Schule in Zeiten der Corona-Krise:"Das ist keine Normalität gerade"

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Ein Schüler, ein Vater und ein Schulleiter berichten, wie die coronabedingten Schulschließungen im Landkreis ihren Alltag verändern und wie man der Versuchung widersteht, sich durch Streaming-Plattformen ablenken zu lassen.

Von Thilo Schröder, Freising

In Jogginghose, Badeschlappen und Fleecepulli sitzt Konstantin Bergt am Schreibtisch in seinem Zimmer. Neben Büchern, Block und Textmarkern liegen seit gut einer Woche auch ein Tagesablaufplan und eine To-do-Liste darauf. So beschreibt der 17-jährige Schüler des Freisinger Domgymnasiums in einer kurzen Lernpause den heimischen Arbeitsplatz, gegen den er die Schulbank eingetauscht hat. Eintauschen musste, denn wegen der Ausbreitung des Coronavirus hat der Freistaat Schulen zunächst bis zum Ende der Osterferien schließen lassen.

Für Bergt und seine Mitschüler, aber auch für die Lehrenden bedeutet das eine grundlegende Umstellung des Unterrichts. Mebis, Bayerns zeitweise schwächelndes Online-Lernsystem, haben bislang nur wenige regelmäßig genutzt. "Es waren alle überfordert, bis auf jene Lehrer, die das schon verwendet haben", sagt Bergt. Allgemein sei die Lernsituation "sehr ungewohnt".

Er selbst komme mit der freien, von wachsamen Lehrerblicken abgeschirmten Zeiteinteilung gut klar. Er sieht den Vorteil, nun im eigenen Tempo zu lernen. "Ich bin zum Beispiel nicht so gut in Biologie, da kann ich mir mehr Zeit nehmen. In Mathe kann ich mir den Stoff, der in der Schule in 90 Minuten vermittelt wird, dagegen schneller aneignen." Arbeitsaufträge dauerten bei ihm nun insgesamt kürzer als in der Schule. In seinem Ablaufplan verordne er sich acht bis neun Stunden Schlaf statt bislang sechs bis sieben an Unterrichtstagen. Zwischen 7 Uhr und 7.30 Uhr aufstehen, ab 8.30 Uhr anfangen zu lernen, abends um 23 Uhr ins Bett: Was nach Stechuhr klingt, ist seine Methode, Strukturen zu erhalten. Drei bis vier Stunden verbringe er mit Lernen, dazwischen Essen und Erholung. Aber auch: die Steuererklärung machen, Bewerbungen aufsetzen, Mails schreiben. Dinge, die er sonst nachmittags nach der Schule erledige, integriere er nun flexibel, sagt der 17-Jährige. "Aber ich halte mich da jetzt auch nicht ganz streng dran." Manchmal schiebe er den Lernteil auf Abends bis 20 Uhr.

Der Schüler Konstantin Bergt muss während der Corona-Krise zuhause lernen. Er hat sich seinen Lernplan dafür genau durchgetaktet. (Foto: privat)

Auch für Eltern und Lehrer bedeutet die neue Lernsituation viel Umgewöhnung

Anstrengend ist die neue Lernsituation auch für Eltern, deren Beruf keine Anwesenheit im Betrieb erfordert. "Das ist halt eine Ausnahmesituation und was völlig Neues für alle", berichtet ein Moosburger, der coronabedingt nun von zuhause arbeitet. "Wenn du als Vater im Homeoffice arbeitest, bringt dich das halt ein bisserl draus, aber das geht schon." Sein Kind besucht das Gymnasium. Schulleitung und Lehrer seien "wirklich sehr bemüht und machen sehr viel, damit das alles irgendwie läuft", betont er. In der Folge gebe es eben viele Mails und Nachrichten im Elternportal. "Ist ja eigentlich was Positives", sagt er. Ein neues digitales Schülerportal entlaste zudem die Eltern als Mittelleute.

In seiner "leeren Schule" erreicht man Manfred Röder, Leiter des Domgymnasium. Bis auf einzelne Kollegen und eine Verwaltungskraft halte sich derzeit niemand dauerhaft auf dem Gelände auf. Die Kommunikation - über ein Info-Portal, über E-Mails oder telefonisch - verlaufe "sehr rege". Das Online-Lernsystem Mebis funktioniere "erfreulicherweise" inzwischen besser, werde gut angenommen. Verbesserungsvorschläge von Elternseite würden verständnisvoll angetragen.

Dennoch ist das heimische Lernen herausfordernd, laut Schüler Konstantin Bergt vor allem dann, wenn der Unterricht vom Erklären lebt: in Mathe, Physik oder Wirtschaft, "Versteh-Fächer", wie er sie nennt. Er berichtet von kreativen Lösungen von Lehrerseite: Eine Lehrerin habe Erklärvideos erstellt, entlang von Powerpoint-Präsentationen, mit Kommentaren und Beispielen. "Das ist wie kompletter Unterricht", schwärmt Bergt. "Aber man kann eben auf Stopp drücken." Andere böten Telefonsprechstunden an oder ermunterten per Mail, Fragen zu stellen.

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Ausgefeilte Digitalkonzepte seien die Ausnahme, sagt Bergt, viele Lehrer geben längere Lektüreaufträge auf

Gerade diese Möglichkeit werde seines Wissens nach aber wenig angenommen, sagt Bergt. Er mutmaßt: "Ich denke, dass die Leute ein bisschen Hemmung haben, dass es Überwindung kostet. Man fürchtet vielleicht, als Streber zu gelten." Er denkt kurz nach, sagt dann: "Das ist einfach keine Normalität gerade."

Ausgefeilte Digitalkonzepte seien Einzelfälle. "Viele stecken nicht so viel Arbeit in die Lehre wie sonst", kritisiert Bergt. "Manche haben zum Beispiel nur Buchkapitel angegeben, die man durcharbeiten soll. Diese Lehrer haben gerade ein entspanntes Leben", glaubt er. Die Nutzung von Lernmöglichkeiten hänge auch von Fach und Altersstufe ab, gibt Schulleiter Röder zu bedenken: je älter, desto mehr Langzeitaufträge, je jünger, desto exaktere Lernportionen. In Fächern wie Deutsch seien längere Lektüreaufträge also durchaus sinnvoll. Indes investieren auch Schüler ihre Zeit in anderes als Unterricht. Ablenkungsmöglichkeiten, etwa durch Streaming-Plattfomen, seien "eine sehr große Versuchung", räumt Bergt ein. Teils gerade durch das Online-Lernen bedingt: "Man googelt Mathe-Erklärvideos und schaut danach andere Videos an." Von einer Freundin wisse er, dass sie sich von ihrem Handy eine mahnende Meldung schicken lasse, um mehrstündige Ablenkungsphasen einzuschränken.

Dass der Freistaat den Beginn der schriftlichen Abiturprüfungen um drei Wochen verschoben hat, genau wie die Examina anderer Schulformen, finde er "extrem gut", sagt Bergt. Zudem finde die mündliche Prüfung deshalb ja erst zwei statt einer Woche danach statt, nach den Pfingstferien. So könne man sich gezielter vorbereiten.

© SZ vom 25.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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