Süddeutsche Zeitung

Freisinger im Krisenmodus:Vermummungsverbot am Steuer

Lesezeit: 4 min

Die Busfahrer dürfen selbst entscheiden, ob sie bei der Arbeit eine Maske tragen wollen, die Fahrgäste halten sich überwiegend daran. Auf dem Golfplatz könnte man den Betrieb sofort wieder starten, die ambulante Tagespflege der Arbeiterwohlfahrt rechnet nicht vor September damit.

Von Laura Dahmer und Gudrun Regelein, Freising

Die Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie treffen die Menschen im Landkreis auf den unterschiedlichsten Ebenen. Für manche bedeuten sie nur Einschränkungen in ihrem Freizeitverhalten, die meisten haben aber konkrete Sorgen - ob es nun um Gefahren für die eigene Gesundheit, um die schwierige Betreuung der Kinder oder die Rettung des eigenen Geschäfts oder Unternehmens geht. Die SZ gibt in einer Serie Einblicke in das Leben der Menschen im Krisenmodus.

Die Busfahrer

Ein Bus mit einer Handvoll Fahrgästen. Mittlerweile herrscht Maskenpflicht, in diesem Bus halten sich alle brav daran und tragen Mundschutz - außer dem Fahrer. "Das ist für uns einfach echt schwierig zu erklären", sagt Alfred Hadersdorfer, Inhaber des gleichnamigen Busunternehmens. Tatsächlich ist es so, dass seine Mitarbeiter, die vor allem Schul- und MVV-Busse durch den Landkreis fahren, keine Maske tragen müssen. "Hier widersprechen sich zwei Dinge: Die Maskenpflicht und das Vermummungsverbot im Straßenverkehr", so Hadersdorfer. Seine Fahrer dürfen es deshalb selbst entscheiden. Die Fahrgäste währenddessen halten sich, so scheint es, brav an die neuen Vorgaben. "80 Prozent tragen sie, hat man uns jetzt zurückgemeldet. Das ist gut."

Über andere Wege versucht das Busunternehmen, das Infektionsrisiko zu minimieren: Die vorderste Sitzreihe ist abgesperrt, Fahrgäste können nur über die hintere Tür zu- und aussteigen. Und wo kauft man dann seine Fahrkarte? "Gar nicht. Der Fahrkartenverkauf ist aktuell ausgesetzt", erklärt Hadersdorfer. "Wir hoffen, dass diejenigen mit Abos diese weiterbezahlen, ansonsten ist im Stadtverkehr natürlich mit Einbußen zu rechnen." Aktuell fahren die Busfahrer nach Ferienfahrplan, auch die Schulbusse, die das Unternehmen sonst einsetzt, fallen weg. "Nächste Woche wird wieder angekurbelt und nach dem regulären MVV-Plan gefahren. Für uns ist es gerade ein riesiges Glück, dass wir den Stadtverkehr betreiben", sagt Hadersdorfer. Einige seiner Mitarbeiter sind momentan in Kurzarbeit, einige Fahrzeuge stillgelegt - zum ersten Mal in der Unternehmensgeschichte, wie er anmerkt. Der Busunternehmer ist optimistisch, dass er die Krise gut übersteht. "Uns bricht zwar jeden Tag ein Umsatz im sechsstelligen Bereich weg. Aber es ist wichtig, dass der ÖPNV weiterläuft. Auch er ist systemrelevant."

Der Golfplatzbetreiber

Andreas Zeising wäre bereit. Und sein Golfplatz auch. "Unsere Greenkeeper haben in den letzten Wochen voll durchgearbeitet: Wir haben gemäht, nachgesät, bewässert und Forstarbeiten durchgeführt", sagt der Manager der Golfanlage Holledau. Jetzt könnte also wieder abgeschlagen werden - wenn man es denn dürfte. Noch ist Golf, genau wie alle anderen Sportarten, verboten. Zeising hat nur eingeschränkt Verständnis: "Auf 140 Hektar kann man wunderbar Abstand halten. Wahrscheinlich besser als beim Spazierengehen an der Isar oder im Fahrradladen", sagt er und hofft deshalb, dass Golfen als eine der ersten sportlichen Möglichkeiten bis Mitte Mai wieder möglich ist.

