"Warten auf Godot". Mit diesem Werk von Samuel Beckett könnte man durchaus die Bemühungen von Gemeinden überschreiben, die sich von der Deutschen Bahn den barrierefreien Ausbau ihrer Bahnhöfe wünschen. Genauso absurd wie das Theaterstück läuft seit Jahren das Begehren der Rathäuser in Eching und Hallbergmoos ins Leere. Es passiert nämlich: Nichts. Über die Irrungen und Wirrungen mit der Deutschen Bahn berichteten frustriert Echings Bürgermeister Sebastian Thaler, Gemeinderat Robert Wäger aus Hallbergmoos und Konrad Weinzierl, Behindertenbeauftragter des Landkreises Freising, in der jüngsten Bürgermeister-Dienstbesprechung.
Die Gemeinde Eching möchte seit langem ihren S-Bahnhof barrierefrei ausbauen. Menschen mit Handicap müssten derzeit weite Umwege in Kauf nehmen. Thaler berichtete, dass er bereits mehrere Anfragen an die Bahn gestellt habe. Antworten habe er entweder keine bekommen oder nur solche, mit denen er nichts anzufangen wisse. Alle Anläufe hätten einen "niederschmetternden" Ausgang genommen.
So ist eine Voraussetzung, eine Stufe höher in der Prioritätenliste zu rücken, die Zusage eines Zuschusses. Das letzte Förderprogramm sei aber 2016 aufgelegt worden. Eching bewarb sich, erhielt aber die Antwort, mit 4000 bis 5000 Fahrgästen sei der Bahnhof zu klein, um in den Genuss eines Zuschusses zu kommen. Beim nächsten wiederum hieß es, die Haltestation sei zu groß. "Es muss ja kein High-End-Ausbau sein", sagte Thaler. "Eine Rampe würde schon reichen."
Nicht barrierefrei ist der Zugang zum Echinger Bahnhof. Menschen mit Handicap müssen einen weiten Umweg in Kauf nehmen, um das Gleis zu wechseln.
(Foto: Marco Einfeldt)Wäger berichtete, dass sich die Gemeinde Hallbergmoos seit 14 Jahren mit dem barrierefreien Zugang zum S-Bahnhof beschäftige. "Wir würden auch selber zahlen." Von der Bahn hieße es aber stets, dann müsse der S-Bahn-Verkehr zum Flughafen unterbrochen werden. Zudem habe er den Eindruck, dass die Bearbeiter oder Bearbeiterinnen ihre Zuständigkeiten in Windeseile tauschten. Da habe mitunter schon mancher seine Position gewechselt, bevor er einen Antrag bearbeitet habe.
"Die Bahn blockiert, wo es nur geht", formulierte Weinzierl seinen Eindruck. Der Zugang zum Hallbergmooser Bahnhof sei 600 Meter lang. "Der Weg ist weit und gefährlich." Zumindest für einen Menschen mit Handicap. Und ein Fremder wisse schon gar nicht, wo er hin solle, beschrieb der Behindertenbeauftragte des Landkreises die Situation. Er hatte dies auch in seinem jährlichen Bericht im Kreistag gerügt.
Der Bahn wäre es recht, wenn die Gemeinden die Planung übernehmen
Thaler sagte, die Bahn habe signalisiert, dass sie für einen barrierefreien Ausbau bereit sei, wenn die Gemeinde in Vorleistung geht. Das heißt, die Kommune soll die Planung übernehmen. Dann sei man bei Kosten im Millionenbereich, stellte Thaler fest. "Und dann wissen wir nicht einmal, ob was passiert. Das ist eine absolute Frechheit."
Wäger berichtete, dass Hallbergmoos tatsächlich einen Plan zum Umbau des Bahnhofs hat fertigstellen lassen. Die Bahn habe aber nicht mitgeteilt, dass das von der Gemeinde beauftragte Planungsbüro nicht von ihr zertifiziert sei. "Die haben nichts gesagt, sondern uns einfach machen lassen."
Bei der Bahn landet man oft im Niemandsland
Bei der Bahn weiß die linke oft nicht, was die rechte Hand tut. Dieser Eindruck drängt sich Landrat Helmut Petz auf. "Die Bahn ist ein Konglomerat, in dem keiner durchsteigt", schilderte er seinen Eindruck. Es handele sich um ein ausgeklügeltes Konzept. Oft lande man im Niemandsland. Gut sei zu wissen, wen man ansprechen müsse, um zum Ziel zu gelangen. Der Münchner Verkehrsverbund stehe da als Vermittler zur Verfügung.
"Die Kommunikation haut nicht hin", beschrieb Petz aus eigener leidvoller Erfahrung. Von einer Urlaubsreise zurückkommend, wartete er am Flughafen auf die S 1. Vergebens. Keine S-Bahn und keine Tafelanzeige, die erklärte, warum keine auf dem Gleis wartete. Der Landrat, auf der Suche nach Informationen, hangelte sich am Flughafen durch und stieß irgendwann auf einen Busfahrer, der ihm erklärte, dass eine Betriebsstörung vorliege.
Die weitere Spurensuche führte dann zur Leitstelle am Ostbahnhof. Dort sitzen die Abteilung, die für Störung zuständig ist, und diejenige, die den Fahrgästen Informationen vermitteln soll, nicht weit von einander entfernt. Sie sind aber nicht durch EDV miteinander verbunden, sondern die Besatzung der Störungsstelle müssten laut genug reden, dass ihre für Information zuständigen Kolleginnen und Kollegen Zwischenfälle mitbekämen und melden könnten. "Unglaublich", sagte Petz. So ein Hightech-Unternehmen wie die Bahn schaffe oft die banalsten Dinge nicht.
Selbst verspätete Regional- oder Fernzüge haben Vorrang vor der S-Bahn
Ebenso sind die notorischen Verspätungen auf der Strecke der S 1. Die kommen unter anderem dadurch zustande, dass der Regional- oder Fernverkehr Vorrang vor dem Nahverkehr hat. Die S-Bahn muss warten. Das hat den Effekt, dass an manchen Schulen keine Prüfungen in der ersten Stunde mehr stattfinden können, denn es ist nicht gewiss, ob Schülerinnen und Schüler ob der Verspätungen pünktlich zum Unterricht erscheinen. Petz verweist da auf die Schweiz, wo pünktliche Züge Vorrang vor verspäteten haben.
Die Beteiligten wollen aber die Flinte noch nicht ins Korn werfen, sondern versuchen, die Bundestags- und Landtagsabgeordneten für ihre Zwecke einzuspannen. "Die Zeit ist günstig", stellte Petz fest. Denn es stünden Wahlen bevor.