Corona-Forschung in Freising:"Wichtiges Computer-Werkzeug"

Jan Baumbach, Professor für Experimentelle Bioinformatik, hat mit seiner Forschungsgruppe die Analyseplattform CoVex entwickelt. Mit dieser will man schon zugelassene Medikamente zur Behandlung des Coronavirus finden.

Interview von Petra Schnirch, Freising

Gemeinsam mit seiner Forschungsgruppe wirkt Jan Baumbach, Professor für Experimentelle Bioinformatik an der TU München, an der Suche nach Behandlungsmöglichkeiten gegen das Coronavirus mit. Sie haben dafür eine Online-Datenanalyseplattform entwickelt, den sogenannten Coronavirus-Explorer (CoVex), Ziel ist es, geeignete und bereits zugelassene Medikamente zu finden. Die SZ Freising sprach mit Baumbach darüber, wie CoVex dazu beitragen könnte, das Virus zu bekämpfen. Die Plattform ist für jeden frei zugänglich unter https://exbio.wzw.tum.de/covex/.

SZ: Es klingt so einfach, mittels einer neuen Software ein geeignetes Medikament gegen Covid-19 zu finden, aber das täuscht vermutlich?

Baumbach: Stimmt, einerseits, aber andererseits eben auch nicht. Computer sind auch in der Medizin sehr leistungsfähige Werkzeuge für die Medikamentenentwicklung geworden. Und wir konzentrieren uns speziell auf Medikamente, die bereits zugelassen sind, nur eben nicht für die Behandlung von Covid-19, die aber eben mutmaßlich auch bei Covid-19 wirksam sein könnten.

Wie kann die von Ihnen und Ihrem Team entwickelte Online-Plattform zur Bekämpfung der Pandemie beitragen?

Mit unserem Coronavirus-Explorer (CoVex) lässt sich - mit medizinischem Sachverstand natürlich - am Computer und direkt im Web-Browser untersuchen, ob es Möglichkeiten gibt, bereits existierende und zugelassene Medikamente auch für Covid-19 quasi umzufunktionieren. Hier legt es unser CoVex speziell darauf an, nicht das Virus und seine Proteine direkt anzugreifen - wie die meisten bisherigen Medikamente. Stattdessen setzen wir darauf, die menschlichen Interaktionspartner der Virenproteine zu inaktivieren, weil das Virus viele davon benötigt, um sich fortzupflanzen. Und genau das kann man mit der CoVex-Plattform machen: Man kann sich solche menschlichen Interaktionsproteine anschauen und mit entsprechenden Algorithmen mögliche Medikamente suchen und bewerten.

Corona-Forschung in Freising: Die Zeit im Home-Office hat die Forschungsgruppe um Jan Baumbach genutzt, um die Datenanalyse-Plattform zu entwickeln.

Die Zeit im Home-Office hat die Forschungsgruppe um Jan Baumbach genutzt, um die Datenanalyse-Plattform zu entwickeln.

(Foto: Privat)

Was sind denn solche menschlichen Interaktionspartner?

Das sind menschliche Proteine, die das Virus benötigt, um zum Beispiel in die Wirtszelle des Menschen einzudringen oder sich in der zu vermehren. Davon gibt es ziemlich viele - hunderte, mit denen der Virus interagieren kann.

Wie lange hat die Entwicklung gedauert?

Der Prototyp entstand innerhalb von zwei Wochen Arbeit durch 15 unserer Wissenschaftler am Lehrstuhl für Experimentelle Bioinformatik der TUM am Wissenschaftszentrum Weihenstephan. Die Idee entstand recht früh und ich habe nach dem Lockdown zu Beginn unserer Zwangs-Home-Office-Zeit allen Entwicklern zwei Wochen "Corona-Urlaub" angeboten, in dem sie alle Forschungsprojekte ruhen lassen durften. Wir wollten uns voll auf die Entwicklung des Coronavirus-Explorers konzentrieren. Nach 15 Tagen gemeinsamer Arbeit fast rund um die Uhr und unzähligen Zoom- und Skype-Meetings stand fest: Wir sind nicht nur als Team noch stärker zusammengewachsen, sondern haben da auch etwas erschaffen, was vielen Forschern in der Welt helfen wird, bekannte Medikamente zu finden, die sich quasi indirekt gegen das Virus einsetzen lassen könnten, indem sie die relevanten Stoffwechselwege innerhalb menschlicher Zellen blockieren, die das Virus benötigt, um sich zu replizieren.

