Warum läuft bei der Integration von Menschen mit Migrationshintergrund so Vieles schief? Auch im Landkreis Freising. Dieser Frage versuchten politische Mandatsträger aus Bundestag und Landtag während eines Podiumsgesprächs des Integrationsbeirats Freising am Mittwochabend im Camerloher Gymnasium zu beantworten.
Schließlich haben diese den größten Einfluss auf die Gestaltung der politischen Landschaft. Mehr „Beinfreiheit für die Kommunen“, weniger Bürokratie war die Rede und von einer Bringschuld der zuwandernden Menschen, was das Erlernen der deutschen Sprache anbelangt.
Landrat Helmut Petz (FW) nannte zum Auftakt Zahlen. Etwa 186 000 Menschen leben im Landkreis Freising, davon haben 43 000 keine deutsche Staatsangehörigkeit, weitere 4200 sind Geflüchtete. Das Bedürfnis nach Gemeinsamkeit sei den Menschen in die Wiege gelegt, sagte Petz. Wenn sich Zugewanderte nicht angenommen fühlten, entstehe Unzufriedenheit.
Viele ziehen sich in Parallelgesellschaften zurück, was die Gefahren für die soziale Sicherheit und die Demokratie an und für sich mit sich bringe. Eine davon nannte Bundestagsabgeordneter Andreas Mehltretter (SPD): die Zunahme von rechtspopulistischen Parteien. Das Zielbild einer Gesellschaft, in der alle die gleichen Chancen haben und sich wohlfühlen, sei nicht erreicht. Dadurch entstehe Unzufriedenheit.



Bundestagsabgeordneter Erich Irlstorfer (CSU) sagte, vieles laufe bei der Integration besser als behauptet werde. Als Beispiel nannte er das gesellige Miteinander in Sportvereinen. Mit weniger Aufgeregtheit sei viel mehr zu erreichen. Bundestagsabgeordneter Leon Eckert (Grüne) stimmte Irlstorfer zu. „Vieles wird aus einer negativen Sicht diskutiert.“ Man müsse den Menschen gute Chancen zu ihrer Entfaltung geben, über Schulen und Ganztagsbetreuung.

„Wir brauchen und wollen diese Menschen“, bekräftigte Landtagsabgeordneter Benno Zierer (FW). Integration sei kein Teufelszeug. Er verwies auf die jüngere Geschichte seit dem Zweiten Weltkrieg. Immer wieder sei es gelungen, Geflüchtete in die Gesellschaft aufzunehmen. „Integration ist Arbeit“, sagte Landtagsabgeordneter Johannes Becher (Grüne). Noch immer seien Menschen mit Migrationshintergrund im Nachteil: bei der Wohnungssuche oder auch in der Kneipe, wo sie schwerer Anschluss finden. Bei der überwiegenden Mehrheit werde die Ausbildung in ihrem Herkunftsland nicht anerkannt. Die Gesellschaft schöpfe daher vorhandenes Potenzial nicht aus.
Die Flüchtlingsproblematik sollte explizit ausgespart werden
Mehrmals mussten die Diskussionsleiter, Birgit Goormann-Prugger, Stellvertretende Redaktionsleiterin der SZ Freising-Erding, und Ernst Fischer, Vorsitzender des Kreisbildungswerks, in die Gesprächsrunde eingreifen. Dies war immer dann der Fall, wenn die Mandatsträger begannen, den Schwerpunkt von der Migrations- mit der Flüchtlingsproblematik zu verlagern. Diese Frage war explizit ausgespart worden.
Einig waren sich die Diskutanten darin, dass der Weg zur Integration über die Sprache führe. „Die Leute müssen die Sprache können“, forderte Irlstorfer. Diese lerne man am besten im Alltag im Verein, in der Arbeit mit Kollegen, beim gemeinsamen Essen und Trinken. „Ohne Sprache gibt es keine Integration“, bestätigte Zierer.
Überbordende Bürokratie im Zusammenhang mit Migration
Nun verlangt niemand von Zugewanderten, das Wort „Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz“ fließend auszusprechen. Birgit Goormann-Prugger nannte dies als Beispiel für die überbordende Bürokratie im Zusammenhang mit Migration. Dieses Wort zeige alle Hürden auf, die es für Menschen mit Migrationshintergrund zu nehmen gelte. Zierer wünscht sich da mehr „Beinfreiheit“ für die Behörden und auch das Ehrenamt. Dies belaste die Beschäftigten in den Ämtern, aber keiner bringe den Mut auf sie abzubauen.

Becher würde anstatt der Behörden lieber Spezialisten Genehmigungen erteilen lassen. So könne eine Architektenkammer sicher die Fähigkeiten eines Bewerbers oder einer Bewerberin mit Migrationshintergrund besser beurteilen können als ein Amt. Die Behörden seien überlastet. Die Anforderung sei, Bestimmungen zu erleichtern und nicht zu verschlechtern. „Die Leute arbeiten am Limit. „Wir brauchen die Leute auf dem Arbeitsmarkt“, betonte auch Mehltretter. Alles sei zu schwierig“, pflichte Irlstorfer bei.
Der CSU-Abgeordnete warnte aber ebenso davor, „keine Utopien“ aufzubauen, etwa in der Bewilligung freiwilliger Leistungen. Angesichts der Haushaltslage seien die „Zeiten der Füllhörner“ vorbei. Mehltretter sieht hingegen den Freistaat in der Pflicht, den Kommunen bei der Bewältigung der Integration Geld zur Verfügung zu stellen. Bei geplanten Streichungen müsse priorisiert werden.

Keiner schreit aber Hurra, wenn auch der Bund Zuschüsse streicht, fügte Irlstorfer hinzu. Es müsse eine Mindestberatung in den Landkreisen stattfinden, sagte Eckert. Das Angebot des Landkreises gehe über das Mindestangebot hinaus. Es gelte, Synergien mit dem Ehrenamt herzustellen, auch wenn allen Politikern klar war, dass die Ehrenamtlichen selbst schon an ihre Leistungsgrenzen herangingen. Der Ruf nach dem Ehrenamt werde immer laut, wenn das Geld nicht mehr reicht, kritisierte Zierer.
Den Menschen nur als Produktionsmittel zu sehen, sei falsch, sagte Ernst. Mehltretter warnte vor Parallelgesellschaften. Eine Möglichkeit dies zu verhindern, wäre die Durchmischung der Bewohner von Stadtvierteln. Schon in der Schule fange beginne die Separation von Bessergestellten und ärmeren Schichten. Die Begegnung von „Mensch zu Mensch“ müsse geförderte werden. Jeder habe interessante Geschichten von sich zu erzählen.