Energiewende:"Elektromobilität und erneuerbare Energien - ein perfektes Team"

Lesezeit: 3 Min.

Ladestation in Hallbergmoos für Elektro-Autos. Aktuell gibt es etwa 100 öffentliche Ladepunkte im Landkreis und der Ausbau schreitet schnell voran. (Foto: Johannes Simon)

Hubert Vachenauer war 41 Jahre in der Automobilentwicklung tätig und ist nun zertifizierter Berater für E-Mobilität. Den Landkreis lobt er für seine Bemühungen, die Verkehrswende voranzutreiben.

Von Marius Oberberger, Freising

"Man würde sich wünschen, dass andere Kreise genauso aktiv wären!" Hubert Vachenauer lobte in seinem Vortrag für die Agenda 21 am vergangenen Dienstag die Bemühungen des Landkreises, die Wende zur E-Mobilität voranzutreiben. Er war 41 Jahre in der Automobilentwicklung tätig und ist nun zertifizierter Berater für E-Mobilität, entsprechend deutlich tritt er für die Vorteile elektrischer Fahrzeuge ein.

Für ihn spricht bereits der volkswirtschaftliche Aspekt massiv für die E-Mobilität: Die Wertschöpfung findet in der Region durch erneuerbare Energien statt, was den teuren Import von fossilen Kraftstoffen ersetzt. 2019 wurden im deutschen Straßenverkehr etwa 70 Milliarden Liter Benzin und Diesel verbraucht, die deutschen Rohölimporte lagen 2016 bei 91 Millionen Tonnen. Dutzende Milliarden Euro fließen jährlich für diese Importe ab, größtenteils ins außereuropäische Ausland. Vachenauer erklärt, dass insbesondere der ländliche Raum durch den lokalen Ausbau von Windkraft und Photovoltaik sehr hohe Verdienste erschließen könne. Bereits eine kleine Windkraftanlage mit 1500 kW Leistung könne den Jahresverbrauch von 1000 E-Autos decken, deren Verbrenner-Pendants Kraftstoff im Wert von 1,3 Millionen Euro jährlich verbrauchen würden. Insbesondere ländlichen Gemeinden, die oft ein Drittel ihres Energieverbrauchs im Verkehrssektor haben, könnten damit lokale Wertschöpfung betreiben.

Vachenauer hebt auch die Effizienz elektrischer Antriebe hervor: Da E-Autos direkt mit elektrischem Strom geladen werden, seien Lieferkette und Verarbeitungsschritte für den Treibstoff minimal - anders als bei fossilen Kraftstoffen, die einen viel niedrigeren Wirkungsgrad hätten. Während E-Autos 70 Prozent der eingebrachten Energie zum Antrieb nutzen würden, liege bei Verbrennern dieser Anteil bei lediglich 20 Prozent und ein enormer Anteil werde als Wärmeenergie abgegeben. Dies könne man an der Temperatur von Verbrennungsmotoren und Auspuffen erkennen. Laut Vachenauer seien E-Autos bereits mit dem aktuellen Strommix, der zu weniger als 50 Prozent aus erneuerbaren Energien besteht, klimafreundlicher als Verbrenner. Der Ausbau der regenerativen Energien vergrößere dieses Vorteil deutlich.

In Kammerberg steht bereits ein Windrad der Bürger-Energie-Genossenschaft. (Foto: Marco Einfeldt)

Wenn der Verkehrssektor zunehmende elektrifiziert wird, steigt der Strombedarf signifikant an. Die Elektrifizierung aller 45 Millionen deutschen Autos würde 100 TWh Strom jährlich benötigen, etwa ein Sechstel des aktuellen Jahresverbrauchs. Erneuerbare Energien erzeugten 2021 234 TWh Strom. Doch werden sehr viele E-Autos gleichzeitig geladen, würde das Stromnetz massiv belastet. Vachenauer sieht in den E-Autos aber ein "wahnsinniges Potential, was unsere Stromnetze betrifft": Das Auto könne als mobiler Speicher Strom aufnehmen, wenn er günstig am Markt verfügbar sei und ihn wieder abgeben, wenn der Preis ansteige. Für dieses sogenannte bidirektionales Laden sei die Technik bereits in den Autos vorhanden, so Vachenauer. Damit könnten Akkus von E-Autos zur Netzstabilisierung beitragen.