Wie wahrscheinlich ist es, ein geeignetes Präparat auf diesem Weg zu finden?

Mit CoVex finden wir bereits viele der Medikamente, die sich schon in klinischen Studien befinden. Das ist natürlich vielversprechend. Aber zusätzlich sehen wir noch einige hundert weitere mögliche Kandidaten. Diese werden jetzt von Kooperationspartnern und Wissenschaftlern auf der ganzen Welt geprüft. Ob der goldene Treffer dabei ist, wird die Zukunft zeigen.

Corona-Forschung in Freising: Jan Baumbach, 40, forscht seit Januar 2018 in Weihenstephan. Er entwickelt mit seinem Team künstliche Intelligenzen zur Personalisierung von Behandlungen in der Medizin und zur Aufklärung molekularer Prozesse.

Jan Baumbach, 40, forscht seit Januar 2018 in Weihenstephan. Er entwickelt mit seinem Team künstliche Intelligenzen zur Personalisierung von Behandlungen in der Medizin und zur Aufklärung molekularer Prozesse.

(Foto: Ricky John Molloy ; privat)

Was für ein Medikament ist nötig, um das Virus zu bekämpfen?

Eines, welches das Eindringen des Virus in die menschlichen Wirtszellen verhindert oder dort dessen Fortpflanzung unterbindet. Wir konzentrieren uns auf den zweiten Aspekt, weil wir hier für das Virus essenzielle, aber menschliche Proteine ins Visier nehmen können. Damit hätten es mögliche zukünftige Wellen des SARS-CoV-2 Virus deutlich schwerer, durch Mutationen des eigenen Genoms der Behandlung zu entkommen.

Wer füttert die Plattform mit Informationen?

Das machen wir zurzeit selbst. Genaugenommen ist CoVex "nur" eine Plattform, die die relevanten Informationen und Daten filtert und so miteinander verknüpft, dass sie durch geeignete Algorithmen leicht analysierbar werden - ein Forschungsfeld, das sich Systemmedizin nennt. Virologen und Mediziner können aber auch eigene Daten hinzufügen, welche jedoch direkt und ungeprüft in das CoVex-System übernommen werden und nach jeder Nutzung quasi direkt wieder vergessen werden.

Wie schnell könnte dies Erfolg bringen?

Da ist alles möglich: wenige Stunden oder nie. Die Frage ist, ob ein Mediziner oder Virologe mit CoVex den "goldenen Treffer" landet, diesen auch als solchen erkennt, ihn schnell testet, und dann auch zum Einsatz bringen kann.

Könnte ein Medikament, das auf diese Weise entdeckt wird, gleich eingesetzt werden?

Wie gesagt, ohne entsprechende klinischen Tests nicht. Aber, da wir uns im Wesentlichen auf bereits zugelassene Medikamente mit bekannten Nebenwirkungen und bekanntem Wirkmechanismus konzentrieren, sollte eine Zulassung zur Behandlung von Covid-19 innerhalb weniger Monate möglich sein - vorausgesetzt natürlich, dass das Kandidaten-Medikament auch tatsächlich gefunden wird und wirksam ist. Wir stellen mit CoVex dafür ein wichtiges Computer-Werkzeug zur Verfügung, aber wir sind keine Mediziner und überlassen die Anwendung den Profis. Ein Flugzeug-Konstrukteur kann zwar ein Flugzeug bauen, würde dann aber doch einen Piloten damit auf die Startbahn schicken.

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