50 Jahre Hochschule Weihenstephan-Triesdorf:Grünes Profil geschärft

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Bis heute bilden die angewandten Lebenswissenschaften nach wie vor den Kern der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf - doch Klimawandel und Klimaschutz nehmen mehr und mehr Raum ein.

Von Petra Schnirch, Freising

Rechtzeitig zum Wintersemester ist der Neubau der Brau- und Getränketechnologie fertig geworden (Foto: Marco Einfeldt)

Freising - In den vergangenen 50 Jahren, seit ihrer Gründung am 1. August 1971, hat die Hochschule Weihenstephan-Triesdorf (HSWT) den grünen Campus mitgeprägt - und ihr eigenes grünes Profil stetig geschärft. Standen anfangs vor allem Themen aus Landwirtschaft, Gartenbau und Landnutzung im Fokus, dreht sich mittlerweile ein nicht unerheblicher Teil in Lehre und Forschung um die Folgen des Klimawandels und wie man diesen begegnen kann. Das werde einer der Schwerpunkte der kommenden Jahre bleiben, sagt HSWT-Präsident Eric Veulliet.

Seit einem Jahr bietet die Hochschule den Master "Climate Change Management" an, schon länger zum Portfolio gehört unter anderem der Studiengang "Management erneuerbarer Energien". Allein sechs neue Professuren im Bereich Klimawandel besetzt die HSWT aktuell. "Damit haben wir uns ganz gut positioniert", bilanziert Veulliet. In seiner Regierungserklärung habe Ministerpräsident Markus Söder Mitte Juli weitere Professuren für die HSWT in diesem Bereich in Aussicht gestellt. "Wir entwickeln uns zur Klimahochschule", sagt der Präsident. Die bisherigen Schwerpunkte solle das aber nicht in Abrede stellen.

Weitere Bachelorangebote will die HSWT im Bereich Klimaschutz entwickeln

Die angewandten Lebenswissenschaften bildeten nach wie vor den Kern, doch Klimawandel und Klimaschutz nehmen mehr und mehr Raum ein. Hier sei viel Kompetenz vorhanden. Die nächsten Schritte sind bereits in Vorbereitung: Von Herbst an ist eine stärkere Bündelung dieser Kompetenzen geplant, um beispielsweise neue Studiengänge zu entwickeln. "Wir brauchen weitere Bachelorangebote", sagt der Präsident, etwa eine Klimaschutzausbildung. Weiterer Baustein ist die Idee für ein Moorforschungszentrum. Einen entsprechenden Antrag hat die HSWT bereits eingereicht. In Bayern gebe es zahlreiche Moorflächen, dort werde sehr viel CO₂ gebunden - oder aber freigesetzt, wenn sie zum Beispiel trockengelegt werden, erklärt Veulliet. "Das ist ein Riesenthema."

Die Hochschule verfügt über eigene Moorforschungsflächen für Langzeituntersuchungen. Stark profitiert hat die HSWT zuletzt von der Hightech-Agenda Bayern, sie konnte ihre Forschungskapazitäten massiv ausbauen. In den vergangenen beiden Jahren erhielt die Hochschule 19 Forschungs- und fünf zusätzliche Lehrprofessuren, außerdem mehrere Millionen Euro an Sachmitteln. Auch das geplante Hochschulinnovationsgesetz, das von verschiedenen Seiten heftig kritisiert wurde, sei gut für die Hochschulen für angewandte Wissenschaften, so Veulliet. Forschung werde darin konkret "als Soll, nicht als Kann" genannt.

"Eine deutliche Aufwertung und Motivation"

Früher war das anders, da stand bei diesem Hochschul-Typ fast ausschließlich die Lehre im Fokus. Auch das Promotionsrecht sollen die Hochschulen für forschungsstarke Bereiche bekommen. "Eine deutliche Aufwertung und Motivation", sagt der Präsident. Das alles fällt in eine Zeit, in der die Hochschullandschaft nach seinen Worten "in einer nie da gewesenen Art und Weise vor Herausforderungen steht". Die HSWT habe das Krisenmanagement während der Pandemie gut hinbekommen, weil alle von Anfang an einbezogen gewesen seien. Aber Corona verändere die Lern- und Lehrwelten, die Infrastruktur dauerhaft. Daher stelle sich die Frage, ob Hörsäle für bis zu 1000 Leute überhaupt noch gebraucht werden.

Veulliet glaubt, dass große Massenveranstaltungen, dass der Frontalunterricht zunehmend durch Online-Formate ersetzt werden, die mehrmals abgerufen werden können, und er hält diese Entwicklung auch für sinnvoll. Die gewonnene Zeit sollte man lieber in Seminare und Praktika investieren. Die Digitalisierung ist nicht erst seit Corona ein Thema an der HSWT. Seit 2019 gibt es dort ein Kompetenzteam für digitale Lehre. Eine weitere Antwort war die Einrichtung des "Kompetenzzentrums für digitale Agrarwirtschaft" (KoDA) am Campus Triesdorf vor zwei Jahren. Seit September 2020 gibt es im nahen Merkendorf in einer ehemaligen Glasfabrik außerdem einen Innovationscampus für Start-ups, aber auch für Studierende und Forschungsprojekte mit großer Elektronikwerkstatt. Dort haben selbst Traktoren Platz, sodass Sensoren getestet werden können, wie Veulliet schildert. "Eine schöne Erfolgsgeschichte."

Weitere englischsprachige Masterstudiengänge sind geplant

Zum Wintersemester 2022/23 wird im Bereich Künstliche Intelligenz die Professur "Smart Farming" geschaffen. Das Modell der Hochschulen für angewandte Wissenschaften mit ihrem hohen Praxisbezug stößt auch im Ausland auf Interesse. Nahezu jede Woche komme eine Delegation an die HSWT, zuletzt aus Kuba, Angola und Usbekistan, erzählt Veulliet. "Was ihnen hier gefällt, ist der kurze Weg vom 'Hörsaal aufs Feld', in Triesdorf ist das noch ausgeprägter." Auch die Nachfrage nach dem Studien- und Weiterbildungsangebot sei gerade in Afrika und Asien enorm. Sichtbarkeit und Attraktivität der HSWT seien deutlich gestiegen. Künftig sind weitere englischsprachige Masterstudiengänge geplant.

"Viele beneiden uns um unser Ausbildungsmodell", sagt Veulliet, "wir müssen es aber noch viel besser verkaufen". Seit seinem Amtsantritt vor vier Jahren kümmere er sich deshalb intensiv um die Markenbildung der HSWT, die er als "ungeschliffenen Diamant" bezeichnet. "An vielen Stellen glänzt er bereits, doch es gibt noch einige Facetten zu entwickeln." Der Prozess, das grüne Profil zu schärfen, werde nie enden. "Aber wir sind auf einem aufsteigenden Ast", bilanziert Veulliet. Nach den vielen Neuerungen der vergangenen Jahre und auch wegen der Belastungen durch die Pandemie gelte es jetzt aber erst einmal "etwas Dampf rauszunehmen" für eine Phase der Konsolidierung.

© SZ vom 02.09.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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