Süddeutsche Zeitung

Drei Jahre Volksbegehren "Rettet die Bienen!": "Der Naturschutz wird als notwendiges Übel behandelt"

Vor drei Jahren feierte das Volksbegehren "Rettet die Bienen!" großen Erfolg. Jetzt ziehen die Initiatoren eine ernüchternde Bilanz.

Von Gudrun Regelein

Vor drei Jahren feierte das Volksbegehren "Rettet die Bienen!" einen riesigen Erfolg. Im Februar 2019 ging es los, mit langen Menschenschlangen vor den Rathäusern. Nach zwei Wochen hatten über 1,7 Millionen Wahlberechtigte unterschrieben, 18,3 Prozent. Damit war das Volksbegehren für Artenvielfalt "Rettet die Bienen!" das bisher erfolgreichste in der Geschichte Bayerns. Die Initiatoren, vor allem ÖDP, Landesbund für Vogelschutz und Grüne, jubelten. Am 17. Juli nahm der Landtag das Artenschutzvolksbegehren an. Rund 100 neue Regelungen traten am 1. August 2019 in Kraft und sollten fortan für einen besseren Natur- und Artenschutz in Bayern sorgen.

Drei Jahre später lobt sich die Staatsregierung für die Umsetzung, der Freistaat rangiere in Sachen Naturschutz an der Spitze der Länder, erklärte Bayerns Landwirtschaftsministerin Michaela Kanniber kürzlich. Die Initiatoren dagegen ziehen eine eher ernüchternde Bilanz: Sie werfen der Staatsregierung gravierende Versäumnisse vor. Zwar gebe es Erfolge - wie bei dem sogenannten Streuobstprogramm. Aber bei den beiden wahrscheinlich wichtigsten Eckpfeilern des Volksbegehren, der Förderung der Bio-Landwirtschaft und der Ausbau des landesweiten Biotop-Verbunds, sei einiges schiefgelaufen.

Die SZ fragte nach, wie es in den Landkreisen Freising und Erding aussieht und wie hier die unterschiedlichen Protagonisten die Umsetzung sehen.

Hermann Hobmair, Kreisgruppe Freising beim Landesbund für Vogelschutz (LBV)

"Die Regelungen, die wir dem Volksbegehren zu verdanken haben, sind zwar gut - aber sie sind am Tisch entstanden. Und bei der Umsetzung hapert es gewaltig. Es gibt zwar allgemeine Bestimmungen, aber an konkreten Anweisungen, wie diese umzusetzen sind, fehlt es. Genauso wie es an den Kontrollen durch die Behörden fehlt. In einer Sandgrube in der Holledau beispielsweise hat der Bienenfresser gebrütet. Er ist bei uns nur sehr selten zu sehen - in Deutschland galt er Ende der 1980er-Jahre noch als ausgestorben, verbreitet sich nun aber wieder mehr wegen der Klimaveränderung. Heuer aber hat er nicht mehr gebrütet, und es wäre eigentlich die Aufgabe der Unteren Naturschutzbehörde im Landratsamt gewesen, dieses Biotop zu schützen.

Die Behörde aber ist chronisch unterbesetzt, für sie ist es eigentlich gar nicht möglich zu kontrollieren, ob die neuen Bestimmungen auch alle ausgeführt werden. Das eigentliche Kernproblem aber ist, dass die Behörde damit überfordert ist. Und eigentlich personell deutlich besser ausgestattet werden müsste. Die Behörden würden gerne sehen, dass wir, die Umweltschutzverbände, diese Aufgaben übernehmen, das ist für uns aber neben den ganzen anderen ehrenamtlichen Aufgaben nicht zu leisten. Wirkliche Erfolge durch das Volksbegehren sehe ich zumindest momentan bei uns im Landkreis leider kaum welche. Ich sehe aber auch keinen starken Umsetzungswillen, der das Ganze beflügeln würde. Beim Streuobstpakt hat Ministerpräsident Söder versprochen, eine Million Bäume zu pflanzen, und das hört sich zunächst ja einmal sehr gut an. Wenn man aber weiß, dass eh schon etwa 800.000 Bäume geplant waren, dann ist diese Million gar nicht mehr so großartig."

