Süddeutsche Zeitung

Fernsehstar "CriziStern":"Würde meine Persönlichkeit nicht polarisieren, würde ich meinen Job nicht richtig machen"

Christina Beier hat sich als schrille "CriziStern" ihren Traum von einer Fernsehkarriere erfüllt. Nun will sie ein Vorbild sein und widmet sich dafür den Themen Female Empowerment und mentale Gesundheit.

Interview von Gabriel Wonn, Freising

Die Wahlfreisingerin Christina Beier, besser bekannt als "CriziStern", fällt durch grelle Outfits und eine extrovertierte Persönlichkeit auf. Seit einem Schlüsselerlebnis bei einem Lady-Gaga-Konzert 2009 hat die ehemals mit sich unzufriedene junge Frau in über 100 TV-Produktionen mitgewirkt.

SZ: Zunächst mal: Wie wollen Sie angesprochen werden? Als Christina oder als Crizi?

Christina Beier: Als Crizi. Nur meine Eltern nennen mich Christina, aber auch nur, wenn ich echt was Schlimmes angestellt habe (lacht).

2009 kommt ein verunsichertes Mädchen durch Zufall auf ein Lady-Gaga-Konzert und entdeckt die schrille, bunte und extrovertierte Frau in sich. Was ist da genau passiert?

Ich wollte nach dem Abitur etwas Großes machen, Menschen inspirieren. Ich wurde damals sehr belächelt. Mit 19 bin ich nach München gezogen, um eine Ausbildung zur Köchin zu machen. Ich hatte kein Geld, unglaubliches Heimweh und großen Liebeskummer. Ein Jahr nach meiner Ankunft war ich am Tiefpunkt angekommen: Ich war aufgedunsen, unglaublich depressiv und in einer Männerdomäne war mein Job hart. Dann hat eine Kollegin zu mir gesagt: "Ich habe Konzertkarten für so eine Newcomerin, die heißt Lady Gaga." Und dann war ich auf diesem Konzert. Lady Gaga hat damals schon bunte Outfits getragen und war stark geschminkt. Sie hat so eine unglaubliche Energie ausgestrahlt und auf einmal konnte ich mich wieder an meinen Lebenstraum erinnern. Ich habe abgenommen und angefangen, mich tätowieren zu lassen. Nach einem halben Jahr Verwandlung habe ich meine Kleider nur noch im Sexshop gekauft. Ich habe angefangen, mich richtig doll zu schminken und mir die Haare zu färben. Dann war "CriziGagaStern" geboren.

Das "Gaga" im Künstlernamen ist verschwunden. Wie viel von Lady Gaga ist noch in "CriziStern" zu finden?

"CriziGagaStern" hat mir eine Plattform gegeben, um mich ausleben zu können. Die Kunstfigur hat mich vor äußeren Einflüssen geschützt. Denn es war natürlich so, dass auch nicht jeder gut fand, dass ich mich verändert habe: "Wir erkennen dich nicht wieder. Wo ist das liebe, nette Mädel aus Münchberg?", hieß es. Lady Gaga hat die vergangenen zehn Jahre meines Lebens so sehr inspiriert, dass ich ihr ein Leben lang dankbar sein werde. Ich habe aber für mich gesagt, dass ich das "Gaga" in meinem Künstlernamen ablegen möchte, weil ich es irgendwann leid war, immer wieder zu hören: "Du bist der billige Abklatsch von Lady Gaga". Ich weiß, wer ich bin und was ich kann.

Sie haben Lady Gaga auch einmal getroffen. Haben Sie ihr da sagen können, was der Auftritt für Sie bedeutet hat?

2014 war Lady Gaga in Berlin. Ich habe damals vor ihrem Hotel gewartet. Sie kam schnurstracks auf mich zu. Ich habe einfach nur geheult und ihr gesagt: "You saved my life. Thank you for everything". Es war nur ein ganz kurzer Moment. Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass das nicht unsere letzte Begegnung war.

Sie wollen eine Vorbildrolle einnehmen. Was können junge Frauen von Ihnen lernen?

Ich habe gemerkt, dass es sehr viele Menschen gibt, die zu mir aufschauen. Ich habe mich irgendwann mal gefragt: Was kannst du an Mehrwert mitgeben? Ich weiß ja ganz genau, wie es ist, wenn du Selbstzweifel oder Depressionen hast. Der unerschütterliche Glaube an sich selbst ist etwas, was ich ganz vielen Frauen mit auf den Weg geben kann. Es gibt so viele, die für sich ein Leben gewählt haben, das sie unglücklich macht. Deshalb wollte ich nicht mehr nur die Protagonistin sein, sondern ein Coaching-Business hochziehen und Frauen ein Mentoring an die Hand geben, wie sie aus dieser Spirale ausbrechen können.

Spüren Sie eine Verantwortung gegenüber Ihrer Community?

Ja, natürlich. Ich arbeite in einer faszinierenden, aber oberflächlichen Branche. So oft sehen wir auf Social-Media-Kanälen, dass alles immer super ist und jeder sein Leben im Griff hat. Und gerade jetzt in diesen Zeiten ist es durch Corona für viele Menschen unglaublich schwierig. Diejenigen, die mich verfolgen, sollen sich etwas Gutes daraus ziehen können. Deshalb habe ich natürlich eine Verantwortung. Ich sage es auch immer ganz offen, wenn ich einen Tag habe, an dem es mir nicht so gut geht. Meine Kanäle sollen authentisch bleiben.

Sie sind eine Wahl-Freisingerin. Warum Freising?

Wie das so ist im Leben: Ich habe mich verliebt und dieser Mann hat in Freising gewohnt. Mit der Liebe hat es leider nicht geklappt, wir sind mittlerweile sehr gut befreundet. Freising hat mir von Anfang an gut gefallen. Wenn du in einer Welt lebst, in der alles abgedreht, aufregend und voller Glitzer ist, dann tut es mir unglaublich gut, auf den Boden zu kommen. Freising erdet mich.

Wie reagieren die Menschen hier? Sind Sie eine willkommene Attraktion oder ernten Sie Kopfschütteln? Ignoriert werden Sie vermutlich eher selten.

(lacht) Das ist richtig. Ich glaube, es gibt auch einige, die mit dem Kopf schütteln. Das blendest du irgendwann komplett aus. Und obwohl ich erfolgreich bin, habe ich nie aufgehört, als Kellnerin im Parkcafé zu arbeiten. Einige Gäste kommen tatsächlich nur wegen mir. Die sagen, ich sei eine Bereicherung. Das Feedback ist also zu 90 Prozent positiv. Und würde meine Persönlichkeit nicht polarisieren, würde ich meinen Job auch nicht richtig machen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5146314
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ/nta
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.