75 Jahre ist es nun her, dass Konrad Adenauer mit der Verkündung des Grundgesetzes den „neuen Abschnitt in der wechselvollen Geschichte unseres Volkes“ einläutete. Genau genommen 75 Jahre und zwei Wochen. Die Grüne Jugend Freising hatte, gemeinsam mit fast 40 anderen Organisationen, Parteien und Verbänden, am eigentlichen Geburtstag, dem 23. Mai, zu einer Demonstration aufgerufen. „Für die Würde des Menschen!“, wurde auf dem offiziellen Flyer geworben. Doch die Demonstration fiel, im wahrsten Sinne des Wortes, ins Wasser: Unwetterwarnung. Am Donnerstagabend konnte sie bei strahlendem Sonnenschein nun nachgeholt werden.
Gerade einmal acht Polizeibeamte begleiteten die Kundgebung und den Demozug. Kein Wunder, sollten diese doch gerade für statt gegen das Gesetz stehen. Die Moderation übernimmt Andreas Hauner, Sprecher der Grünen Jugend Freising. „Der Kampf gegen Rechtsextremismus ist keiner, den man alleine gewinnen kann. Das geht nur, wenn man sich demokratisch zusammenschließt“, sagt der Student. „Demokratie mit Leben füllen“, lautet sein Aufruf.

Verschiedene Gastredner kommen ebenfalls zu Wort: Lucy Knott und Johannes Zander von den Veranstaltern halten eine Lobeshymne auf das Grundgesetz und warnen vor einer „rechten Untergrabung der Gesellschaft“. Sein eigenes Handeln solle man an die Würde seiner Mitmenschen anpassen, fordern sie die Anwesenden auf. Sem Haikali vom Freisinger Migrationsrat betont, es sei „das Miteinander, was uns ausmacht“ und ruft dazu auf, seine Stimme bei der Europawahl zu nutzen.
Ernst Fischer von der kirchlichen Gemeinde erzählt von einem AfD-Plakat, das er im Urlaub in Sachsen-Anhalt gesehen habe: „Demokratie wahren“, habe es darauf geheißen. Nach allgemeiner Belustigung über diesen Widerspruch zwischen Wahlversprechen und tatsächlichem Handeln einiger bis vieler Mitglieder der Partei, möchte Fischer daran erinnern, wie wichtig es sei, die Demokratie tatsächlich zu wahren. Seine Kollegin Manuela Urbansky erinnert an den Mauerfall. Sie selbst habe vor 35 Jahren als Kind eine große Aufbruchsstimmung wahrgenommen. Nun erlebe sie für Kinder eine gewisse Unsicherheit. Durch die Gefahr von rechts, aber auch durch Krisen wie die Corona-Pandemie oder den Ukraine-Krieg.
Die letzte Rednerin ist Luise Gutmann von der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes. Man dürfe nie vergessen, dass das Grundgesetz als Reaktion auf die Schrecken des Zweiten Weltkrieges entstanden sei, mahnt sie. Menschenrechte seien eben nicht selbstverständlich. Die AfD, stellvertretend für rechtsextreme Ströme, findet die gebürtige Freisingerin „unerträglich“.

Dann startet der Demozug. Eine gut halbstündige Runde, die wieder am Marienplatz enden wird. Voraus fahren zwei Streifenwagen, gleich dahinter wird die Menge von einem Banner angeführt. „Kämpfe verbinden, bis Nazis verschwinden. Für die Würde des Menschen“ prangt in großen bunten Lettern darauf. Über 400 Menschen sind laut Instagramaccount der Grünen Jugend an diesem Abend Teil der Demonstration. Andreas Hauner hält politische Partizipation für enorm wichtig, um die Demokratie zu verteidigen. Er fordert mehrmals während der Kundgebung dazu auf, aktiv zu werden. Wichtig sei zu wissen, dass „mit politischem Engagement keine Verpflichtungen“ einhergingen, sagt er.
Viel Zuspruch für die Demonstrierenden
Begleitet von einer großen Musikbox geht es auf der Ziegelgasse in Richtung Norden bis zur Kammergasse. Gespielt werden linke Protestsongs, beispielsweise von Kraftklub, K.I.Z. oder den Ärzten. Vor einem Friseurladen sitzen ein paar Männer, die scheinbar nicht alle Ansichten der Demonstrierenden teilen. Bis auf ein paar zugerufene Wortgefechte bleibt es aber friedlich.
Ansonsten trifft der Zug auf viel Zuspruch, vereinzelt sogar Applaus oder Jubel. Zurück am Marienplatz wartet noch ein besonderes Highlight: Sänger Toni Setzwein stimmt zum Abschluss zwei Lieder an. „Leistet Widerstand, gegen die Faschisten hier im Land“ zur Melodie von „Heo, spann den Wagen an!“ und „Wir wollen Frieden für alle“, schallt es über den Platz.
Nach 70 Minuten und mit dem erneuten Appell, wählen zu gehen, endet die Demonstration schließlich. „Jeder von uns muss sich bewusst sein, dass er mitverantwortlich ist für das gesamte politische Geschehen“, sagte Gründervater Adenauer einst. Die demonstrierenden Freisingerinnen und Freisinger jedenfalls sind sich dieser Verantwortung bewusst.