Kritikerinnen und Kritiker der E-Mobilität verweisen darauf, dass das deutsche Stromnetz gar nicht in der Lage wäre, ausreichend E-Autos aufzuladen. Einerseits schwankt die Produktion von erneuerbarem Strom mit den Verfügbarkeiten von Wind und Sonne, andererseits würden die Netze bei einem gleichzeitigen Laden zu vieler Autos überlastet. Aber ein dynamisches Lastmanagement der Netze löse diese Probleme, so Vachenauer: Die Leistung der Ladeinfrastruktur werde bei Bedarf heruntergeregelt, wodurch das Laden der Autos länger dauere. Dies stelle im Alltag kein Problem dar, weil auch niedrige Leistungen der Ladeinfrastruktur die Autos über Nacht aufladen könnten.

Photovoltaik-Anlagen auf privaten Hausdächern erzeugen Strom, um das eigene E-Auto zuhause kostenlos aufzuladen. Machen Privatverbraucherinnen und -verbraucher den Ladepunkt öffentlich zugänglich, können sie daran sogar noch verdienen. (Foto: Johannes Simon)

Einzelpersonen und Familien sollten vor Anschaffung eines E-Autos die Wirtschaftlichkeit durchrechnen: Wann wiegt der im Vergleich zu fossilen Kraftstoffen günstigere Strom den meist höheren Anschaffungspreis auf? Insbesondere bei Nutzung der zahlreichen Fördermöglichkeiten ist die Ersparnis durch E-Autos schnell deutlich, vor allem bei verhältnismäßig langen und regelmäßigen Fahren, so Vachenauer. Dazu komme der im Vergleich zu Verbrennern zumeist deutlich günstigere Service.

Abgesehen von den Anschaffungskosten machen sich viele Interessierte Gedanken um die Lademöglichkeiten. Zur Ladeinfrastruktur im Kreis Freising hatten die Solarfreunde Moosburg in der vergangenen Woche ein Webinar veranstaltet. Werner Hillebrand-Hansen, Vorstand der BEG Freisinger Land erläuterte, dass es Ende 2021 etwa öffentliche 100 Ladepunkte im Landkreis Freising gab. Eine Ladestation besteht oft aus zwei bis drei Ladepunkten, wo man je ein E-Auto aufladen kann. Damit kämen auf einen öffentlichen Ladepunkt im Landkreis etwa zwanzig elektrische Autos. Hillebrand-Hansen sieht keine Engpässe bei der Ladeinfrastruktur: In Norwegen, das als Vorbild beim Ausbau der E-Mobilität gilt, kämen auf einen öffentlichen Ladepunkt 57 E-Autos, was auch ausreiche.

Ein öffentlicher Ladepunkt für Elektro-Autos in Moosburg. (Foto: Johannes Simon)

Hillebrand-Hansen plädiert dafür, zwischen drei Arten von Laden zu unterscheiden: Dem Immerladen, das regelmäßig zuhause oder auf der Arbeit geschehe, dem unregelmäßigen Überallladen an öffentlichen Ladepunkten, und dem Schnellladen, das vor allem für lange Strecken wie Urlaubs- und Geschäftsreisen wichtig sei, da dafür die Akkukapazität nicht ausreiche. Bis 2030 hält er etwa 1000 öffentliche Ladepunkte im Landkreis für nötig, der Ausbau schreite bereits schnell voran.

Der Ausbau von Ladeinfrastruktur ist für Vachenauer und die Engagierten der Agenda 21 nicht nur Sache von Kommunen und Unternehmen: Sie appellieren dazu, private Ladepunkte öffentlich zugänglich zu machen, was die Ladeinfrastruktur voranbringe und Verdienstmöglichkeiten eröffne, sowie Photovoltaik zuhause auszubauen. Denn für sie gilt, wie der Titel von Vachenauer Vortrag lautete: "Elektromobilität und erneuerbare Energien - ein perfektes Team".

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