Ein Plan, mit dem der Betrieb auf dem Platz, 140 Hektar hin oder her, möglichst kontaktfrei laufen soll, liegt schon fertig in Zeisings Schublade. "Die Bunkerrechen werden entfernt, in die Löcher kommt ein Einsatz, damit nicht jeder Spieler die Fahnenstange selbst rausholen muss", so der Manager. Außerdem sollen Zweier- statt Viererflights angesetzt werden, mit großen Abständen und dem Hinweis, dass man erst unmittelbar vor seiner Startzeit auf dem Gelände erscheinen soll. Klar, Golf beinhalte normalerweise nicht nur das Spielen auf dem Platz, sondern auch die Gesellschaft und der anschließende Aufenthalt im Golfclub. "Aber es geht uns gerade überhaupt nicht darum, den Vor-Corona-Betrieb wieder hochzufahren, sondern vielmehr darum, den Leuten wieder Bewegungsmöglichkeiten zu bieten", sagt Zeising. Die Bewegung, die Sonne, frische Luft - auch all diese Aspekte seien schließlich gut für die Gesundheit. Zeising hofft darauf, dass der Golfplatz, sollte er denn bald wieder öffnen können, eine Art Freizeitidylle darstellen könnte. "Auch für all die, die nicht golfen, sondern dieses Jahr nicht zu ihren eigentlichen Urlaubszielen fahren können." Finanziell rechnet der Golfclub natürlich schon mit Umsatzeinbußen, "mit Glück kommen wir aber mit einem blauen Auge davon".

Die Arbeiterwohlfahrt

Ganz verwaist sind die Räume der Arbeiterwohlfahrt (AWO) Freising zwar nicht: die ambulante Pflege ist noch am Laufen. Die Tagespflege aber wurde schon Mitte März eingestellt. Auch die Gruppen, wie die Bingorunde oder die älteren Damen, die gemeinsam singen, dürfen sich nicht mehr treffen. "Die rufen mich ständig an und fragen, wann es endlich weitergeht", erzählt AWO-Vorsitzende Heidi Kammler. Gerade für ältere Menschen, die alleine leben, seien die Treffen enorm wichtig, berichtet sie. Die momentane Situation, die Isolation, sei für viele psychisch sehr belastend.

Normalerweise werden 16 Senioren von morgens bis zum späten Nachmittag in der Awo-Tagespflege betreut. Sie essen gemeinsam, musizieren, sitzen im Garten oder machen kleine Ausflüge. Jetzt müssen sie zu Hause bleiben, die Angehörigen müssen die Pflege übernehmen oder sie werden vom ambulanten Dienst betreut. "Auch für die Angehörigen ist das eine schwierige Situation", sagt Kammler. Viele müssten sich nun Urlaub nehmen. Mit den Patienten oder deren Angehörigen sei man zwar immer im Gespräch, "aber wir können ihnen ihr Hauptproblem nicht abnehmen."

Obwohl die Tagespflege nun geschlossen ist, mussten keine Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt werden, berichtet Kammler. "Die sind nun alle in der ambulanten Pflege tätig, das haben wir glücklicherweise so regeln können." Frühestens ab September werde es wieder normal weitergehen können. Wenn überhaupt: "Die ältere Generation ist sehr gefährdet, da muss man sehr aufpassen", meint Kammler. Sie sei dankbar, dass sich bislang kein Mitarbeiter oder Patient mit dem Virus infiziert habe. Die Hygieneregeln würden immer strikt eingehalten, während der Pflege tragen die Mitarbeiter nicht nur Masken und Handschuhe, sondern auch Schutzkleidung. "Wir versuchen alles, um eine Übertragung des Virus zu vermeiden." Sie verstehe zwar, dass die Menschen nach den langen Wochen der Beschränkungen wieder Lockerungen fordern, sagt Heidi Kammler. "Aber mit Blick auf die Senioren muss das ganz, ganz vorsichtig passieren."

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Quelle:
SZ vom 02.05.2020
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