Studieren in der Krise:Hochschulen schalten auf Online-Lehre um

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Menschenleer sind momentan Campus und das Unigelände in Weihenstephan. Studentinnen und Studenten wie Lehrkörper sitzen derzeit vor allem vor den Bildschirmen. Das Sommersemester 2020 startet, so wie es ausschaut, am 20. April größtenteils online. Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren. (Foto: Marco Einfeldt)

Findig gehen die Universitäten mit der Corona-Krise um, auch die in Weihenstephan. Voraussichtlich werden ab 20. April bis zu 80 Prozent der Vorlesungen online abgehalten. Die "Generation Smartphone" macht bereitwillig mit.

Von Petra Schnirch, Freising

Die TU München (TUM) und die Hochschule Weihenstephan-Triesdorf (HSWT) bereiten sich angesichts der Corona-Pandemie darauf vor, dass der Lehrbetrieb im Sommersemester weitgehend in digitaler Form stattfinden wird. Er denke nicht, dass man im April oder Mai 200 bis 300 Leute in einen Raum zwängen werde, sagt HSWT-Präsident Eric Veulliet. Das Sommersemester ganz ausfallen zu lassen, ist keine Option, wie TUM-Sprecher Ulrich Marsch betont. "Wir können es uns schlichtweg nicht leisten, viele Tausend Leute erst ein Jahr später in den Beruf zu schicken." Es wäre "ein fatales Signal", eine "Bankrotterklärung" für die deutsche Wissenschaft, wenn das Sommersemester nicht stattfinden könnte.

Ein mögliches Szenario ist laut Veulliet, dass der Start ein weiteres Mal verschoben wird. Für wahrscheinlicher aber hält er, dass es am 20. April losgeht, in digitaler Form. 70 bis 80 Prozent der Lehrveranstaltungen ließen sich "mit Flexibilität und Kreativität" auf diese Weise vermitteln. Die HSWT hat damit in den vergangenen Tagen und Wochen bereits Erfahrungen gesammelt. Der Semesterstart ist an den Hochschulen für angewandte Wissenschaften zwar offiziell um fünf Wochen auf den 20. April verschoben worden. Die digitalen Formate sind aber bereits gestartet. An den Universitäten soll in zweieinhalb Wochen ebenfalls, nach dem regulären Zeitplan, die Vorlesungszeit beginnen.

Die Umstellung, die auf zwei bis drei Jahre angesetzt war, soll jetzt in zwei bis drei Monaten umgesetzt werden

Sowohl an der HSWT als auch an der TUM wird seit Wochen intensiv an der Umstellung auf das E-Learning gearbeitet. Ein Prozess, der in vielen Bereichen ohnehin geplant war, für den aber eigentlich zwei bis drei Jahre angesetzt waren, werde nun in zwei bis drei Monaten umgesetzt, schildert Veulliet. Den Professoren bleibt dabei durchaus Spielraum, ihnen wird aber auch einiges an Eigeninitiative abverlangt. Die TUM unterstützt die Dozenten auf ihrer Homepage deshalb bei der Konzeption der Präsentationen. "Es läuft schon wahnsinnig viel", sagt Marsch.

Thomas Hannus, Professor für Handelsbetriebslehre an der Fakultät Gartenbau und Lebensmitteltechnologie der HSWT, erzählt, dass er den Studierenden beispielsweise Fallstudien zur Verfügung stellt, die sie bearbeiten können. Einige Kollegen hätten Power-Point-Präsentationen vertont oder Vorlesungen auf Video aufgezeichnet. Er selbst zeichne seine Formate daheim am Küchentisch auf, andere im Büro. Zur Vermittlung von Fakten und Methoden-Wissen funktioniere das gut. Die Online-Lehre habe aber ihre eigenen didaktischen Regeln. Er diskutiere im Hörsaal normalerweise viel mit den Studentinnen und Studenten. Den Diskurs, der sich dabei entwickelt, online nachzubilden, sei schwer, schildert Hannus. Deshalb "freue ich mich, wenn ich meine Studenten wiedersehe".

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Die Teilnahme am Digital-Unterricht geschieht auf freiwilliger Basis

Er betont aber auch, dass die Online-Angebote kein Notprogramm seien und ihre Vorzüge hätten. Beispielsweise könne man die Studierenden anleiten, wieder mehr Fachliteratur zu lesen, indem man dazu Fragen stelle - und sie können sich Vorlesungen öfters anschauen, wenn es ihnen zu schnell geht. Die meisten Lehrenden "steigen sehr sportlich" in das E-Learning ein, bilanziert Hannus, ebenso die Studierenden, "die Generation Smartphone".

Gleichwohl: Die Teilnahme am Digital-Unterricht geschieht auf freiwilliger Basis, darauf verweist HSWT-Präsident Veulliet. Denn nicht jeder verfüge über die notwendige Technik. In diesen Fällen könne das Semester nachgeholt werden. Die Reaktionen der meisten Studierenden seien aber sehr positiv, sie seien sehr dankbar. Noch hoffen Hochschulen und Universitäten, dass zumindest zum Ende des Sommersemesters ein Präsenzbetrieb möglich sein wird. Praktika und Arbeiten im Labor würden so weit wie möglich nach hinten verschoben, auf Juli oder August oder sogar auf das Wintersemester, wie TUM-Sprecher Marsch erklärt, Lehrinhalte aus dem Winter vorgezogen. Eric Veulliet spricht deshalb von einem "Flexisemester". Derzeit finden laut Marsch auch Gespräche mit dem Wissenschaftsministerium statt, damit Prüfungen in digitaler Form stattfinden können. Nachwirken wird das ungewöhnliche Sommersemester in jedem Fall. Einige der digitalen Inhalte werden erhalten bleiben, da ist sich Veulliet sicher.

© SZ vom 01.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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