Süddeutsche Zeitung

Warnung von Tierschützern:Gelber Sack als Todesfalle für Igel

Auf der Suche nach Nahrung kriechen Igel in die Plastikbeutel und werden mit entsorgt. Tierschützer sorgen sich.

Von Johanna Pichler und Maike Velden, Freising

Strahlender Sonnenschein im Februar, Schneefall im März - die perfekte Voraussetzung für die deutsche Volkskrankheit: über das Wetter zu klagen. Wer allerdings wirklich einen Grund zum Meckern hätte, das sind die Tiere. Wärmere Tage in eigentlich kalten Monaten sorgen dafür, dass beispielsweise Igel früher aus dem Winterschlaf erwachen. "Die Igel gehen schon zu dünn in den Winterschlaf, weil sie keine Insekten mehr finden. Die zu warmen Winter sorgen dafür, dass sie aufwachen und manchmal wach bleiben. Das kann dazu führen, dass sie den Hungertod erleiden", erklärt Melanie Schönberger, Leiterin des Kleintierhauses im Freisinger Tierheim.

Doch das Wetter sei nicht das einzige Problem für die Insektenfresser. "Ihr Lebensraum verschwindet und der Mensch hat einen großen Einfluss darauf. Automatische Rasenmäher, gelbe Säcke und Verkehr sind die größten Feinde des Igels", bedauert Schönberger. Gelbe Säcke seien vor allem ein Problem, weil die Igel hineinkriechen würden. "Die Igel beißen die Säcke auf und krabbeln hinein, weil sie dort nach Futter suchen. Niemand denkt darüber nach, dass in den gelben Säcken Igel sterben können", erklärt die Moosburger "Igelmutter" Ulrike Kolar. Sie rät, die Säcke deshalb erst einen Abend vor Abholung nach draußen zu stellen, sie auf die Mülltonnen zu legen oder aufzuhängen und damit "Igelsicher" zu machen.

Die Igel sind untergewichtig, haben ein schlechtes Immunsystem

Neben den gelben Säcken stellen automatische Rasenmäher eine weitere Gefahr für die Säugetiere dar. "Manche Igel, die zu mir gebracht werden, haben dann keine Nase oder Beinchen mehr", beklagt die Igelmutter. "Die Igel sind eher in der Nähe der Menschen auf Wiesen und in Büschen", sagt auch Melanie Schönberger. Deshalb stelle der Mensch eine große Gefahr für die Tiere dar.

Sowohl Schönberger als auch Ulrike Kolar nehmen kranke und schwache Igel zur Pflege auf. "Im besten Fall nehmen die Menschen, welche die Igel gefunden haben, sie wieder mit zu sich und päppeln sie auf", sagt Kolar. Die Igelmutter hat momentan ungefähr 40 bis 50 Igel "im Igelkrankenhaus" zur Pflege. Die gesundheitliche Lage der Tiere hat sich laut Kolar und Schönberger stark verschlechtert. "Die Igel sind untergewichtig, haben ein schlechtes Immunsystem, Würmer und äußere Parasiten, wie Zecken oder Flöhe", erklärt Ulrike Kolar. "Manchmal haben sie auch eine Lungenentzündung. Die Igel kämpfen an allen Ecken und Enden."

Laut Melanie Schönberger nimmt die Zahl der Igel ab. "Wir müssen aufpassen, dass die Igel nicht in zehn Jahren auf die rote Liste kommen und aussterben", bedauert die Leiterin des Kleintierhauses. Die beiden Frauen sind sich einig: Igel müssen geschützt werden. "Vorgärten mit Igelhäusern, ein verwildertes Eckerl, eine Wasserschale und hochwertiges Katzenfutter würden den Igeln helfen", sagt die Igelmutter. Ein igelgerechter Garten bedeutet für sie, kein Gift zu verwenden und auch ein bisschen Verwilderung zuzulassen.

Wer einen tagaktiven Igel findet, der sollte ihn mitnehmen und versorgen, denn Igel seien eigentlich nachtaktiv, erklärt Ulrike Kolar. "Ich leiste Igelnothilfe, die Leute kommen mit den Igeln vorbei und ich entscheide, ob der Igel zum Tierarzt muss, er bei mir bleibt oder die Leute sich selber kümmern", beschreibt sie weiter. Wenn die Igel in ärztliche Behandlung müssen, sollte man vorher überprüfen, ob dieser sich mit Igeln auskennt, denn der Umgang mit Igeln gehöre nicht zur Standardausbildung von Tierärzten und Tierärztinnen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5248848
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ/nta
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.