Süddeutsche Zeitung

Verkehr in der Freisinger Innenstadt:"Noch ausbaufähig"

Lesezeit: 3 min

Inhaber und Angestellte der Geschäfte an der Unteren Hauptstraße beobachten Tag für Tag, dass das gewünschte Nebeneinander aller Verkehrsteilnehmer nicht funktioniert. Ihre Lösungsvorschläge unterscheiden sich.

Von Donato Nicolaidi, Freising

"Niemand fährt Schrittgeschwindigkeit. Ich beobachte ständig kleine Auffahrunfälle. In beide Richtungen ziehen riesige Karawanen von Fahrradfahrern und Autos durch. Und es wird oft direkt vor dem Laden geparkt. Ich finde, es ist eine Frechheit." Mit diesen Worten charakterisiert Karolin Werner vom Geschäft "Großartig - Mode aus Italien" die Situation in der Unteren Altstadt in Freising.

Zwar sollte die Untere Hauptstraße nach dem in diesem Bereich abgeschlossenen Umbau bekanntlich schon als Begegnungszone mit einem gleichberechtigten Nebeneinander von Fußgängern, Radlern und Autofahrern funktionieren. Aber die Realität sieht offenbar anders aus. Inhaber und Angestellte der Geschäfte an der Unteren Hauptstraße machen jeden Tag ganz ähnliche Erfahrungen. Die Begegnung von Fußgängern, Fahrradfahrern und Autos funktioniert anscheinend nicht immer so gut wie geplant.

Laut Günther Sesselmann von "Fashion and more" achten Auto- und Radfahrer nicht auf die vorgegebene Schrittgeschwindigkeit. Er findet das problematisch, weil sich beispielsweise auch kleine Kinder mit Laufrädern in der Unteren Hauptstraße aufhalten. Martin Deller von "Deller Schuhmoden" ergänzt, dass am Abend und an Sonntagen die Untere Hauptstraße nicht wie ausgewiesen eine Spielstraße sei, sondern vielmehr einem Parkplatz gleiche, weil die ganze Straße mit Autos zugeparkt sei. Cynthia Michalk vom "Gewandhaus Gruber" weist darauf hin, dass sehr viele Fahrradfahrer keine Abstände einhalten und immer die Vorfahrt für sich beanspruchen würden, während Limani Shaip von "Mobilcomdebitel" bekräftigt, dass es viel zu viele Autos in der Innenstadt gibt. Hausbesitzerin Elisabeth Reisch bringt es so auf den Punkt: "Die Verkehrsberuhigung ist ausbaufähig."

Der Lieferverkehr muss so oder so bleiben

Wäre eine reine Fußgängerzone in der Freisinger Altstadt also das Allheilmittel? Nicht ganz, jedenfalls nicht für alle. Der Juwelier und Goldschmiedemeister Benjamin Boretzky gibt zu bedenken, dass ältere Kunden nicht immer gut zu Fuß sind. Außerdem benötigten Anlieger, Zulieferer und Paketdienste den Zutritt zur Unteren Hauptstraße. Peter Hofmair vom Feinkostladen Peter Hofmair GmbH, das auch eine Metzgerei und Weinhandlung ist, ist sich im Klaren darüber, dass ein geregelter Zu- und Abfahrverkehr notwendig ist, damit Zulieferer die Waren anliefern und Kunden die Waren abholen können. Hofmeier befürchtet, dass Spediteure durch weitere Reglementierungen sehr stark unter Druck gesetzt werden könnten. Dazu komme noch, dass viele Kunden viele Waren mit dem Auto abholen müssten, argumentiert er. Martin Deller merkt auch an, dass die Anlieger in ihre Garagen fahren können müssten. Stefan Franz Xaver Kremmer vom Geschäft für Lederwaren Franz Birnkammer & Co. OHG betont, dass seiner Ansicht nach bis 11 Uhr Lieferverkehr notwendig sei, um eine vernünftige Belieferung zu bewerkstelligen.

Und wie kann der Spagat zwischen autofreier Zone und notwendigem Verkehr gelingen? Peter Hofmair schlägt vor, den Durchgangsverkehr zu verbieten und nur Kunden, Anliegern und Zulieferern die Zufahrt zur Unteren Hauptstraße zu gewähren. Mithilfe einer Barriere ließe sich das seiner Ansicht nach realisieren. Eine weitere Möglichkeit, um den Verkehr zu minimieren, könnte laut Peter Hemmer vom "Stilhaus" ein regelmäßiger Shuttle sein, der im Fünfminutentakt von der Luitpoldanlage zur Innenstadt fährt. Dann könnten ältere Kunden die freien Parkplätze in der Luitpoldanlage mit dem Auto anfahren, dieses dort stehen lassen und mit dem Shuttle in die Innenstadt gelangen.

Um sicherzustellen, dass die restlichen Autos in der Unteren Hauptstraße die Schrittgeschwindigkeit einhalten, würde Martin Deller auf eine ständige Geschwindigkeitsmessanlage bauen. Das würde verhindern, dass manche zu schnell fahren. Dazu wäre nicht einmal Polizeipräsenz notwendig. Dass es bei alledem nicht ganz ohne Parkplätze gehen wird, davon ist Cynthia Michalk überzeugt. Sie hält deshalb auch die Kennzeichnung einiger Parkbuchten für sinnvoll.

Die Aktive City hat unterdessen einige Ideen entwickelt, um die Verkehrssicherheit in der Unteren Hauptstraße zu erhöhen. Der Verein will laut seinem Vorsitzenden Max-Josef Kirchmaier schnellstmöglich größere Schilder an den Eingängen zur Spielstraße in der Unteren Altstadt aufstellen, aus denen die neuen Regeln klar hervorgehen. Zudem plant man eine Zusammenarbeit mit dem Ordnungsamt der Stadt. Immer, wenn ein Strafzettel ausgestellt wird, soll dem künftig ein City-Wegweiser beigefügt werden. In diesem Wegweiser werden alle öffentlichen Parkmöglichkeiten aufzeigt, die rund um den Altstadtkern zur Verfügung stehen.

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Quelle:
SZ vom 28.07.2020
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