Süddeutsche Zeitung

Betrugsfall in Freising:Pflegedienst soll Leistungen doppelt berechnet haben

Am Amtsgericht Freising wird der Fall zweier Schwestern verhandelt, die im südlichen Landkreis einen ambulanten Pflegedienst betrieben und dabei betrogen haben sollen. Einer der beiden droht wegen einer Vorstrafe das Gefängnis.

Von Alexander Kappen, Freising

Beim ersten Anlauf im Januar hatte Richter Manfred Kastlmeier den Betrugsprozess am Freisinger Amtsgericht gegen zwei Schwestern, die im südlichen Landkreis einen ambulanten Pflegedienst betrieben und dabei reihenweise Leistungen zu Unrecht abgerechnet haben sollen, ausgesetzt. Er konnte nicht ausschließen, dass die Strafgewalt des Amtsgerichts mit bis zu vier Jahren Haft für eine der beiden Angeklagten - sie ist vorbestraft - nicht ausreicht. Das Landgericht Landshut prüfte daraufhin den Fall und verwies ihn ans Amtsgericht zurück, wo er seit Dienstag nun neu verhandelt wird. Insgesamt sind bis Mitte Dezember sechs Verhandlungstage angesetzt, was in dieser Instanz eher ungewöhnlich ist.

Beim erneuten Prozessauftakt erinnerte viel an die Verhandlung im Januar. Wie damals spielte sich das Geschehen zunächst mehr als eine Stunde lang überwiegend hinter verschlossenen Türen ab. Das Schöffengericht, die drei Wahl- und zwei Pflichtverteidiger sowie die Staatsanwältin trafen sich auf Betreiben der Verteidigung zunächst im Richterzimmer, um in einem Rechtsgespräch eine mögliche Verständigung auszuhandeln. Dann beratschlagten sich die Verteidiger, wie im Januar, ausgiebig mit ihren Mandantinnen. Und dann platzte der Deal, der im Falle eines Geständnisses die Beweisaufnahme sowie den gesamten Prozess erheblich verkürzt hätte, doch wieder.

Wie im Januar waren es die beiden Angeklagten, die sich auf eine Verständigung nicht einlassen und "die Rechtsprobleme geklärt haben" wollten, wie die Verteidiger mitteilten. Dabei hatte der Richter klargemacht, dass bei der vorbestraften, 44 Jahre alten Inhaberin des Pflegedienstes unter Einbeziehung eines früheren Urteils des Landgerichts Landshut bei einer erneuten Verurteilung eine Bewährungsstrafe nur bei einem frühzeitigen Geständnis in Frage komme. Das Gericht hätte sowohl ihr als auch ihrer 38-jährigen Schwester, die in der Firma für die Erstellung der Abrechnungen zuständig war, bei einem Deal Bewährungsstrafen in Aussicht gestellt.

Laut Anklage sollen 58 Fälle des gewerbsmäßigen Betrugs vorliegen

Den beiden Angeklagten werden von der Staatsanwaltschaft 58 Fälle des gewerbsmäßigen Betrugs und zwei weitere Betrugsversuche zur Last gelegt. Die Inhaberin des Pflegedienstes soll mit Kunden neben Pflegedienstverträgen teilweise auch Service-Verträge für 24-Stunden-Haushaltshilfen abgeschlossen haben. Letztere Leistungen zahlten die Patienten privat, die Pflege wurde über Sozialkassen abgerechnet. Allerdings wurden laut Anklage bei der Abrechnung der Pflege auch Leistungen aufgeführt und abkassiert, die vom Haushaltsservice bereits erledigt und von den Patienten schon bezahlt worden sind. So soll den Sozialkassen ein Schaden von rund 60 000 Euro entstanden sein.

Auf den Fall sei man durch einen Hinweis des Zolls gestoßen, berichtete eine Kriminalpolizistin im Zeugenstand. Sie habe kartonweise Akten gesichtet, Tourpläne der Pflegekräfte, Diensteinteilungen und unterschriebene Leistungsnachweise mit den Abrechnungen verglichen, so die Polizistin. Da habe einiges nicht zusammengepasst. In die Schadensbilanz aufgenommen habe sie aber nur, was durch die Vernehmung von Zeugen - Patienten, Angehörige, Betreuer, Pflege- und Haushaltskräfte - belegbar sei. "Wenn man einen Vertrag für einen Haushaltsservice macht und einen für Pflegeleistungen, und in beiden stehen die selben Leistungen wie Waschen oder Anziehen, ergibt sich ein gewisser Anfangsverdacht", so die Kripo-Beamtin. Zeugen hätten bestätigt, dass die Haushaltskraft Leistungen erbracht und der Pflegedienst anschließend nur kurz zur Kontrolle vorbeigeschaut habe, um die Leistungen dann aber bei den Kassen abzurechnen.

Die beiden Angeklagten machten in der Verhandlung von ihrem Recht Gebrauch, ihre Aussage zu verweigern, zeigten sich dann allerdings bei der Zeugenvernehmung sehr redselig. Die beiden überhäuften die Polizistin mit Fragen beziehungsweise erläuterten dieser ihre Sicht der Dinge, so dass der Richter sie zwischenzeitlich einbremsen musste: "Jetzt ist die Zeugin dran, Sie hätten vorher die Möglichkeit gehabt auszusagen." In den kommenden Wochen sollen zahlreiche weitere Zeugen gehört werden.

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SZ vom 09.10.2019/lada
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