Freising:Der Schuh des Weihnachtsbaums"

Der Neufahrner Werner Berlinghof beschreibt in seinem Buch die 400-jährige Geschichte des Christbaumständers _ der ist auch im Sommer seine große Leidenschaft.

Birgit Grundner

Im Haus von Werner Berlinghof herrscht Weihnachtsstimmung - mitten im Juni. Aus einer Walzenspieldose, so groß wie ein Keyboard, erklingt "Es ist ein Ros' entsprungen", und auf dem Tischchen im Wintergarten liegt ein Buch über Christbaumständer und deren 400-jährige Geschichte. Die Abbildungen zeigen ausschließlich Exponate aus Berlinghofs eigener Sammlung: Fast 130 Christbaumständer hat der Neufahrner über die Jahre zusammengetragen und fotografiert für den Bildband, der jetzt herausgekommen ist.

Der Zeitpunkt scheint nicht gerade ideal, spielt aber für Werner Berlinghof keine Rolle. "Ich bin zeitunabhängig", betont er. Gerade, wenn ihm etwas Freude bereite. "Irgendwann muss ich das mal zu Papier bringen", habe er sich gedacht, wenn er sich zur Osterzeit mit Weihnachten beschäftige, dann sei ihm das "völlig gleichgültig". So wurde die Dokumentation über den "Schuh des Weihnachtsbaumes" eben ein Sommerbuch.

Es beschreibt, wie sich Christbaumständer vom groben Holzklotz im 17.Jahrhundert über schlichte Balkenkreuze zu fantasievollen und teils filigranen Ständern aus Eisen und Guss entwickelt haben. Die Fotos zeigen richtige Kunstwerke, verziert mit Engel-, Krippen- und Nikolausfiguren oder mit Stern-, Lebkuchen- und Blütenornamenten. Aber zu den Lieblingsstücken von Werner Berlinghof gehören die "Musikwerke" - also Christbaumständer, die Lieder abspielen. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts gab es solche mechanischen Meisterstücke und Produkte höchster Handwerkskunst. Man erfreute sich daran nicht nur zur Weihnachtszeit. So waren bei manchen die Platten und Teile austauschen: Aus dem Christbaumständer, der Weihnachtsmusik spielt, wurde etwa eine drehbare Fruchtschale, aus der weltliche Lieder klangen.

Werner Berlinghof ist weit über 80Jahre alt und Sammler aus Leidenschaft. Technische und mechanische Gebrauchsgegenstände mit ihrer oft unbemerkten Ästhetik interessieren den ehemaligen Ingenieur besonders. "Wenn erst mal die Lust geweckt ist, muss man viel tun, um die Bremse wieder reinzukriegen", weiß er: "Dinge, die ich schön finde, möchte ich gerne haben" - und das nicht nur in Einzelexemplaren, sondern als ganze Serie, die auch die Entwicklung eines Gegenstands dokumentiert. Unter diesen selbst gesetzten Vorgaben sammelt Werner Berlinghof zum Beispiel Turmuhren, Blechspielsachen, Spieldosen, Kameras, Schellackplatten und Grammophone. Früher ist er mit einer Auswahl seiner 11000 Schallplatten und einem Grammophon schon mal in ein Münchner Altersheim gefahren, um den Senioren damit einen Abend lang eine Freude zu machen.

Berlinghofs Haus ist ein wahres Museum, und eine Zeitlang hatte er mit dem inzwischen verstorbenen Neufahrner Kameramann Helmut Ammon auch überlegt, ein externes Museum einzurichten. "Wir hatten das alte Mesnerhaus sogar schon ausgemessen", erinnert er sich. Das Vorhaben hat sich aber wieder zerschlagen.

Im Rathaus ist aber zumindest ein besonderes Exponat zu sehen: Berlinghof hat die über 100 Jahre alte und in den 60er Jahren ausgemusterte Mintrachinger Kirchturmuhr in rund 250-stündiger Arbeit auf Vordermann gebracht und der Gemeinde gewissermaßen zum 1200. Geburtstag geschenkt. Sie steht nun im ersten Stock des Rathauses und hat schon viele bewundernde Blicke auf sich gezogen.

Eine Ausstellung der Christbaumständer wird es wohl eher nicht geben. Immerhin wiegt Berlinghofs Sammlung über eine Tonne und ist gar nicht so leicht zu transportieren. Auch müsste man erst einmal einen geeigneten Platz für eine Ausstellung finden. Das Buch gibt es schon zu kaufen. (Bücher Bernard, ISBN Nummer 3-9803689-2-0. Es kostet 64 Euro).

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