Jörg Steiner, Leiter der Unteren Naturschutzbehörde im Landratsamt Freising

"Wir können gar nicht alles kontrollieren. Die Landkreisfläche beträgt etwa 800 Quadratkilometer, 50 Prozent davon sind landwirtschaftliche Fläche und etwa 20 Prozent sind Wiesen. Größere Flächen müssen eigentlich von innen nach außen gemäht werden, Wiesen dürfen wegen der Brutzeit nur ab einem bestimmten Zeitpunkt - Mitte März - gewalzt werden. Es gibt zwar gutwillige Landwirte, die sich an die Vorgaben halten, andere aber halten sich nur daran, wenn es sanktioniert wird. Wir können mit unseren fünf dafür zuständigen Leuten aber nur Stichproben-Kontrollen machen, eine systematische Kontrolle ist nicht möglich.

Nötig wäre eigentlich, die Landwirte zu schulen, zu informieren und Werbung zu machen für die Maßnahmen, damit sie diese von sich aus umsetzen. Immerhin beteiligen sich viele von ihnen an Agrarumweltprogrammen - dem Bayerischen Vertragsnaturschutzprogramm oder dem Kulturlandschaftsprogramm. Landwirte, die auf freiwilliger Basis ihre Flächen nach den Zielen des Naturschutzes bewirtschaften, erhalten für den zusätzlichen Aufwand und den entgangenen Ertrag ein angemessenes Entgelt. Etwa 50 Prozent der Flächen in unserem Landkreis aber sind noch immer frei. Es ist also schon einiges passiert, aber noch viel Luft nach oben.

Was aber durch das Volksbegehren viel besser läuft ist unsere personelle Situation, wir haben inzwischen knappe zwei Stellen mehr. Und können deshalb Projekte anpacken, die wir bislang in der Schublade hatten. Wie beispielsweise einen großen Biotop-Verbund in den Isarauen zu schaffen. In Allershausen dagegen konnten wir durch ein Pflege-Nutzungs-Programm eine Kiesgrube erhalten, die ist inzwischen voll mit prallem Leben. Ich denke aber, dass drei Jahre zu kurz sind, um schon eine wirkliche Bilanz zu ziehen. Der Lebenszyklus der Tiere dauert ja viel länger. Biodiversität zu erhalten aber bedeutet mühsame und kleinteilige Arbeit."

Dominik Rutz, Vorsitzender des Imkervereins Wartenberg und Kreisrat der Grünen

"Also der Honigbiene, dem Maskottchen des Volksbegehrens, geht es relativ gut. Die hat uns Imker als Anwalt. Wildbienen aber haben keine Unterstützung durch Imker - und beim Volksbegehren ging es ja auch nicht alleine um die Honigbiene, sondern um die Artenvielfalt. Es ist aber schwierig, nach nur drei Jahren eine Aussage zur Biodiversität zu machen. Ich kann aber sagen, was sich in der Landschaft in meiner Umgebung verändert hat: Bei den Gewässerstreifen hat sich tatsächlich etwas verbessert, da wird nicht mehr ganz so nahe ans Gewässer hingeackert. Die Blühflächen dagegen sind weniger geworden, vor dem Volksbegehren gab es noch mehr - und das hat natürlich auch Auswirkungen auf die Bienen.

Bei der Politik sehe ich auf EU-Ebene kein wirkliches Umdenken. Die großen Landwirte werden nach wie vor gefördert, aber die Rahmenbedingungen müssten so geändert werden, dass auch die kleinen mitgenommen werden. Auf der kommunalen Ebene ist die Sensibilität für den Naturschutz inzwischen etwas größer geworden, aber dennoch muss noch immer Überzeugungsarbeit geleistet werden. Das war beispielsweise zuletzt bei dem Thema Lichtverschmutzung in unserer Gemeinde wieder der Fall.

