrer Einstellung zu Gewalt unterscheiden:

Legalistische Islamisten legen den Koran so aus, dass "ein konfliktfreies Zusammenleben mit Andersdenkenden unmöglich erscheint". Sie stehen im offenen Widerspruch zur demokratischen Grundordnung. Sie versuchten aber ihre Ziele ohne Gewalt zu erreichen und nutzten von der deutschen Rechtsordnung garantierte Freiräume, um Politik und Gesellschaft zu beeinflussen, heißt es in dem Bericht.

Salafisten orientierten sich "kompromisslos an der islamischen Frühzeit vor 1400 Jahren" und dem Wahhabismus. Ein Großteil gehöre dem politischen, gewaltfreien Salafismus an. Innerhalb des Salafismus gebe es allerdings eine dschihadistische Strömung, die Gewalt befürworte. Dem Bericht zufolge machte diese 2016 etwa 20 Prozent der bayerischen Salafisten aus. Zudem existieren terroristische Strukturen wie der sogenannte Islamische Staat, die Hamas und Al-Qaida. LEWA

Vertreter der Islamischen Gemeinde äußerten sich am Donnerstag uneindeutig. "Das ist mir neu", sagte der Vorsitzende der Gemeinde, Ömer Korkmaz, er wisse nichts von einer Beobachtung. Dass er hin und wieder mit der IGMG zusammenarbeite, bestreitet er aber nicht. "Ab und zu machen wir ihre Aktionen mit, aber nicht alle." Er betont: "Wir sind ein eigener Verein und nicht die IGMG." Ismet Ünal, Gemeindesprecher und früherer Vorsitzender, meint: "In Bayern werden doch alle Moscheen überwacht." Beim Thema Islam werde zu viel über einen Kamm geschoren. Tatsächlich steht auch die Moosburger IGMG-Moschee im Fokus des LfV, die Moosburger Ditib-Moschee hingegen, sagte Sprecher Schäfert, nicht, ebenso wenig die Al-Mahdi Moschee in Neufahrn.

"Wenn bei uns jemand Dummheiten machen will, ist es eigentlich gut, wenn der Staat das überwacht", sagt Ünal, "trotzdem, unser Verein ist eigenständig". Die Nähe zur IGMG zeigte sich am vergangenen Samstag in Freising. Da hatte die vom Verband initiierte Aktion "Gestatten, Muslim" mit dem Motto "Begegnungen schaffen und Vorurteile abbauen" auf dem Gelände der Gemeinde stattgefunden. Man habe Gespräche geführt und Broschüren verteilt, die die IGMG bereitgestellt gestellt hatte, sagte Korkmaz. Ihm zufolge sind etwa 200 Interessierte erschienen.

"Ich habe immer nur Texte rausgesucht, die zur Offenheit der Freisinger Gemeinde passen"

Die Nähe zur IGMG zeigt sich auch darin, dass die Vorsitzenden Predigten von der Internetseite des Verbands beziehen. "Ja, wir suchen unter anderem dort Texte, immer zu unterschiedlichen Themen. Uns ist es wichtig, die richtigen auszuwählen", sagt Korkmaz. Das bestätigt der frühere Vorsitzende Ünal: "Ich habe immer nur welche rausgesucht, die zur Offenheit der Freisinger Gemeinde passen." Und: "Es war ja gerade wichtig, dass wir die Texte vorab kontrollieren." Predigten, die gegen die Grundprinzipien Deutschlands gerichtet seien, habe er nie ausgewählt.

Unklar bleibt, wie offiziell die Beziehungen zur IGMG sind: Einer Sprecherin des Dachverbands in Kerpen zufolge ist die Freisinger Gemeinde eine Verbandsmoschee der IGMG und bekomme somit die Organisation bestimmter Feste vorgeschrieben. Die Gemeinde könne aber auch selbst Initiative zeigen. Der Vorsitzende des Regionalverbands Bayern-Süd Tayyip Sayan widersprach am Freitag: Die Moschee gehöre nicht strukturell zur IGMG, die Zusammenarbeit sei unverbindlich.

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