Flughafenerweiterung:„Für die Menschen in der Region ist das ein Schlag ins Gesicht“

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Schon 2011 treffen sich Menschen, um gegen den Bau einer dritten Startbahn des Münchner Flughafens zu demonstrieren. Der Kampf ist bis heute nicht vorbei. (Foto: Andreas Gebert/picture alliance / dpa)

Die Ansicht der Regierung von Oberbayern, der Planfeststellungsbeschluss für die dritte Startbahn habe unbefristet Gültigkeit, enttäuscht die Gegner des Projekts in der Region bitter. Sie kündigen heftigen Widerstand an.

Von Birgit Goormann-Prugger, Peter Becker, Petra Schnirch, Florian Tempel, Flughafen

Christian Magerl hatte am Montagvormittag gerade die Einladung zur Jahreshauptversammlung der Startbahngegner von „Aufgemuckt“ für den Donnerstag per Mail rausgeschickt, als sein Telefon klingelte und er zur jüngsten Entscheidung der Regierung von Oberbayern Stellung nehmen sollte: Die lautet, der „Planfeststellungsbeschluss für die Erweiterung des Münchner Flughafens ist unbefristet gültig“.

Auch wenn in der Pressemitteilung der Flughafen München GmbH (FMG) versichert wird, der Antrag, dies zu prüfen, „diente lediglich der Klärung des rechtlichen Status Quo und stellt keine Weiterverfolgung der Planungen zum Bau einer dritten Startbahn dar“, heißt das für die Startbahngegner im Flughafenumland doch ganz klar Folgendes: Auch die Pläne für den möglichen Bau einer dritten Startbahn haben jetzt unbefristet Gültigkeit. Und damit sind ihre schlimmsten Befürchtungen wahr geworden.

Magerl ist in Sachen Flughafenwiderstand seit über 40 Jahren einiges gewohnt, dennoch klingt er am Montag getroffen: „Man fühlt sich einmal mehr verarscht“, sagt er. Obwohl die Entscheidung der Regierung von Oberbayern in dieser Hinsicht zu erwarten gewesen sei. „Die genehmigen ja fast alles vom Flughafen.“

Für die FMG war in gewisser Weise Eile geboten, denn das Haltbarkeitsdatum für den Planfeststellungsbeschluss zum Bau einer dritten Startbahn im Erdinger Moos läuft im Frühjahr 2026 zehn Jahre nach seinem Inkrafttreten ab. Deshalb hatte die FMG beim Luftamt Süd den Antrag gestellt, die Gültigkeit unbefristet zu verlängern. Zur Begründung heißt es, man habe schon mit Baumaßnahmen begonnen, die mit der dritten Startbahn verknüpft seien. Die Argumentation insgesamt sei teilweise aber sehr hanebüchen, so Magerl. „Seit 40 Jahren wird über den Bau des Erdinger Ringschlusses berichtet. Jetzt zu sagen, man habe das nur wegen der dritten Startbahn geplant, ist abwegig“, sagt er.

Die FMG und letztlich auch der Freistaat hätten die Planung für den Bau der dritten Startbahn in keinster Weise aufgegeben. Das lese sich ganz deutlich auch aus dem Antrag der FMG heraus, sagt Magerl. Auf der Seite 19 heiße es da: „Die bereits ins Werk gesetzte Planungskonzeption der FMG gilt auch unverändert für die noch nicht umgesetzten Maßnahmen.“

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Der Münchner Flughafen darf unbefristet erweitert werden. Das stellt die Regierung von Oberbayern fest. Ein besonders umstrittenes Großprojekt soll dennoch nicht weiterverfolgt werden – zumindest vorerst. Mögliche Klagen und Proteste sind bereits angekündigt.

