Süddeutsche Zeitung

Hochschulen in Freising:Störenfriede im Forst

Seit der Pandemie nutzen mehr Menschen als zuvor die Wälder zu Erholungszwecken. Janick Amesöder untersucht in seiner Bachelorarbeit, inwieweit Spaziergänger und Sportler das Verhalten der Wildtiere beeinflussen - und was das für Folgen hat.

Von Helene Schaarschmidt, Freising

Wer in jüngster Zeit einen Spaziergang durch den Freisinger Weltwald unternommen hat, dem dürften an unterschiedlichen Stellen Schilder mit der Aufschrift "Du besuchst den Wald - mach mit" aufgefallen sein. Darauf ist auch eine einfache mathematische Gleichung zu sehen: Corona + Wildtiere = ? Daneben abgedruckt ein QR-Code. Scannt man diesen mit dem Handy, so wird man auf eine Umfrageplattform der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf weitergeleitet. Doch wer hat die Schilder in den Wäldern rund um Freising aufgestellt und was genau will er herausfinden?

Hinter den Schildern steckt der 26-jährige Janick Amesöder. Er studiert im sechsten Semester Forstingenieurwesen an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf und brennt für die Natur. Sowohl in seinem Studium als auch in seiner Freizeit engagiert er sich seit langem für die Wildbiologie. "In meiner Freizeit hatte ich schon immer viel mit Wildtieren zu tun." So hat er seit acht Jahren einen Jagdschein und ist neben seinem Studium als Tutor für Jagd- und Wildtiermanagement tätig.

Über seine Leidenschaft für die Jagd kam er auf das Thema seiner Bachelorarbeit. In dieser setzt er sich mit der Frage auseinander, ob die intensive Nutzung der Wälder in Zeiten der Pandemie durch Spaziergänger und Sportler einen Einfluss auf das Verhalten der Wildtiere hatte. Seine These: "Durch die indirekte Störung der Wildtiere aufgrund der erhöhten Erholungsnutzung der Wälder kommt es zu einer Änderung in deren Verhalten."

Konkret bedeutet dies, dass sich die Tiere häufiger in die Dickicht-Bereiche des Waldes zurückziehen, sich demzufolge seltener auf Wiesen, am Waldrand und anderen Äsungsflächen aufhalten. Durch diesen Rückzug verbeißen die Tiere häufiger junge Bäume in den Wäldern. Die These gilt es nun zu verifizieren oder aber zu belegen, dass sie falsch ist. Sollte sich die Vermutung des Studenten bestätigen, könnte die Entwicklung negative Auswirkungen auf die Stabilität der Wälder im Klimawandel haben, da die Tiere durch den Rückzug vermehrt seltene Baumarten verbeißen. "Im Rahmen meines forstwirtschaftlichen Studiums ist eines der Hauptthemen der Waldumbau. Das Ziel ist es, klimastabile Baumarten in den Wald einzubringen, diese sind durch den Wildverbiss besonders gefährdet", erklärt Amesöder.

Gemeinsam mit seiner Dozentin Martina Hudler entstand die Idee, in unterschiedlich stark frequentierten Wäldern Schilder aufzustellen, um so die Erholungsnutzung zu quantifizieren. Janick Amesöder stellte so etwa 50 Tafeln mit der jeweiligen Erlaubnis der zuständigen Förster oder Waldbesitzer in Wäldern bei Freising, Hohenkammer und Petershausen auf. Dabei wurde er unterstützt. Die Schilder wurden in der hochschulinternen Schreinerei produziert, sodass keine nennenswerten Kosten für den Studenten anfielen.

Ein Jogger mit Hund ist ein größerer Störfaktor als ein Pärchen, das spazieren geht

Über einen auf den Schildern abgedruckten QR-Code kommt man zu seiner Umfrage. Diese besteht aus sechs Fragen. Amesöder hofft, damit die konkrete Nutzung des Waldes durch die Erholungssuchenden analysieren zu können. Anhand der Antworten könne man Rückschlüsse auf den Einfluss auf die Wildtiere ziehen. Relevant seien Faktoren wie die Tageszeit, die Personenzahl oder ob der Einzelne oder die Gruppe auf oder abseits der Wege unterwegs war. "Ein Jogger mit einem Hund ist ein wesentlich größerer Störfaktor als ein spazierendes Pärchen."

Bisher haben 132 Personen an der Umfrage teilgenommen. Die Schilder werden ein Jahr lang stehen bleiben, damit der 26-Jährige alle vier Jahreszeiten in seiner Studie abdecken kann. Bis dato konnte er anhand seiner Umfrage feststellen, dass etwa 40 Prozent der Befragten den Wald häufiger als vor der Pandemie besuchen.

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