Wenn aber die Maßnahmen des Volksbegehrens gut umgesetzt würden, könnte das die Auswirkungen des bereits spürbaren Klimawandels zumindest etwas abfedern. Der Klimawandel macht deutlich mehr Struktur in der Landwirtschaft notwendig. Da gibt es auch schon viele gute Ansätze, aber in der Umsetzung haperts dann doch noch. Ein wirkliches Umdenken in der Politik sehe ich leider noch immer nicht."

Manfred Drobny, Kreisgeschäftsführer des Bundes Naturschutz (BN) Freising und Erding

"Kernaussage ist: Es gibt Licht und Schatten. Die Datenlage ist mangelhaft und ein Monitoring, ob eigentlich das Ziel erreicht wird, fehlt auch. Das ist eine Art Blackbox. Dass die Staatsregierung sich lobt und behauptet, alles wurde umgesetzt, ist dreist. Das sieht man wunderbar am Beispiel Biotopverbund, da wird bei den Ackerrandstreifen eine Art Greenwashing betrieben. Diese nämlich sind für die Insektenvielfalt kaum nützlich. Bei uns ist es wie auf der Landesebene: Es gibt enorme Defizite. So müssten eigentlich Gewässerverläufe renaturiert, Heckenstrukturen verbessert, Waldstücke mit Biotopen vernetzt werden und aus blütenreichen Wiesen dauerhafte Blühstreifen entstehen. Bei den Wiesen selber scheint immerhin etwas zu passieren, ein Wiesenumbruch zumindest findet nicht mehr statt, das ist ein positiver Aspekt. Es heißt aber nicht, dass die Wiesen deshalb automatisch artenreich sind, das könnte man mit mehr Biolandwirtschaft erreichen. Aber auch bei diesem Ziel ist bislang nicht viel passiert. Gute Ansätze gibt es aber: Die staatlichen Auwälder an der Mittleren Isar zwischen Freising und Moosburg wurden aus der Nutzung genommen und werden zu einem Naturwald.

Grundsätzlich aber müsste sich bei der Landwirtschaftsförderung etwas verändern. Bei vielen Landwirten ist ein Bewusstsein zwar schon vorhanden, aber die Umsetzung ist schwierig. Falls ein Landwirt beispielsweise seine neu angelegte Wiese stehenlässt und nicht umbricht, bekommt er nach fünf Jahren keine Ackerförderung mehr - was für ihn einen finanziellen Verlust bedeutet. Das ist eine fehlgeleitete Landwirtschaftsförderung."

Jan Haft, meistprämierter Naturfilmer Deutschlands, Dorfen

"Durch das Volksbegehren ist der Naturschutz in das politische Tagesgeschäft angekommen - und das ist ein Meilenstein. Unglücklich bin ich aber darüber, dass der Naturschutz von der Politik als notwendiges Übel behandelt wird, er sollte aber eigentlich als eine Maßnahme für eine lebenswerte Zukunft mitgedacht werden, als positive Lebensphilosophie empfunden werden. Nach drei Jahren hat sich in beiden Landkreisen zumindest noch nicht viel getan, die auffälligste Veränderung sind die vielen Blühstreifen. Über diese freuen wir uns, sie sind schön - aber sie dienen eigentlich nicht dem Naturschutz. Die Veränderung, auf die ich dringend gewartet habe - nämlich, dass die Nutzung des Bodens von den Gewässern wegrückt - ist aber nicht geschehen. Die Gewässer wurden nicht wirklich entlastet, da gab es keinen großen Sprung nach vorne. Bei der Landwirtschaft ist es ähnlich: Bio ist noch immer bio, konventionell noch immer konventionell. Meine allerwichtigste Forderung aber wäre, die Tiere aus den Ställen auf extensive Weiden zu bringen, das würde extrem viel verändern - und nicht nur dem Tierwohl dienen. Das würde massiv dazu beitragen, den Rückgang der Insekten und der Biodiversität zu stoppen."

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