Die harten Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie treffen auch die Menschen im Landkreis Freising auf den unterschiedlichsten Ebenen. Für manche bedeuten sie nur Einschränkungen in ihrem Freizeitverhalten, die weitaus meisten haben aber konkrete Sorgen - ob es nun um Gefahren für die eigene Gesundheit, um die schwierige Betreuung der Kinder oder die Rettung des eigenen Geschäfts oder Unternehmens geht. Die Freisinger SZ gibt in einer kleinen Serie Einblicke in das Leben der Menschen im Krisenmodus.
Der Marktbeschicker
Norbert Baumgartner, Eigentümer eines landwirtschaftlichen Betriebs in Lerchenfeld und Marktbeschicker, hatte vergangene Woche schon so eine Ahnung, dass der Freisinger Wochenmarkt fürs Erste ausfällt. "Das hat mich nicht überrascht", sagt Baumgartner angesichts dessen, was er in den Tagen vor dem Lockdown von seinem Stand aus beobachtet hatte. "Das war ein schlimmes Gewusel", schildert er. "Die Leute haben keine Sicherheitsabstände eingehalten." Er selber habe ein ungutes Gefühl gehabt und wäre aus eigenem Antrieb dem Markttreiben am Kriegerdenkmal ferngeblieben. "Meine Eltern sind alt und die Schwester ist schwanger", nennt er sein Motiv. Angesichts der Tatsache, dass sich viele Leute während der Corona-Krise so unbedarft verhielten, wollte er kein unnötiges Risiko eingehen. Weder für seine Angehörigen, seine Angestellten noch für sich selbst.
Die Bekanntgabe der Stadt Freising, jetzt in der Luitpoldanlage mittwochs und samstags wieder einen Wochenmarkt zuzulassen, ändert an seiner Einstellung nichts. Baumgartner wird dem Geschehen weiterhin fernbleiben, obwohl dort mehr Abstand gehalten werden kann und entsprechende Markierungen angebracht sind. "Das muss jeder selbst entscheiden", sagt er. "Wir halten die Füße still ." Freising ist nach Ansicht Baumgartners ein Hotspot von Corona im Landkreis. Solange sich an dieser Situation nichts ändert und keine Klarheit herrscht, "bleiben wir daheim", bekräftigt Baumgartner. "Jeder hat da sein eigenes Schicksal zu tragen und muss für sich selbst entscheiden."
Baumgartner baut in seinen Gewächshäusern mit einer Fläche von 2000 Quadratmetern auch Blumen an. Er bangt bereits um die Beet- und Balkonsaison. Im Hofverkauf darf er Blumen nicht anbieten. Deshalb erwägt er, einen Onlinehandel einzuführen. Momentan bietet er Kunden an, Blumen nach Hause zu liefern. Doch das lohne sich erst ab einem Preis von 20 Euro, "aber nicht für ein paar Veilchen". Für jedes Produkt, das Baumgartner anbietet, gilt, dass es zunächst Kosten verursacht, sei es durch Aufzucht, Zukauf, Heizen oder die Arbeitskraft. Die können nur durch Verkauf wettgemacht werden.
Die Corona-Krise betrifft alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens, im Öffentlichen wie im Privaten. In der Serie fragt die Freisinger SZ bei Menschen im Landkreis Freising nach, wie es ihnen in der Krise geht und wie das Coronavirus ihren Alltag verändert.
Teil 1: Kinobesitzerin, Sportlerin und Pfarrer - "Man hängt total in der Luft"
Teil 2: Apothekerin, Verkäuferin und Bürgermeisterkandidat - Erstaunlich ruhig
Teil 3: Taxifahrer und Shuttledienst - Die Nerven liegen blank
Teil 4: Schachspieler und Zahnarzt - Nicht ohne Schutz
Teil 5: Marktbeschicker, Kirchenmusikdirektor und Tanzlehrer - Im Zwangsurlaub
Teil 6: Fahrlehrer und Physiotherapeutin - Banger Blick in die Zukunft
Teil 7: Landschaftsgärtnerin und Kletterer - Abgespeckte Gartentage
Teil 8: Familienzentrum und Volkshochschule - Honorarkräfte ohne Einnahmen
Teil 9: Lebensmittellieferanten, Caritas und Leseratte - Zustrom bei Lieferdiensten
Teil 10: Tankstellen, Makler und Fitnessstudios - Besichtigung mit Mundschutz
Teil 11: Standesbeamtin und Reisebüro - Brautpaare auf Abstand
Teil 12: Musikschule - Musikunterricht auf vielen Kanälen
Teil 13: Klinikclowns und Musikverein - Videovisiten und Videounterricht
Teil 14: Schneiderin und Nordallianz - Nähen, um zu helfen
Teil 15: Schwimmer, Nagelpflegerin und Beraterin - Radeln statt schwimmen
Teil 16: Clown und Friseurin - Der Bart bleibt dran
Teil 17: Tierheim, sozialpsychiatrischer Dienst und Entsorgungsunternehmen - Schmusen nach Feierabend
Teil 18: Eisverkäufer und Spediteur - "Gegessen wird immer"
Teil 19: Buchautorin - Ohne Publikum
Teil 20: Tierärztin - Immer schön Abstand halten
