Süddeutsche Zeitung

Dritte Startbahn:"Wir geben keine Ruhe"

Markus Söder sagt auch beim CSU-Neujahrsempfang in Freising: "Keine dritte Startbahn in meiner Amtszeit". Die Gegner des Projekts trauen dem Frieden nicht und pfeifen ihn aus. Der direkten Konfrontation mit den Aktivisten weicht der Ministerpräsident aus.

Von Birgit Goormann-Prugger, Freising

Zum Schluss ging es dann doch ganz schnell. Markus Söder hatte darauf verzichtet, repräsentativ als Landesvater im Dienstwagen vorzufahren. Der Wagen des Ministerpräsidenten hielt gar nicht erst vor dem Eingang des Freisinger Diözesanmuseums, in dem am Donnerstagabend der 40. Neujahrsempfang der Freisinger CSU stattfand. Söder, Festredner an diesem Abend, stieg schon ein paar Meter vorher aus. Umgeben von seinen Personenschützern und Adlaten eilte er schnellen Schrittes dem Eingang zu. In sicherem Abstand zu den rund 200 Demonstranten, die in einem mit rotweißen Absperrbändern abgegrenzten Karree direkt vor dem Museumseingang postiert waren. Denen warf er nur einen kurzen Blick zu. Ihre gellenden Pfiffe wird er noch gehört haben, bevor sich die Tür hinter ihm schloss, auch die lauten "Feigling, Feigling"-Rufe.

Im Saal selbst bedankte sich Markus Söder zu Beginn seiner Rede erst einmal für die "freundliche Begrüßung". Es war nicht ganz klar, wen er jetzt damit meinte, die Menschen im Saal oder die davor. Es klang dann aber doch ein bisschen süffisant. Die Startbahngegner hatten eigentlich erwartet, dass Söder ihnen zumindest ein paar kurze Worte widmet. "Es ist doch Wahlkampfzeit, da kann er das doch machen", sagte Ludwig Grüll, Sprecher von Plane Stupid, Organisator der Demonstration. "Ein bisschen Zeit hätte er ja auch gehabt, er kam ja rechtzeitig", fügte der Freisinger Grünen-Abgeordnete Johannes Becher hinzu. Becher hatte sich in das Feld der Demonstranten eingereiht, ganz vorne neben die Startbahnaktivisten-Legende Harmut Binner und den ehemaligen Grünen-Landtagsabgeordneten Christian Magerl, jetzt Sprecher von "Aufgemuckt". Direkt neben ihm stand auch Eva Bönig, Freisings Stellvertretende Bürgermeisterin (Grüne). Die Gruppe überreichte Freisings Polizeichef Matthias Schäfer ein Handy für ein Erinnerungsfoto, der drückte bereitwillig auf den Auslöser.

Freisings Oberbürgermeister Tobias Eschenbacher (Freisinger Mitte), selbst erklärter Startbahngegner, zählte an diesem Abend zu den geladenen Gästen in der erste Reihe, wechselte aber vorher noch ein paar Worte mit den Demonstranten. Auch der Freisinger CSU-Landtagsabgeordnete Florian Herrmann sagte - wenn auch nur sehr kurz - "Guten Abend" und begrüßte Binner und Magerl mit Handschlag. Aber Söder kam eben nicht. Das nehmen ihm die Startbahngegner übel. "Überheblich" sei das, sagte zum Beispiel Johannes Becher. Das Ziel der Demonstration an diesem Abend war, "den Ministerpräsidenten an die dritte Startbahn zu erinnern, die Freising und unserer Region immer noch droht; trotz Moratorium bis zur Landtagswahl im Herbst".

Denn auch wenn der CSU-Bezirksrat Simon Schindlmayr den Auftritt der Startbahngegner auf dem Domberg einen "Akt alter Verbundenheit" mit der CSU nannte, einen konkreten Anlass für ihren Protest gebe es ja nicht: Die Startbahngegner trauen dem Frieden nicht. Auch nicht, wenn Markus Söder - wie an diesem Abend wieder - versicherte, während seiner Amtszeit werde eine dritte Startbahn nicht gebaut. "Dazu muss man erst einmal sagen, die Amtszeit von Markus Söder endet offiziell 2023", stellte Johannes Becher klar. Söder muss also erst einmal wiedergewählt werden. "Solche Aussagen haben Halbwertszeiten, die sind für uns schwer zu bemessen", sagte Becher. Er höre auch immer wieder Sätze wie "was willst Du denn, die dritte Startbahn, wird doch sowieso nicht mehr gebaut". Doch im Landesentwicklungsprogramms sei sie eben nach wie vor als Zielvorgabe enthalten. Ebenso wie im Investitionsprogramm der Flughafen München Gesellschaft (FMG). Das könne auch jeder auf der Website der FMG nachlesen.

"Vollkommen aus der Zeit gefallen"

"Alles das sind für mich Indizien dafür, dass im Hintergrund weiter an dem Projekt gearbeitet wird und man nur auf eine günstige Gelegenheit und die richtige politische Konstellation in Berlin und München wartet, um es auch umzusetzen", warnte Becher. Ein Projekt, das angesichts der spürbaren Folgen des Klimawandels "vollkommen aus der Zeit gefallen ist" und das "wie ein Damoklesschwert" über den direkt betroffenen Menschen in dem Freisinger Stadtteil Attaching hänge. "Sie müssen doch endlich wissen, werde ich womöglich enteignet, soll ich jetzt überhaupt noch in den Einbau von neuen Fenstern investieren?", so Becher. Ähnlich sieht das Magerl. "Wir geben darum keine Ruhe, wir werden nicht aufhören zu demonstrieren, bis die Pläne für den Bau der dritten Startbahn endlich beerdigt sind."

Im strahlendschönen Lichthof des Diözesanmuseums war das alles kein Thema. Schöne Reden wurden gehalten, in denen man sich gegenseitig lobte und auf die Errungenschaften hinwies, die Bayern vorzuweisen habe. Corona, der Angriffskrieg auf die Ukraine, die Hilfe für die vielen Geflüchteten. Bayern habe Charakter und Herz gezeigt und all diese Krisen bewältigt. Das Fazit von Markus Söder: "Wir sind überall supersuper".

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