Also die dritte Startbahn. Ein paar Zeilen weiter sei zu lesen: „Schon deshalb bestehen keine Zweifel, dass der Freistaat Bayern als Gesellschafter der FMG hinter der Realisierung der dritten Startbahn und Landebahn am Verkehrsflughafen München steht.“

Seine Kampfeslust hat der langjährige Landtagsabgeordnete der Grünen indes nicht verloren. „Wir haben beim Flughafenwiderstand Münchhausen-Qualitäten. Wir sind immer wieder dazu in der Lage, dass wir uns an den eigenen Haaren aus dem Sumpf herausziehen und weitermachen.“ Die Tagesordnung für die Jahreshauptversammlung von „Aufgemuckt“ an diesem Donnerstag muss übrigens nicht groß geändert werden. Ein Sachstandbericht zum Thema Baurecht für die Startbahn stand ohnehin auf dem Programm. Der wird jetzt erweitert.

„Wir werden uns über weitere Schritte unterhalten“, erklärt Magerl. Dazu gehöre nicht nur eine Klage. „Ich gehe davon aus, dass wir auch wieder mal auf die Straße gehen und eine ordentliche Demonstration hinlegen werden. Wir werden das sicher nicht so sang- und klanglos vorübergehen lassen.“

Der Flughafenbau und der Kampf gegen eine dritte Startbahn hat in Freising schon eine lange Geschichte. Im Freisinger Stadtmuseum ist dem Thema ein eigener Raum gewidmet. (Foto: Johannes Simon)

Benno Zierer Landtagsabgeordneter der Freien Wähler, hat die Nachricht nicht wirklich überrascht. Nachdem es entsprechende Gerüchte gegeben hatte, habe er bereits im Juli durch eine Anfrage bei der Staatsregierung erfahren, dass die FMG beim Luftamt Südbayern einen „feststellenden Verwaltungsakt“ beantragt hatte. Es freue ihn, dass die Kreisgremien schnell reagiert hätten und an einem Strang ziehen, sagt der FW-Landtagsabgeordnete. Dadurch sei man vorbereitet. Natürlich ärgere ihn, dass dem FMG-Antrag stattgegeben wurde, damit habe er aber gerechnet. Nun werden – wieder einmal – die Juristen entscheiden.

Für Zierer ist es „ein totaler Wahnsinn, wenn wir den Leuten erklären, dass sie sich wegen des Klimawandelns einschränken sollen und gleichzeitig der Flughafen gepusht wird“. Die CSU „hat es nicht begriffen.“ Nach wie vor stehe die FW-Fraktion im Landtag einhellig hinter ihrem Beschluss gegen eine dritte Startbahn. Die Prognosen im Planfeststellungsbeschluss zur Entwicklung des Luftverkehrs seien bei Weitem nicht erreicht worden. Zum jüngsten Abfertigungschaos am Flughafen München meint Zierer: „Sie schaffen ja nicht einmal zwei Bahnen.“

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Landrat Helmut Petz, selbst Jurist, habe sich im vergangenen halben Jahr bereits mit Anwaltskanzleien in Verbindung gesetzt, so Zierer. Der Kreisausschuss ermächtigte ihn in der vergangenen Woche, unverzüglich Klage einzureichen, sobald eine entsprechende Entscheidung des Luftamts vorliegt. Der Kreistag muss noch zustimmen. Die Sitzung findet an diesem Donnerstag statt, dass die Zustimmung dann erteilt wird, davon geht der Freisinger Landrat Petz aus. „Und dann werden wir Klage einreichen“, versichert er. Politisch sei es in diesen Zeiten undenkbar, dieses Projekt zu revitalisieren. „Es fällt doch völlig aus der Zeit.“

Staatskanzleichef Florian Herrmann, Landtagsabgeordneter der CSU, kann laut eigenen Aussagen die Aufregung nach dieser Entscheidung nicht ganz nachvollziehen. „Ich sehe das nüchtern. Für mich ist politisch klar, dass die dritte Startbahn nicht kommen wird“, sagt er am Montag. „Um was es jetzt geht, ist eine rein juristische Frage“, erklärt Herrmann. Es sei umstritten, wie lange die Baugenehmigung für die dritte Startbahn gelte. „Sind es nur diese zehn Jahre bis 2026 oder ist sie schon bestandskräftig wegen anderer Maßnahmen wie dem Erdinger Ringschluss.“ Er könne nachvollziehen, dass die FMG diese Frage juristisch geklärt haben will. „Die politische Vorgabe ist für mich unzweifelhaft. Das Moratorium hat Bestand“, sagt Herrmann.

