Süddeutsche Zeitung

Dritte Startbahn am Münchner Flughafen:"Wir dürfen uns nicht einlullen lassen"

"Aufgemuckt" will wachsam bleiben und den Druck auf die Politik im Bundestagswahljahr erhöhen. Das Thema "ewiges Baurecht" für die 3. Startbahn wollen die Landtags-Grünen von einer Fachkanzlei prüfen lassen.

Von Petra Schnirch, Freising

Viele Startbahngegner hat die Ankündigung von Ministerpräsident Markus Söder beruhigt, dass das Großprojekt am Flughafen in seiner Amtszeit nicht mehr angepackt werde. Das Aktionsbündnis "Aufgemuckt" warnt jedoch davor, unachtsam zu werden. "Wir dürfen uns nicht einlullen lassen", sagte Aufgemuckt-Sprecher Christian Magerl bei der Mitgliederversammlung am Dienstag, die in digitaler Form per Zoom stattfand. Das Bündnis will mehrgleisig fahren und den Druck auf die Politik zum Auftakt des Bundestagswahljahres 2021 erhöhen. Auch Juristen werden erneut eingeschaltet.

Die Grünen-Landtagsfraktion will eine Fachkanzlei damit beauftragen zu prüfen, ob tatsächlich, wie seit kurzem von der Staatsregierung propagiert, "ewiges Baurecht" bestehe, weil mit einigen kleineren Projekten, die im Planfeststellungsbeschluss für die dritte Startbahn ebenfalls aufgelistet werden, bereits begonnen wurde. Eigentlich sei dieser nur zehn Jahre lang gültig, dann trete eine Verjährung ein, erläuterte der Landtagsabgeordnete Johannes Becher. Möglich sei dann 2026, auf Antrag und mit Begründung, eine Verlängerung um fünf Jahre - eine Entscheidung, gegen die Rechtsmittel eingelegt werden könnten. Von einem solchen Prozedere waren die Startbahngegner bisher immer ausgegangen. Dass die Staatsregierung dies nun anders auslegt, sind für Magerl "winkeladvokatische Tricks". Und Becher sprach von einer "relativ neuen Rechtsauffassung, die man sich konstruiert".

Das Argument: Die beiden Projekte haben mit dem Bau der Startbahn nichts zu tun

Beide zeigten auf, dass die erwähnten Projekte zwar im Planfeststellungsbeschluss aufgeführt werden, aber mit dem geplanten Startbahnbau nichts zu tun hätten. Beim Rohbau des Tunnel-Teilstücks gehe es beispielsweise um den Ringschluss - und über diesen werde schon länger diskutiert, "als ich alt bin", sagte Becher. Die erwähnten Straßen seien ohnehin erforderlich. Auch die etwa 18 Hektar große Teilfläche, auf der mit der Erweiterung des insgesamt 165 Hektar großen Vorfelds Ost begonnen worden sei, habe nichts mit dem Bau der dritten Startbahn zu schaffen. Sie diene als Reservoir für aktuelle Bauarbeiten am Flughafen und als Auto-Lagerplatz, sagte Magerl und zeigte dazu Bilder vom Status quo. Voraussetzung für die Argumentation der Staatsregierung wäre laut Becher aber, dass diese Projekte nicht nur von geringfügiger Bedeutung für das eigentliche Vorhaben, eben die Startbahn, sein dürften.

Der Bund Naturschutz holt derzeit ebenfalls juristischen Rat ein. Eine Anwältin prüfe gerade die Möglichkeiten eines Widerrufs gegen den Genehmigungsbescheid für die dritte Startbahn, schilderte Christine Margraf. Als Umweltverband sei der Bund Naturschutz dazu befugt, weil sich die Voraussetzungen, die in dem Verfahren für den Bau angeführt worden waren, grundlegend verändert hätten. Diesen Weg räume das Bayerische Verwaltungsverfahrensgesetz ein. Allerdings sei das alles nicht einfach - und zuständig sei wiederum die Regierung von Oberbayern, welche die dritte Bahn genehmigt hatte.

Flugbewegungen im Jahr 2020 auf Niveau von 1985

Die Hoffnung, dass sich der Luftverkehr in der Corona-Krise schnell wieder erholt, sei nicht eingetreten, sagte Magerl. Nach einem leichten Aufschwung im Sommer gebe es nun wieder einen dramatischen Rückgang. Die 155 000 bis 160 000 Flugbewegungen in diesem Jahr entsprechen laut Magerl dem Niveau von 1985, als der Airport im Erdinger Moos gerade in Bau war. "Eine Erholung ist nicht in Sicht." Söder sollte deshalb eigentlich die "Reißleine ziehen" und die dritte Startbahn "beerdigen". Zu einem solchen Schritt aber sei die Staatsregierung nicht bereit.

Großes Ziel müsse sein, dass die dritte Startbahn, schon im kommenden Jahr, "politisch gekippt" werde, forderte Magerl. "Sonst passiert bis 2026 erst einmal gar nichts." Er schlug vor, eine weitere Massenpetition zu starten. Ein Problem: Coronabedingt sind derzeit keine Großveranstaltungen oder Infostände möglich. Dies könne aber auch online gelingen, sagte Becher, beispielsweise wenn man Partner wie "Fridays for Future" dafür gewinne.

Alfred Schreiber vom VCD schlug vor, dass auch die Stadt Freising Druck ausüben und die Staatsregierung auffordern könnte, den Planfeststellungsbeschluss zurückzuziehen. Schließlich werde die Stadt in ihrer Planungshoheit erheblich beeinträchtigt, die Prognosen im Luftverkehr aber hätten sich geändert. Dafür will sich Aufgemuckt bei den Freisinger Stadträten einsetzen. Auch bei den Kreisräten sollte das Aktionsbündnis um Unterstützung bitten, sagte Reinhard Kendlbacher vom Bürgerverein Freising. "Das hat politsches Gewicht", pflichtete ihm Grünen-Kreisrätin Claudia Bosse bei. Sie schlug auch vor, die Social-Media-Auftritte auszubauen.

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