Freisinger Gastronomin Antje Petzold:"Ich fühle mich gut in meinem sechsten Leben"

Freisinger Gastronomin Antje Petzold: Antje Petzold hat die Existenzgründer Rainer Pieknik (Mitte) und Simon Klur bei der Eröffnung des "Sammamera" unterstützt. Die beiden waren die ersten Kunden ihrer neuen Gastroberatung.

Antje Petzold hat die Existenzgründer Rainer Pieknik (Mitte) und Simon Klur bei der Eröffnung des "Sammamera" unterstützt. Die beiden waren die ersten Kunden ihrer neuen Gastroberatung.

(Foto: Marco Einfeldt)

Antje Petzold, langjährige Wirtin der Freisinger Kultkneipe "Klimperkasten", hat sich selber schon viele Träume erfüllt. Nun will sie anderen dabei helfen und bietet eine Gastroberatung an. Auf ihre Currywurst und das Bier "Rauscheengel" muss dennoch keiner verzichten.

Interview von Gudrun Regelein, Freising

Als Treffpunkt für das Gespräch schlägt Antje Petzold das "Junkers" vor. Hier gebe es den besten Kaffee in Freising, sagt sie. "Außerdem beeindruckt mich, wie die Besitzer - Vater und Tochter - es geschafft haben, sich damit ihren Traum von einer Café-Rösterei zu realisieren." Die 47-Jährige hat sich in ihrem Leben selber schon viele Träume erfüllt, zuletzt gab Antje Petzold der Vöttinger Kultkneipe Klimperkasten als Wirtin fast zehn Jahre lang ein eigenes Gesicht, Ende Januar war nach der Kündigung dann aber Schluss. Im Gespräch mit der Freisinger SZ erzählt sie, wie sie in der Coronakrise neue Wege fand, weshalb es keinen Klimperkasten 2.0 gibt und wie ihr neues, sechstes Leben nun ausschaut.

SZ: Frau Petzold, haben Sie ein Lebensmotto? So was wie hinfallen, Krönchen gerade rücken, aufstehen?

Antje Petzold: "Alle sagen, es geht nicht und dann kommt einer, der wusste das nicht, und hat es einfach gemacht": Das ist einer meiner Lieblingsmotivationssätze. Ich habe noch andere, aber dieser stand auch im alten Klimperkasten an der Eingangstafel.

Sie waren fast zehn Jahre lang Wirtin des Klimperkasten, der Kultkneipe in Vötting. Dann war Schluss. Weshalb hat es mit dem Klimperkasten 2.0 nicht geklappt?

Viele warten tatsächlich auf den neuen Klimperkasten 2.0. Ich habe ein Jahr lang daran gearbeitet, aber nichts Bezahlbares gefunden. Entweder die Location hat nicht gepasst oder war zu groß oder die Küche war nicht geeignet. Als alle Anstrengungen nicht fruchteten, wusste ich, dass es in eine andere Richtung gehen muss. Und dann kam Corona...

Wie haben Sie dann den Lockdown erlebt?

Ich hatte zuvor den Klimperkasten noch abgeben müssen, das war rückwirkend betrachtet mein Glück, zumindest finanziell gesehen. Der Lockdown? Die ganze Welt war im Stillstand, alles stand plötzlich auf Null. Und ich konnte mich erden und mich fragen, was und wer ist Antje eigentlich noch - außer Klimperkasten? Aber wenn man in seinem Job lebt, ist es schon schwierig, wenn man auf einmal so viel Freizeit hat.

Ganz Schluss mit dem Klimperkasten ist aber noch immer nicht, oder?

Es sind in den zehn Jahren Dinge entstanden, die die Betriebsstätte überlebt haben. Meine Currywurst und frische Pommes wird es ab Anfang September regelmäßig im Lindenkeller geben. Außerdem gibt es weiterhin mein Bier, den Rauscheengel, und die Soßen zu kaufen. Und ich hatte ja auch ein Kochbuch mit Geschichten aus dem Kneipenalltag geschrieben. Es ist also doch noch etwas vom Klimperkasten übrig geblieben.

Inzwischen haben Sie sich ein neues Leben entworfen. Welches?

Es gab in meinem Leben schon viele Herausforderungen, ich habe in vielen unterschiedlichen Bereichen gearbeitet. Wirtin zu sein, war das Erste, mit dem ich mich aber wirklich identifizieren konnte. Ich hatte meine Berufung gefunden, dort konnte ich meine Stärken einsetzen. Ich wusste, dass ich beruflich auch weiter etwas mit der Gastronomie machen - aber keinen eigenen Laden mehr unter Coronabedingungen führen wollte. Die Coronakrise wird in der Gastronomie viel verändern, es wird einen großen Leerstand geben. Aber es wird nicht das endgültige Aus bedeuten, denn die jungen Wilden rutschen nach. Und ich weiß genau, welche Fehler die machen werden, denn ich habe die auch gemacht. Und so kam ich auf die Idee, eine Gastroberatung anzubieten. So eine Art Feuerwehr für Neueinsteiger zu sein. Nach einem passenden Namen suche ich noch.

Wie läuft es?

Das ist ganz witzig bei mir: Wenn ich mich für etwas entschieden habe, dann regelt sich vieles von selbst. Drei Tage nach meiner Entscheidung, es mit Gastroberatung zu versuchen, kam die erste Empfehlung: Drei Brauer suchten jemand für die Küche. Ich habe denen dann gesagt, dass ich dafür zwar nicht die geeignete Person wäre, ihnen aber konzeptionell helfen könnte. Und dann war mein erster Auftrag perfekt. Vergangenen Donnerstag hat das "Sammamera" Eröffnung gefeiert. Für mich persönlich ist es jetzt erst einmal wichtig, Referenzen zu bekommen, um neue Kunden akquirieren zu können. Deshalb habe ich meinen Auftraggebern auch gesagt, zahlt mir, was es euch wert war und schreibt mir ein Zeugnis. Für mich ist das eine Herzensangelegenheit, ich fühle mich gut in meinem sechsten Leben.

Gerade die Gastronomie ist aber doch eine Branche, die von der Coronakrise besonders arg getroffen wurde...

Wo Wald abbrennt, gibt es erst mal eine Wüste, aber etwas Neues kommt nach. Wir können nicht ohne Gastronomie leben. Dort gibt es viele kreative Leute. Wenn man Gastro macht, beutet man sich zwar aus, aber jedem, der das tut, macht es extrem Spaß. Das Virus hat nicht alles platt gemacht. Das ist eine Branche, die wie ein Magnet ist.

Sehen Sie in der Krise für sich persönlich auch etwas Positives?

Für mich war es in erster Linie ungewohnt, so viel Freizeit zu haben. Ich kann mich auch an die erste Einladung, das war eine private Geburtstagsfeier, erinnern. Dort wollte ich andauernd helfen, beispielsweise Gläser abräumen. Mittlerweile kann ich auch Gast sein. Ich bin im normalen privaten Leben angekommen. Ich habe das Nichtstun gelernt. Ich denke, das Schlimmste ist, in so einer Situation zu hadern. Die Katastrophe ist da, was machen wir jetzt - das ist doch die entscheidende Frage. Aber es hat auch bei mir lange, fast ein halbes Jahr, gedauert, für mich ein neues Leben zu finden. Das war ein sehr langer und schmerzhafter Prozess.

Wird es noch ein siebtes Leben für Antje Petzold geben?

Das weiß ich nicht und damit bin ich auch zufrieden. Wichtig für mich ist, dass jeder Tag für mich gut ist. Gedanken muss ich mir erst machen, wenn ich keine Ideen mehr habe.

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