Ganz anders stellt sich das für den Grünen-Landtagsabgeordneten Johannes Becher dar. „Das, was wir befürchtet hatten, ist eingetreten. Für die Menschen und Kommunen in der Flughafenregion ist diese Rechtsauffassung der Staatsregierung für ein ewiges Baurecht ein Schlag ins Gesicht“, ließ er über eine Presseerklärung verkünden. Jahrelang sei die Region durch ein „auf Eis legen“ oder „,Photovoltaik statt 3. Startbahn’-Ideen“ beruhigt worden.

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Jetzt komme heraus, dass trotz alldem an der Verwirklichung der dritten Startbahn festgehalten werde und die Verjährung ausgehebelt worden sei. Laut Bescheid rechnet der Flughafen mit einer Realisierung der dritten Startbahn im Jahr 2035. Davor würden mehrere Hundert Hektar Erdinger Moos zubetoniert – das sei das Gegenteil von Klimaschutz. „Auf die Anwohner warten somit künftig noch viel mehr Fluglärm und Abgase. Der CSU sind die Menschen in der Region offensichtlich vollkommen gleichgültig.“

Die stellvertretende bayerische Ministerpräsidentin Ulrike Scharf (CSU) aus Erding war schon immer gegen eine dritte Startbahn. In ihrer Zeit als Umweltministerin von 2014 bis 2018 war sie das einzige Kabinettsmitglied, das sich offen dagegen aussprach. Als direkt gewählte Landtagsabgeordnete aus dem Landkreis Erding ließ man ihr diese einsame Position durchgehen.

„Die Kapazitäten am Flughafen sind ausreichend“

Wie viele andere ging auch Scharf davon aus, dass sich die Sache mit dem Ablauf der Zehn-Jahres-Frist ohne weiteres Zutun selbst regeln würde. Zur gegenteiligen Entscheidung der Regierung von Oberbayern sagt sie der SZ, dass sich dadurch zwar inhaltlich nichts ändere: „Ich bin davon überzeugt, dass wir keine dritte Startbahn benötigen. Die Kapazitäten am Flughafen sind ausreichend.“ Gleichwohl räumt sie ein, dass die Aufmerksamkeit und der Widerstand gegen eine dritte Startbahn notwendig bleiben.

Freisings Oberbürgermeister Tobias Eschenbacher (FSM) befand sich gerade mitten in der Haushaltsberatung des Finanz- und Verwaltungsausschusses des Stadtrats, als ihn die Nachricht von der Entscheidung der Regierung von Oberbayern erreichte. Er sei überrascht über das Vorgehen, sagt er in einer Besprechungspause. Bis jetzt habe die Stadt Freising trotz einer Anfrage noch keine Akteneinsicht erhalten. Diese wolle sich den Bescheid zustellen lassen, ihn Absatz für Absatz durcharbeiten, um dann weitere Schritte einzuleiten. Einen Monat hat die Stadt dafür Zeit. So lange währt die Klagefrist.

Eschenbacher wundert sich über den Ausschluss von Öffentlichkeit und Behörden, so als ob es sich um eine reine interne Angelegenheit zwischen Regierung und FMG handele. Dabei sei es durchaus eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse. Der Freisinger Oberbürgermeister verwies auf Widersprüche, die Landrat Petz schon mehrfach vorgebracht hat: Die Regierung hatte in der Vergangenheit auf Anfrage bestritten, dass der Bau des S-Bahn-Tunnels und der Ausbau des Straßennetzes etwas mit dem Bau einer dritten Startbahn zu tun habe.

Eschenbacher weist auf nachhaltige Folgen der Entscheidung der Regierung von Oberbayern hin. „Theoretisch ist es möglich, dass der Bau der dritten Startbahn auch in vierzig Jahren noch auf der Grundlage von 2016 durchsetzbar ist.“

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