Eigentlich klingt es ja gut: Der Freistaat will Bürokratie abbauen. Was aber im Entwurf für das geplante „Modernisierungsgesetz Bayern“ zu finden ist, löst eine Protestwelle aus. Ein Grund dafür ist die sogenannte Freiflächengestaltungssatzung. In dieser legen Kommunen beispielsweise fest, ob Schottergärten erlaubt sind, welche Gehölze angepflanzt werden müssen, wie Vorgärten zu begrünen sind und ob man Stellflächen pflastern kann oder wasserdurchlässig anlegen muss. Diese Satzung soll nun abgeschafft werden. Das bedeute, dass dann jeder machen könne, was er wolle, sagen Kritiker auch in Freising, die eine wachsende Zahl an Schotter- und Steingärten befürchten.
„Eine Streichung der Möglichkeit einer Satzung wäre eine Katastrophe“, sagt Freisings Stadtbaumeisterin Barbara Schelle. Mit Blick auf die Biodiversitätskrise, den notwendigen Hochwasserschutz und den Hitzestress in den Städten brauche es Regelungsmöglichkeiten für die Ortsgestaltung. Wenn diese wegfallen, könnten die eigentlich notwendigen Klimaanpassungsmaßnahmen zum Hitzeschutz nicht umgesetzt werden.
„Der Klimawandel bedeutet auch für die Städte eine große Herausforderung, wir müssen dringend handeln“, betont die Stadtbaumeisterin. In einem ersten Schritt wurde bereits das Klimaanpassungskonzept „Klaps 50“ erarbeitet, nun habe man den Auftrag, auch eine entsprechende Freiflächengestaltungssatzung zu erstellen. Diese sei für die Stadt ein wichtiges Steuerungsinstrument gegen eine noch größere Versiegelung und für mehr Grün. „Und dieses Instrument wird uns nun genommen.“
Ein Leben in der Stadt wird im Sommer nicht mehr möglich sein
Schelle befürchtet eine unverträgliche Nachverdichtung in der Stadt, auch versickerungsfähige Freiflächen mit Schatten spendenden Bäumen seien dann nicht mehr planbar. Anstatt die aktuelle Entwicklung aufzuhalten, werde diese noch beschleunigt – in absehbarer Zeit werde man zumindest im Sommer in der Stadt nicht mehr leben können, sagt sie. „Der Wegfall der Regelungsmöglichkeiten wäre grottenfalsch, denn dadurch wird der Stadt die Planungs- beziehungsweise Steuerungsmöglichkeit genommen.“
Die Konzepte zu Klimaanpassungsmaßnahmen fördere der Freistaat. Die Grundlage für deren Umsetzung nun zu zerstören, sei absurd. Geschuldet sei die geplante Änderung wohl dem Lobbyismus der Bauwirtschaft, sagt Schelle. „Das wurde politisch geschrieben, Experten haben sich da offensichtlich nicht einbringen dürfen. Was man dort findet, entspricht dem Stand der Siebzigerjahre.“
Bislang ist die Stadt Freising die einzige Kommune in den Landkreisen Freising und Erding, die sich für eine Freiflächengestaltungssatzung entschieden hat. In Moosburg hat zwar die CSU-Fraktion im Stadtrat im vergangenen September beantragt, eine solche zu erarbeiten, einen Beschluss dafür gibt es aber bislang nicht. In der Stadt Erding dagegen gebe es keine Pläne für eine solche, sagt Pressesprecher Christian Wanninger.
Viel wird in Erding, wie auch in den anderen Gemeinden in den beiden Landkreisen, über die Festschreibung in Bebauungsplänen gesteuert – dort ist dann beispielsweise zu finden, wie viele Bäume zu pflanzen sind oder dass alter, wertvoller Baumbestand erhalten werden muss. „Das Thema Klimawandel und die zunehmende Überhitzung der Städte haben wir aber im Fokus“, sagt Wanninger. Dafür finden sich im integrierten städtebaulichen Entwicklungskonzept Maßnahmen. So soll die Innenstadt durch mehr Bäume und Wasserstellen vor einer Überhitzung geschützt werden.
Je mehr Grünflächen, Bäume und Wasserflächen im Siedlungsbereich vorhanden sind, je besser diese geplant sind, desto kühler und wohnlicher bleibe der Bereich, sagt Christine Margraf, Leiterin des Naturschutzreferates beim Bund Naturschutz (BN) Bayern. Die wieder geöffnete Moosach in Freising beispielsweise halte die Innenstadt kühler. Aber auch als Lebensraum für Insekten, Vögel oder Igel seien innerstädtische Bereiche von großer Bedeutung. „Und je mehr Böden naturnah bepflanzt und nicht versiegelt oder verdichtet sind, umso mehr Regenwasser kann versickern und ins Grundwasser gehen, anstatt Sturzfluten zu verursachen“, erklärt Margraf. Vor allem die Schottergärten aber seien lebensfeindliche Hitzeinseln.
„Dass die Staatsregierung dieses wichtige Steuerungsinstrument unter dem Vorwand des Bürokratieabbaus nun abschaffen und damit offenbar sogar alle bestehenden Satzungen außer Kraft setzen will, ist ein Schildbürgerstreich, der niemandem nutzt“, sagt Margraf. Offenbar habe aber der große Protest von Kommunen, Architekten und Verbänden Wirkung gezeigt: Auf die völlige Streichung der Vorgaben solle wohl verzichtet werden, berichtet Margraf. In dem geänderten Gesetzentwurf sei aber nach wie vor enthalten, dass bestehende Satzungen außer Kraft treten sollen. „Wenn das bedeutet, dass die Kommunen nun alle Satzungen neu erlassen müssten, hätten ihnen CSU und Freie Wähler einen Bärendienst erwiesen – nämlich mehr statt weniger Verwaltungsaufwand.“
Die allgemeine Grünpflicht bietet keinen wirklichen Ersatz
Zu den Kritikern zählt auch der Moosburger Landtagsabgeordnete und Grünen-Fraktionsvize Johannes Becher. „Die Fans des Gartens des Grauens werden sich freuen“, sagt er. Denn nach der Abschaffung der Satzung dürfte auch Hausbesitzern eine ökologische Gartengestaltung nicht mehr vorgeschrieben werden, jeder dürfe seinen Garten dann so anlegen wie er will – er muss nur begrünt und wasserdurchlässig sein. Und das seien Schotter- und Steingärten mit einzelnen Töpfen mit Buchsbaum oder einem chinesischen Bambus eben auch. Die allgemeine Grünpflicht, die dann gelten soll, sei viel zu schwammig und biete keinen wirklichen Ersatz. „Die kann nicht wirkungsvoll sein“, kritisiert Becher. Eine Entbürokratisierung sei grundsätzlich zwar richtig – aber den Kommunen die Planungshoheit zu nehmen und diese Satzung zu streichen, ist für Becher ein „völlig falscher Ansatz“.