Freie Wähler:„Die Nerven liegen blank“

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Birgit Weinsteiger-Tauer (Bildmitte) ist die Direktkandidatin der Freien Wähler für den Bundestag, links die Vorsitzende des FW-Kreisverbands Maria Scharlach, rechts MdL Benno Zierer. (Foto: Andreas Raith/Freie Wähler)

Landrat Helmut Petz schildert in drastischen Worten die finanzielle Lage des Landkreises und warnt die Bürgermeister vor den Folgen, falls sie sich einer Erhöhung der Kreisumlage verweigern. FW-Bundestagskandidatin ist Birgit Weinsteiger-Tauer.

Von Petra Schnirch, Marzling

Ihre Bundestagskandidatin haben die Freien Wähler am Donnerstag in Marzling vorgestellt. Birgit Weinsteiger-Tauer will für die Gruppierung ins Rennen gehen. Offiziell nominiert werden soll die 43-Jährige am Dienstag, 26. November, in Helfenbrunn. Weiteres dominierendes Thema war die schlechte Finanzlage von Kommunen und Landkreis. „Wir fahren mit hoher Geschwindigkeit auf die Wand zu“, warnte Landrat Helmut Petz. Und es gab auch einen Rüffel für die Bürgermeister, die im Kreistag sitzen. Denn die hatten offenkundig intern darüber diskutiert, die Kreisumlage einzufrieren.

Es war ein langer Abend im Gasthaus Nagerl. Zunächst tagte die Kreisvereinigung der Freien Wähler, die für die Teilnahme an überregionalen Wahlen gegründet worden war. Vorsitzender Benno Zierer stellte bei der Jahreshauptversammlung die Bundestagsdirektkandidatin Birgit Weinsteiger vor. Sie stammt aus Schnotting, war sechs Jahre lang Gemeinderätin in Kirchdorf und engagiert sich nach einer mehrjährigen Pause seit dem Junihochwasser wieder stärker in der Politik. „Man kann nicht immer nur schimpfen, man muss aktiv was tun und Verantwortung annehmen“, sagte sie im Gespräch mit der SZ.

Auch für die Bedürfnisse des ländlichen Raums wolle sie sich einsetzen. Weinsteiger ist gelernte Hotelfachfrau sowie Hauswirtschaftsmeisterin und arbeitet bei den Stadtgütern München, den Eigenbetrieben der Landeshauptstadt. Zierer hofft, dass die Freien Wähler über drei gewonnene Direktmandate den Sprung in den Bundestag schaffen.

Bei der anschließenden Jahreshauptversammlung des FW-Kreisverbands ging Landrat Helmut Petz auf die knappen kommunalen Kassen ein. „Auch uns trifft es dieses Jahr, sagte er. Ständig wachsenden Ausgaben stünden ständig wachsende Aufgaben gegenüber. Das Hauptproblem sei, dass der Staat immer wieder von einer Deregulierung rede, Kommunen und Landkreisen aber gleichzeitig noch mehr Aufgaben auflade. Als Beispiel führte der Landrat das Wohngeld mit einer gestiegenen Zahl an Anspruchsberechtigten an. Die Zahl der Mitarbeitenden sei allein hier von sechs auf elf Personen gestiegen. 2020 habe der Landkreis noch 35 Millionen Euro für Personalkosten ausgegeben, inzwischen seien es 56 Millionen. „Das kann so nicht weitergehen.“

Im Landratsamt versuche man, Aufgaben möglichst „schlank zu machen“. Auf der anderen Seite könne man etwa beim öffentlichen Nahverkehr kaum sparen. Die Verträge für die meisten Buslinien liefen erst Ende 2026 aus. Ein anderes Beispiel: „Das Klinikum steht super da“, schilderte Petz, das habe auch das Ministerium bestätigt. Dennoch sei das Krankenhaus mit einem Minus von 3,7 Millionen Euro wegen einer „chronischen Unterfinanzierung“ defizitär. „Wir brauchen einen Bürokratieabbau und müssen uns auf die wichtigsten Aufgaben beschränken“, betonte Petz. Der Landkreis habe nur wenige Einnahmemöglichkeiten: Geld vom Staat und die Kreisumlage.

Rainer Schneider kritisiert ein „Störfeuer aus der Stadt Freising“

Eben die löste am Schluss der Versammlung noch eine Diskussion aus. Rainer Schneider kritisierte eine Aktion, die ihn „extrem irritiert“ habe – auch weil der Landrat davon nur „um drei Ecken“ erfahren habe. Bürgermeisterinnen und Bürgermeister hatten offenbar darüber gesprochen, die Kreisumlage einzufrieren und den Hebesatz erst einmal nicht weiter zu erhöhen. Im Kreistag seien Bürgermeister aber in erster Linie Kreisräte und hätten im Sinne des Landkreises zu entscheiden, sagte Schneider. Und dann komme da ein „Störfeuer aus der Stadt Freising“. Zollings Bürgermeister Helmut Priller widersprach. Man habe über eine Nullrunde gesprochen, das sei kein Störfeuer gewesen und man habe den Landrat anschließend informiert.

Petz äußerte sich dazu im Ton konzilianter, in der Sache aber eindeutig. Sollte es zu einem Bruch kommen, gebe es keinen Kreishaushalt. Letztlich müsste dann die Regierung entscheiden, dieser Prozess könnte aber bis zu einem Jahr dauern. Solange hätte der Landkreis dann keinen Haushalt. Er habe es bisher genossen, „dass alle an einem Strang ziehen“, sagte Petz. „Das unterscheidet uns von anderen Landkreisen, wo Krieg ist – das ist nicht mein Weg.“ Kreisvorsitzende Maria Scharlach meinte in ihrem Schlusswort: „Die Nerven liegen blank.“ Sie appellierte an alle, weiterhin zusammenzuhalten.

Auch Neuwahlen standen an. Benno Zierer und Maria Scharlach als seine Stellvertreterin bleiben an der Spitze der Kreisvereinigung. Den FW-Kreisverband leitet weiterhin Maria Scharlach, unterstützt von Rainer Schneider. Die Kasse führt jeweils Sonja Kieslinger, Schriftführerin ist Stephanie Pflügler.

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