Landtagswahlkampf in FreisingImmer wieder dicke Bretter bohren

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Cem Özdemir bei seiner Rede in Freising.
Cem Özdemir bei seiner Rede in Freising. (Foto: Marco Einfeldt)

Bei der Wahlveranstaltung der Freisinger Kreis-Grünen wird der Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir wie ein Polit-Popstar gefeiert. Zuvor sorgt Johannes Becher für Stimmung im "grünen Festzelt".

Von Birgit Goormann-Prugger, Freising

Es war am Montagnachmittag dann doch darüber spekuliert worden, wie viele Gegendemonstranten am Abend zur Wahlkampfveranstaltung des Grünen-Kreisverbandes mit Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir im Freisinger Volkfestzelt antreten würden, um gegen die "grüne Heizungsdiktatur" zu protestieren. Erschienen war dann nur ein einzelner Herr mit einem Plakat, auf dem Dinge zu lesen waren wie "die Grünen müssen weg, suche Alternative, zum Beispiel Aiwanger". Ein Besucher bemerkte im Vorbeigehen: "Das ist mein Nachbar, der ist eigentlich ganz nett." So viel dazu.

Im Zelt feierte sich die grüne Gemeinde dann selbst mit bayerisch-cubanischen Crossover-Rhythmen bei "der größten Wahlkampfveranstaltung, die dieser Kreisverband jemals auf die Beine gestellt hat", wie der Moosburger Landtagsabgeordnete Johannes Becher das formulierte. Man war sichtlich stolz auf den Polit-Stargast des Abends, Cem Özdemir, der nach seiner knapp einstündigen Rede mit Standing Ovations von den rund 1000 Besuchern und Besucherinnen gefeiert wurde.

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Die Stadt Freising war sogar mit der kompletten Bürgermeisterriege in der Person von OB Tobias Eschenbacher (Freisinger Mitte) und seinen beiden Stellvertreterinnen Eva Bönig (Grüne) und Birgit Mooser-Niefanger (Freisinger Mitte) angetreten. Johannes Becher hatte zuvor den Job als Einheizers souverän erledigt. Sein Bühnentalent kennt man ja von den Gründonnerstagungen mit Kabarett. Dort schlüpft er regelmäßig in die Rolle von Markus Söder und wird von Jahr zu Jahr besser.

Johannes Becher kann auch Bierzelt.
Johannes Becher kann auch Bierzelt. (Foto: Marco Einfeldt)
Das Festzelt war gut besucht.
Das Festzelt war gut besucht. (Foto: Marco Einfeldt)

Am Montagabend gab Becher die Bierzelt-Rampensau. Buh-Rufe seien an diesem Abend erlaubt, Trillerpfeifen bitte nicht, sagte er eingangs. Ansonsten dürfe hier jeder sagen, was er wolle, wenn Anstand und Respekt gewahrt blieben. Dann sorgte er weiter für ordentlich Stimmung im "grünen Festzelt". Falls das im Oktober nichts werden sollte mit der Wiederwahl, gäbe es für Becher bestimmt anderweitig Verwendung in Bereichen, in denen starke öffentliche Wirkung erwünscht ist.

Katharina Schulze, die Spitzenkandidatin der Grünen in diesem Landtagswahlkampf, würde Johannes Becher aber nur ungern ziehen lassen. "Schickt mir den Johannes wieder", rief sie der jubelnden Menge zu, um danach der amtierenden bayerischen Staatsregierung ein reichlich schlechtes Zeugnis auszustellen. "Fünf Jahre Stillstand sind genug, Schluss mit dem Herum-Gesödere und Herum-Geaiwangere", so ihr Apell an die Wählerinnen und Wähler. Der Ausbau von Sonnenenergie und Windkraft müsse jetzt stattfinden.

Die Musik kam von "Cubaboarisch 2.0".
Die Musik kam von "Cubaboarisch 2.0". (Foto: Marco Einfeldt)

"Wir können nicht länger warten", mahnte Katharina Schulze, die ihren Wahlkampfauftritt in Freising routiniert und dennoch mit der ihr eigenen kraftvollen Leidenschaft abspulte. Nur einmal wurde sie fast ein wenig nachdenklich, als sie sich an ihren ersten Schultag als Fünftklässlerin im Christoph-Probst-Gymnasiums in Gilching erinnerte.

Christoph Probst war Mitglied der "Weißen Rose" und wurde 1943 von den Nazis ermordet. "Was der Direktor an meinem ersten Schultag im Gymnasium erzählt hat, das weiß ich heute nicht mehr. Aber ich kann mich erinnern, dass uns allen eine weiße Rose überreicht wurde, um an Christoph Probst und den Kampf gegen die Schreckensherrschaft der Nazis zu erinnern, das hat mich sehr geprägt." Das konnte man auch als Hinweis an Hubert Aiwanger verstehen, dem so manches aus seiner Gymnasialzeit nicht mehr so erinnerlich ist. Dessen Name fiel an diesem Abend selten

Markus Söder braucht ein Korrektiv an seiner Seite

Nur ganz zum Schluss seiner Rede wurde Cem Özdemir ziemlich deutlich, als er sagte, Bayerns Ministerpräsident Markus Söder brauche dringend ein Korrektiv an seiner Seite. Hubert Aiwanger sei dafür offensichtlich nicht der geeignete Mann. Söder und die CSU ließ Özdemir wissen, dass ihr Anspruch, der Freistaat Bayern gehöre ihnen alleine, nicht mehr zeitgemäß sei.

Zuvor hatten die Grünen Joseph Schmid von der "Arbeitsgemeinschaft Bäuerliche Landwirtschaft" und Ralf Huber vom Bauernverband die Gelegenheit gegeben, dem Bundeslandwirtschaftsminister einmal ins Gesicht zu sagen, was ihnen an den Entscheidungen von "denen da oben" nicht gefällt. Die Bauern hätten große Hoffnungen in Özdemir gesetzt, sagte Schmid. Zu lange seien die falschen Entscheidungen getroffen worden. Ein Betrieb nach dem anderen müsse schließen. "Jetzt sind Sie zwei Jahre im Amt und es ist so wenig passiert, wir warten auf Lösungen", sagte Schmid.

Joseph Schmid von der Arbeitsgemeinschaft Bäuerliche Landwirtschaft.
Joseph Schmid von der Arbeitsgemeinschaft Bäuerliche Landwirtschaft. (Foto: Marco Einfeldt)
Ralf Huber vom Bauernverband.
Ralf Huber vom Bauernverband. (Foto: Marco Einfeldt)

Er und Huber hielten ihre Reden im hiesigen Dialekt. Den Inhalt hatte sich Özdemir darum in Teilen von Katharina Schulze übersetzen lassen und laut eigenen Aussagen kurz überlegt, ob er nicht in reinstem Schwäbisch kontern sollte. Das hat er aber gelassen, er wollte ja verstanden werden.

Den beiden Vertretern der Landwirtschaft gab er mit auf den Weg, dass er als Grünen-Landwirtschaftsminister nun mal die "handwerklich schlecht gemachte Arbeit der Schwarzen" übernommen habe, die diese nun wiederum "den Grünen vor den Latz knallen" würden. Er sei dran an den Sachen, die die Landwirte beschäftigen, aber nicht alles gehe sofort. "In der Politik muss man immer wieder viele dicke Bretter bohren", sagte Özdemir.

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