An Bayerns Grundschulen fehlen Lehrer - das bestreitet keiner. Klar ist aber auch: Der Lösungsansatz des bayerischen Kultusministeriums, wonach die schon vorhandenen Grundschullehrer künftig mehr arbeiten sollen, kommt bei Lehrern, Direktoren und Eltern in der Region nicht gut an. Deutlich wurde das am Mittwochabend in Hallbergmoos, als Bürger in der BR-Sendung "Jetzt red i" mit dem bayerischen Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) und der stellvertretenden Vorsitzenden der SPD-Landtagsfraktion, Simone Strohmayr, diskutierten.
"Ich will wissen, warum gerade wir Älteren jetzt den akuten Lehrermangel austragen müssen", sagte eine Zuschauerin. Der sei immerhin schon länger absehbar. Viele ältere Lehrer hätten die Teilzeit bewusst gewählt, um den Unterricht auch im Alter noch "mit Freude zu gestalten", berichtete sie, viele pflegten außerdem die eigenen Eltern. Und zum Unterricht dazu kämen schließlich viele Stunden an Vor- und Nachbereitung, so die Lehrerin. Nach der neuen Regelung müssen Teilzeitlehrer an Grund-, Mittel- und Förderschulen künftig mindestens 24 Wochenstunden unterrichten, Lehrer in Vollzeit sollen eine Stunde pro Woche mehr arbeiten. Das Rentenalter wird auf 65 und damit ein Jahr nach hinten verschoben, Sabbatjahre gestrichen.
"Die Kollegen und Kolleginnen wollen wertgeschätzt werden"
Kerstin Rehm, Freisinger Kreisvorsitzende des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands (BLLV), sagte: Das Problem sei nicht die eine Stunde Mehrarbeit, sondern wenn Lehrer unfreiwillig etwa von 15 auf 24 Wochenstunden aufstocken müssten. BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann merkte an: "Es geht darum, dass die Kollegen und Kolleginnen wertgeschätzt werden wollen." Das sei nicht gerade das Signal, das die Regelung aussende.
Ob er denn die Wut und Enttäuschung der Lehrer nachvollziehen könne, fragte Moderator Tilmann Schöberl den Kultusminister. Piazolo erwiderte: "Ehrlich gesagt habe ich nichts anderes erwartet." Es sei aber nun mal so: Wenn man nichts mache, fehlten im kommenden Jahr 1400 Lehrer. Es brauche deshalb einfach eine kurzfristige Lösung. "Wenn es bessere Vorschläge gibt, gerne", so Piazolo weiter. Simone Strohmayr forderte, den Beruf des Grundschullehrers attraktiver zu machen. Es brauche ein höheres Einstiegsgehalt, um mehr Lehrer zu gewinnen: Das nämlich liege unter dem von Gymnasiallehrern, "das macht 10 000 Euro pro Jahr aus", so Strohmayr. Sie betonte, dass 90 Prozent der Grundschullehrer weiblich seien. "Die Frauen sollen es jetzt richten", kritisierte sie. Auch die Vorgehensweise, dass Lehrer ihre Stunde Mehrarbeit nicht ausgezahlt, sondern auf einem Arbeitszeitkonto gutgeschrieben bekommen, finde sie falsch.
Der Tenor war gegen die neue Regelung, aber es gab auch Gegenstimmen
Für die Sendung waren etwa 130 Menschen in die Hallberghalle gekommen, die Sendung wurde live ins Fernsehen übertragen. Obwohl der Tenor der Veranstaltung klar gegen die neue Regelung war, gab es auch Gegenstimmen: So hieß es in einem Kommentar aus dem Netz, verbeamtete Lehrer verlören oft das Gefühl dafür, wie privilegiert sie seien. Piazolo selbst betonte, der größte Teil der Lehrer sei von der Regelung gar nicht betroffen - etwa Lehrer in Familienteilzeit seien davon ausgenommen. Außerdem wären die Alternativen ihm zufolge nicht besser gewesen. Quereinsteiger bedeuteten mehr Arbeit für die Lehrer vor Ort, und mehr Schüler pro Klasse sei für die Kinder keine gute Option.
Ob die nun gefundene Lösung für die Kinder besser ist, bezweifelten allerdings mehrere Zuschauer. Schon jetzt macht sich der Lehrermangel bemerkbar: Eine Schülerin berichtete, seit einigen Jahren gebe es keine Arbeitsgemeinschaft mehr an ihrer Schule. Eine andere sagte, wegen fehlendem Ersatzlehrer falle oft der Sportunterricht aus. Ein Vater aus Hallbergmoos äußerte die Befürchtung, dass sich solche Probleme noch verschärfen, wenn Lehrer wegen der Mehrarbeit zunehmend überarbeitet seien. Schon jetzt stehen Lehrer vor vielen neuen Herausforderungen, wie der Rektor einer Schule in Freising anmerkte: Es gebe immer mehr Kinder mit Verhaltensauffälligkeiten und Lernschwierigkeiten, und auch Lehrer litten immer öfter unter psychischen Erkrankungen.