Süddeutsche Zeitung

Freising:Im Kanu gegen die Umweltverschmutzung

In seiner Freizeit geht Ludwig Dinzinger fischen. Seine Beute sind aber keine Tiere, sondern Abfall, den er vom Kanu aus der Moosach holt.

Von Alexander Huber, Freising

Die Moosach, meint Ludwig Dinzinger, sei eigentlich ein Schmuckstück. Ein Schmuckstück, das leider von einigen Menschen "brutal vermüllt wird". Dinzinger, der den meisten Freisingern vor allem als Wirt des Furtnerbräus in der Oberen Hauptstraße bekannt sein dürfte, will sich mit diesem Zustand nicht abfinden. Seit etwa sieben Jahren fährt er regelmäßig mit seinem Kanu auf der Moosach die Strecke zwischen Marzling und Freising hinauf und fischt den Müll aus dem Fluss, den andere hineinwerfen.

Er macht das, seit er damals nach Marzling gezogen ist, an ein Grundstück direkt am Fluss. "Mir ist aufgefallen, dass da viel Zeug drin schwimmt", rekapituliert Dinzinger, "dann habe ich eben angefangen, Müll mitzunehmen". Seitdem ist der Furtner-Wirt auf der Moosach unterwegs, so oft wie es die knappe Freizeit zulässt. Meist etwa einmal pro Monat, manchmal mit seiner Frau, manchmal alleine. Nach zwei Stunden sammeln, schätzt Dinzinger, seien meist drei bis vier Eimer voll.

Ein Müllstrudel bildet sich an einem umgestürzten Baum

Oft fotografiert er die Ausbeute und postet sie in sozialen Netzwerken. Erst in dieser Woche hat er Fotos von einem regelrechten Müllstrudel hochgeladen, der vor einem umgestürzten Baum entstanden ist. Zu sehen ist ein Konvolut aus Plastikmüll, Verpackungen, Flaschen und anderem Unrat - der Dreck, den unsere Konsumgesellschaft eben so produziert. Dinzinger hat nach seinen vielen Sammelaktionen mittlerweile einen analytischen Blick auf das Problem - er teilt den Moosach-Müll grob in vier Kategorien: Erstens die Dinge aus den 50er bis 70er Jahren, die noch vor der Begradigung des Flusses dort vergraben worden seien. Beispielsweise die jahrzehntealten Bügelverschluss-Bierflaschen, die es immer wieder an die Oberfläche schwemme. Oder die Weihenstephaner-Quarkverpackungen, von denen er wohl schon sämtliche Produktlinien der vergangenen 50 Jahre gefunden habe.

Zweitens der Müll der wohl unabsichtlich in den Fluss gelangte, etwa Gartengerät, das zu nah am Ufer gelagert und bei hohem Wasserstand oder starkem Wind vom Fluss fortgespült wurde. Drittens der von Passanten achtlos weggeworfene oder von am Fluss Feiernden zu nah am Wasser zurückgelassene Müll, der früher oder später in der Moosach lande. Solche Dinge, etwa Bierflaschen, Essensboxen und Plastikverpackungen, machen laut Dinzinger den Hauptteil des Unrats im Fluss aus. Am meisten ärgern den Furtner-Wirt aber die Abfälle der vierten Kategorie: Das, was Menschen absichtlich und gezielt in den Fluss werfen. Nach sieben Jahren Müllsammeln kennt Dinzinger seine Pappenheimer, einigen notorischen Moosach-Vermüllern hat er sogar Spitznamen gegeben.

Da ist zum Beispiel der "Urbanov-Alki": Der werfe seit etwa fünf Jahren nahezu jeden Tag, vermutlich irgendwo zwischen Neustifter Wehr und der Kleingartenkolonie, eine oder mehrere kleine Glasflaschen der besagten Spirituosenmarke in den Fluss. Um die 40 davon fische er pro Monat raus, schätzt Dinzinger, die Dunkelziffer sei vermutlich höher. Oder die "Fuß-Creme-Cellulite-Tuben-Frau": Irgendjemand, wahrscheinlich in Neustift, schneide demnach etwa einmal im Monat jeweils eine Tube Cellulite-Salbe und eine Tube Fußcreme auseinander, stecke beide Behältnisse auf die immer gleiche Art ineinander und werfe sie anschließend dementsprechend präpariert in die Moosach.

Der "Faxe-Dosen-Schmeißer" geht dagegen recht simpel vor: Er werfe etwa alle zwei Tage am Marzlinger Fußweg eine Dose des gleichnamigen, vor allem an Tankstellen erhältlichen, Dosenbiers in den Fluss. Mitunter treiben auch kuriose Dinge die Moosach entlang: Einmal habe jemand eine ganze Kiste voll mit Schwangerschaftstests in die Moosach gekippt, auch volle Bierfässer und Flaschenposten hat Dinzinger schon aus dem Wasser gefischt.

In Freising gebe es außer ihm noch mehr Leute, die in ihrer Freizeit den Dreck der Anderen wieder einsammelten, erzählt Dinzinger, aber eigentlich wäre es besser, dafür zu sensibilisieren, den Müll gar nicht erst in der Umwelt liegen zu lassen. Er sieht dabei auch die Behörden in der Pflicht, etwa dafür zu sorgen, dass Anwohner keinen Rasenschnitt oder anderen Biomüll in der Moosach entsorgen, denn: "Auch dadurch kann ein Fluss umkippen".

Diese Zusammenhänge müssten den Leute verständlich gemacht werden. Durch Information und Sensibilisierung - und notfalls auch durch die ein oder andere ordentliche Geldstrafe. Tatsächlich können laut Bayerischem Bußgeldkatalog Umweltschutz für das Vermüllen von Gewässern in kleinem Umfang bis zu 100, in größerem Umfang bis zu 50 000 Euro Strafe fällig werden. Das Problem: Vielen Leuten, meint Dinzinger, "ist das einfach nicht bewusst".

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SZ vom 27.07.2019/beb
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