Teil 21: Bühnenbildner und Billardspieler - Physik statt Billard
Teil 22: Lungenfacharzt und Werbetechnik-Firma: "Die Krankheit zieht sich oft lange hin"
Teil 23: Kinobetreiberin und Radsportlerin: Kino mit Abstand
Teil 24: Kaminkehrer, Schneiderin und das Kaufhaus Rentabel: Arbeiten unter erschwerten Bedingungen
Teil 25: Neufahrner Freizeitbad - Der Zeitplan ist auf den Kopf gestellt
Die Tanzlehrer
Statt vor ihren Schülern tanzen Jonathan und Daniela Bartek im Moment vor einer Videokamera. Die Corona-Krise hat auch ihren Alltag vom einen auf den anderen Tag verändert, sie führen die TWS Move ADTV-Tanzschule in Freising, deren Türen sie, wie viele andere sportliche und kulturelle Einrichtungen, kurzfristig schließen mussten. Aber die beiden haben darauf schnell reagiert. In den Tagen nach der Schließung produzierte das Paar im Tanzstudio Videokurse für alle Tanzrichtungen, die sie anbieten: Paartanz, Kindertanz, Hip-Hop-Choreografien. "So konnten wir unseren Liveunterricht erst mal durch eine Onlinemediathek kompensieren, die wir all unseren Mitgliedern aufschlagsfrei zur Verfügung stellen", so Daniela Bartek. Nach und nach werden die beiden Tanzlehrer in den kommenden Tagen neues Material liefern. Und das kommt an. "Wer weiß, vielleicht übernehmen wir das ein oder andere in der Zeit nach Corona und ergänzen damit unser Angebot", sagt sie. Das Onlineangebot gibt ihnen außerdem die Freiheit, auch auf individuelle Wünsche ihrer Mitglieder einzugehen, fügt Jonathan Bartek hinzu.
Trotzdem bleiben Alltag und Einnahmen der Tanzschule nicht unberührt. "Unsere Kunden sind Gott sei Dank bisher sehr solidarisch, aber natürlich fallen große Projekte aus. Hochzeiten wurden abgesagt, zwei Tanzbälle müssen wahrscheinlich verschoben werden, Schulkooperationen liegen erst mal auf Eis. Das ist ein erheblicher Schaden", sagt der Tanzlehrer bedauernd. Er ist aber optimistisch, dass seine Tanzschule die Corona-Krise überlebt. Momentan arbeiten er und seine Frau vor allem abends, tagsüber müssen sie ihre zwei Kinder versorgen, die plötzlich zuhause sind. "Wir machen viel Büroarbeit und nutzen die Zeit, um an neuen Ideen zu arbeiten", sagt Jonathan Bartek - für die Zeit während und nach der Corona-Krise.
Der Kirchenmusikdirektor
Matthias Egger ist seit 2016 Kirchenmusikdirektor am Freisinger Domberg und er hatte immer reichlich zu tun. Jetzt, kurz vor Ostern, hat er zu einer Zeit Urlaub, in der er eigentlich besonders viel beschäftigt gewesen wäre. Aber die Ostergottesdienste im Freisinger Mariendom werden in diesem Jahr nicht stattfinden. Für den Ostersonntag hatte Matthias Egger die Jubel messe von Carl Maria von Weber geplant, natürlich mit großem Orchester, doch die Proben wurden abgesagt. "Wir hatten uns schon sehr darauf gefreut, mussten unsere Tätigkeit aber aussetzen, wie so viel andere", sagte Egger, der jetzt laut eigenen Aussagen den Zwangsurlaub nutzt, um die vielen Urlaubstage, die er noch hat, abzubauen. "Was mir im Moment psychisch hilft, ist der Gedanke, aufgeschoben ist nicht aufgehoben", erzählt er im Gespräch mit der SZ.
"Ich möchte all die Termine, Konzerte und Probewochenenden unbedingt nachholen". Wann das stattfinden wird, dazu will Matthias Egger keine Prognose abgeben. "Obwohl ich ja eher ein Optimist bin, ich denke Schritt für Schritt und schau jetzt mal zwei Wochen weit. Aber ich fürchte, ich muss mich denen anschließen, die sagen, dass uns das alles noch länger begleiten wird."
Matthias Egger stammt aus Südtirol seine Familie lebt im Etschtal. "Dort sind sie glücklicherweise alle wohlauf, die Fallzahlen sind dort, verglichen mit der Einwohner zahl, nicht so hoch und ich habe regelmäßig Kontakt. " Jetzt sei dort gerade Spargelernte, und viele würden auf dem Feld arbeiten. Erschütternd seien jedoch die Nachrichten aus dem Süden der Region. Besonders in der Lombardei sei die Lage "wirklich sehr schlimm", erzählt Matthias Egger. Diese sehr "unfreiwillige Zwangspause" beschreibt Matthias Egger als einen "ganz eigenartigen Zustand". Dennoch versuche er, allem etwas Positives abzugewinnen. "Ich genieße die gemeinsame Zeit mit meiner Frau und ich sitze jetzt viel am Instrument und übe. Außerdem bin sehr froh, dass man noch rausgehen kann. In Italien sind die Einschränkungen viel strikter."