Süddeutsche Zeitung

Bocksprünge über Münchner Hydranten:Neues Projekt von Konzeptkünstler Dworsky

Graffiti und Klosprüche übersetzt Alexis Dworsky in Blindenschrift. Im Januar präsentiert der Freisinger Künstler mit dem Blick für das Faszinierende im Alltag sein Projekt "Urban Playground".

Von Birgit Goormann-Prugger, Freising

2002 hat der Konzeptkünstler Alexis Dworsky den SZ-Tassilopreis zusammen mit der Freisinger "Initiative Jugendkultur" bekommen. Damals war er 26. Er lacht, als er jetzt, mit 41, also 15 Jahre später, wieder das Foto von der offiziellen Preisverleihung sieht. "Mein Gott, wir waren ja Kinder", sagt er, "aber wir waren auch nicht schlecht." Konzerte im Lindenkeller und im "Abseits", das heute geschlossen ist, Ausstellungen im alten Gefängnis, damals marode und dem Verfall preisgegeben, heute saniert, eine Freiluft-Graffiti-Galerie mit dem Segen der Stadt. Dafür ist die "Initiative Jugendkultur" damals sogar mit einem der drei Hauptpreise ausgezeichnet worden.

"Wir waren die Outsider, haben auch irgendwie etwas Verbotenes gemacht", erinnert sich Dworsky. "Da war dieser Preis für uns eine Wertschätzung. Wir haben gemerkt, da nimmt uns jemand ernst." Dworsky studierte damals schon an der Akademie der Bildenden Künste in München, dass es auf diesem Weg für ihn weitergehen sollte, war für ihn klar. Heute ist Alexis Dworsky künstlerischer Mitarbeiter bei Professor Res Ingold, einem Konzeptkünstler an der Akademie der Bildenden Künste, der seit Jahren eine virtuelle Airline betreibt und keine Flugzeuge braucht, um Flugerlebnisse zu ermöglichen. Hier fand er den Freiraum, den er für seine Arbeit braucht. Mit vielen aus der Initiative Jugendkultur hat Dworsky noch Kontakt, etwa mit Daniel Müller, der in Berlin lebt und in den Bereichen Konzept, Kunst, Graffiti und Animation arbeitet.

Über Hydranten lassen sich wunderbar Bocksprünge machen

Ihre Zusammenarbeit kann man bereits Mitte Januar erleben, wenn Dworsky im Maximilians-Forum in München, ein städtischer Kunstraum für Bildende und Angewandte Kunst, sein Projekt "Urban Playground" zeigt, eine Weiterentwicklung seiner Idee eines urbanen Trimm-Dich-Pfads, mit dem er städtisches Mobiliar umdeutet. Über Hydranten lassen sich wunderbar Bocksprünge machen, am Randstein kann man balancieren oder zwischen zwei Betonabsperrungen mit Liegestützen seine Muskeln trainieren.

Die ursprüngliche Projektidee des Künstlers Alexis Dworsky, die er gemeinsam mit dem Parkour-Sportler Andreas Ruby weiterentwickelt hat, wurde 2016 mit dem interdisziplinären Kunstpreis "zwei:eins" ausgezeichnet. Im Rahmen des Programms "Kunst im öffentlichen Raum" der Landeshauptstadt wurde sie im Sommer 2017 mit einem Trimm-Dich-Pfad auf dem Candidplatz erstmals erprobt. Nun präsentiert Dworsky von 24. Januar bis zum 18. Februar das Ergebnis seines Projekts und verwandelt dazu die öffentliche Unterführung mit dem städtischen Kunstraum Maximilians-Forum in ein Spielfeld, einen "Urban Playground". Daniel Müller liefert dazu den Sound.

Alexis Dworsky sieht sich auch als Kunstvermittler und ist viel unterwegs. Gerade erst kam er aus Mexiko zurück, wo er im Auftrag des Goethe-Instituts sein Projekt "Grafitti für Blinde" umgesetzt hat. Dort hat er mit Street-Art-Künstlern gearbeitet. Die Idee dazu bekam er bei einer Inklusionsausstellung in München, als er mit Blinden durch die Stadt gelaufen war.

Dworsky hatte die Idee, Graffiti und Klosprüche in die Brailleschrift zu übersetzen

"Ich habe von Stadt und Werbung und Graffiti erzählt. Sie wussten überhaupt nicht, was das ist." Sprühkunst an Hauswänden, Werbeplakate an Bushaltestellen, anzügliche Sprüche an öffentlichen Toilettentüren - das war den Blinden völlig fremd. Da kam Dworsky die Idee, Graffiti und Klosprüche in die Brailleschrift zu übersetzen. Auch in Freising, "meiner Homebase", hat er das im Herbst beim inklusiven Kulturfestival "Mitanand" umgesetzt. Dafür hat er das Graffiti "Typology" bearbeitet, das Christian Leitner an die Hauswand bei der Bibliothek gesprüht hat, wie er ein Mitglied der ausgezeichneten Gruppe "Initiative Jugendkultur".

Die Ideen von Alexis Dworsky entstehen nicht im Atelier, sondern aus der Faszination für die Dinge des Alltags. Was ihn auszeichnet, ist sein Blick für das Besondere im Alltäglichen. "Ich sitze jetzt nicht die halbe Nacht da und überlege mir mein nächstes Projekt. Die Arbeit passiert einfach". Oder sie begegnet ihm. So wie er kürzlich bei einem Spaziergang durch Freising, als er am Straßenrand umgelegte Laternenpfähle entdeckt hat. Vor seinem geistigen Auge wuchs aus ihnen unten einmassives Wurzelwerk, wie aus einem umgestürzten Baum nach einem Sturm. In den nächsten Tagen will Alexis Dworsky dann doch mal beim Freisinger Bauhof nachfragen, ob er nicht irgendwie an einige dieser Laternenmasten kommen kann.

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Quelle:
SZ vom 05.01.2018/zim
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