Seine Stimme klingt ganz nah, man mag kaum glauben, dass er Tausende Kilometer weit weg ist. Manche Telefonverbindung innerorts ist schlechter. Seit gut zehn Monaten kocht Tanguy Doron nun schon in der Antarktis auf der Neumayer-Forschungsstation III. Viele Freisinger erinnern sich gut an den Gastronomen, besser bekannt als "Der kleine Franzose", mit Lokalen an der Düwellstraße und am Marienplatz. Für den 53-Jährigen ist es bereits das zweite Weihnachtsfest fern der Heimat. Vor fast genau einem Jahr, am 20. Dezember, ging er an Bord der Polarstern, die das Team auf die Polarforschungsstation brachte.
Auch nach Monaten im ewigen Eis gehe es ihm emotional gut, sagt der 53-Jährige. Weihnachten würde er allerdings sehr gerne mit der Familie feiern. Ohne sie sei er noch gar nicht in Weihnachtsstimmung. Viel Zeit zum Nachdenken bleibt ihm nicht. Es sei gerade "sehr, sehr viel Stress", schildert Doron. Er arbeite sieben Tage die Woche, von 5.45 Uhr bis abends, nur am Nachmittag gebe es eine Pause. "Langweilig wird es jedenfalls nicht." Eigentlich sollte bereits ein zweiter Koch auf der Station sein, um sich einzuarbeiten und die Abläufe kennenzulernen. Wegen Corona und aufgrund des schlechten Wetters in der Antarktis hänge das neue Team aber in Südafrika fest, erzählt Doron. "Es ist gerade sehr spannend, sehr anstrengend." Er spüre die Stunden, vor allem weil er fast schon ein ganzes Jahr hinter sich habe.
Das Weihnachtsessen stammt aus tiefgekühlten Produkten
Bei den Vorbereitungen für das Weihnachtsessen wollen ihm einige Kollegen helfen. Das Menü steht bereits fest. Es gibt Tomatencremesuppe mit selbstgemachtem Basilikumpesto, Rinderfilet mit Kartoffelgratin, Spargel und Sauce Bordelaise und als Dessert zweierlei Mousse. Alles aus tiefgefrorenen Zutaten. "Frische Produkte bekommen wir leider nicht", sagt Doron. Das Versorgungsschiff werde nicht vor Weihnachten eintreffen. Bis vor Kurzem gab es noch ein kleines Gewächshaus für Forschungszwecke, das auch die Küche mit Salat, Gemüse und Kräutern versorgte. Das sei eine Bereicherung gewesen, richtiger Luxus, bilanziert der Koch. Vor wenigen Tagen wurde es jedoch stillgelegt, denn die wissenschaftlichen Arbeiten sind abgeschlossen. Nicht verzichten muss das Team auf zwei geschmückte Christbäume, beide, natürlich, aus Kunststoff.
Die meiste Zeit auf der Station Neumayer III hat der 53-Jährige hinter sich. Lagerkoller habe er noch keinen, erzählt er. Das liege auch an dem tollen Team. Derzeit sind etwa 25 Personen auf der Station. "Dass das kein Zuckerschlecken wird, habe ich gewusst." Sehr angestrengt habe ihn im Mai, Juni, im arktischen Winter, die ständige Dunkelheit. "Ich war immer müde, egal wie viel ich geschlafen habe", erzählt Doron. "Licht macht viel aus, um sich wohl zu fühlen." Viele seiner Eindrücke hat er in einem Tagebuch festgehalten. Dort hat er auch notiert, wann es am kältesten war. Er sucht kurz, dann hat er die Stelle gefunden: Am 30. August waren es minus 47,8 Grad. Derzeit hat es im Vergleich dazu fast schon lauschige null bis minus fünf Grad. Obwohl alle dick eingepackt sind, wenn sie nach draußen gehen, habe er sich, wie viele andere, leichte Kälteverbrennungen auf der Nase zugezogen.
Die ersten Pinguin-Küken der Saison
Denn der ehemalige Freisinger Gastronom will nicht nur auf der Station festsitzen. Für Messungen zur Dicke der Eisschicht auf dem Meer fährt er regelmäßig mit den Forschenden hinaus, das ist ihm wichtig. "Ich bin nicht hierher gekommen, um nur zu kochen", sagt Doron. Besonders beeindruckt haben ihn bei den Ausfahrten die ersten Pinguin-Küken der Saison. Läuft alles nach Plan, wird Tanguy Doron am 20. Februar in der Früh am Münchner Flughafen landen. Vor allem auf ein Wiedersehen mit den Kindern, mit der ganzen Familie freut er sich sehr - und darauf, "wieder ein normales Leben zu leben", Farben und Gerüche wahrnehmen zu können. Auf dem Eis rieche es nach gar nichts, erzählt er, außer in der Nähe von Pinguin-Kolonien, wenn der Wind entsprechend steht.
Andererseits sei ihm auch ein wenig mulmig, gibt er zu. Den starken Zusammenhalt im Team werde er auf jeden Fall vermissen. Vor dem Lärm, der Hektik in der Heimat fürchte er sich ein wenig. Vermissen werde er auch die unglaubliche Landschaft, sagt der 53-Jährige, das wisse er schon jetzt. Selbst nach zehn Monaten im Eis gerät er noch immer ins Schwärmen. "Es ist magisch, hier zu leben, das geht unter die Haut, dafür gibt es keine richtigen Worte", sagt er und fügt hinzu: "Ich kriege schon wieder Gänsehaut."
Was er zurück "in der verrückten Welt" machen wird, weiß er noch nicht. Zunächst wohl einen längeren Urlaub, um die angesammelten Überstunden abzubauen. Er überlegt, ob er überhaupt in die Gastronomie zurückgehen soll. Er interessiert sich für die Pflege, vor allem für den Palliativbereich, aber er habe dafür keine Ausbildung, sagt Doron. Sorgen, eine neue Arbeit zu finden, mache er sich keine.