Coronapatient aus Au:"Sie haben gesagt: Du warst halt der Erste, der getestet wurde"

Coronavirus - Heinsberg

Martin Schmitz (Name geändert) gilt als mutmaßlich erster Corona-Infizierter im Landkreis Freising, vielleicht war er auch nur der erste Getestete. Vorurteile, sagt er, habe er deshalb kaum erfahren.

(Foto: dpa)

Mutmaßlicher Patient Nummer eins aus dem Landkreis Freising spricht mit der Freisinger SZ darüber, wie es ihm mit seiner Corona-Erkrankung erging.

Von Thilo Schröder, Au

Als sich der Landkreis Freising vor einigen Wochen zu einem Corona-Hotspot in Bayern entwickelt hatte, stand die Frage im Raum, wie das passieren konnte. Urlaubsrückkehrer und faschingsfreudige Bürger, darauf führten das Bayerische Gesundheitsamt und lokale Einsatzkräfte die schnelle Ausbreitung der Krankheit damals zurück. Die Spur des Virus, so wurde geschildert, sei mutmaßlich auf einen Mann aus Au zurückzuführen, der beim Karneval in Köln war. Die Freisinger SZ hat mit ihm gesprochen: darüber, wie es ihm jetzt geht, und wie sein persönliches Umfeld sowie Behörden und das Freisinger Klinikum auf die ersten Patienten reagiert haben.

Martin Schmitz heißt eigentlich anders. Er ist 49 Jahre alt, Familienvater und Kommunalpolitiker in Au. "Ich bin wieder auf der Arbeit, im systemrelevanten Umfeld", meldet er sich aus dem Homeoffice. Seine Stimme klingt am Telefon ruhig und gelassen. Wie er, als Patient Nummer eins im Landkreis Freising markiert, die zurückliegenden Wochen erlebt habe? "Wir haben sehr viel Solidarität erfahren, die Hilfsbereitschaft war da schon sehr groß, auch von der Firma wurden keine Vorwürfe gemacht", sagt Schmitz. "Vorurteile haben wir jetzt nicht direkt erfahren."

"Die meisten haben gesagt: Du hast es nicht mitgebracht, du warst halt nur der Erste, der getestet wurde"

Im Februar sei er mit seinem in Heinsberg lebenden Bruder beim Karneval in Köln gewesen. "Das machen wir seit 25 Jahren", sagt Schmitz. Zurück in Au habe er einen Faschingsumzug besucht, sei anschließend noch durch einige Wirtschaften gezogen. Als dann aus Heinsberg erste Corona-Fälle gemeldet wurden und er Fieber bekommen habe, sei er sofort zum Arzt gegangen, sagt er. Dann ging alles sehr schnell, Mitarbeiter vom Gesundheitsamt standen bei ihm vor der Tür: "Die Leute kamen mit Anzügen und Masken rein", erinnert sich Schmitz. Am 29. Februar war er ins Freisinger Krankenhaus gekommen. "Zwei Tage später kamen Bekannte, die sich infiziert hatten. Insgesamt seien sie in diesen Tagen 17 potenzielle Corona-Patienten gewesen. "Zwei von ihnen waren nicht so gut auf mich zu sprechen, aber die meisten haben gesagt: Du hast es halt nicht mitgebracht, du warst halt nur der Erste, der getestet wurde." Er selbst sagt: "Ich hätte mir das ja auch am Viktualienmarkt holen können."

In Isolation im Krankenhaus musste Schmitz ein Protokoll aller Kontakte der zurückliegenden Woche anfertigen. Er habe sich gewundert, dass daraufhin zwar ein Auszubildender aus seiner Firma kontaktiert worden sei, ein Comedian, der zu dem Zeitpunkt noch vor Publikum aufgetreten war, dagegen nicht. Schmitz mutmaßt, dass damals noch keine Prominenten isoliert werden sollten, aus Angst vor den Reaktionen in der Bevölkerung. Für ihn bedeutete der Klinikaufenthalt kurz vor der Kommunalwahl indes die Absage vieler Wahlkampftermine in der Marktgemeinde Au.

Schmitz musste vieles klarstellen in dieser Zeit: Mit wem er unterwegs war, ob er fremdgegangen sei

Neun Tage verbrachte Schmitz im Krankenhaus. Landrat Josef Hauner (CSU) habe erklärt, dass diese erste Welle von Patienten ein Testlauf für das Klinikum sei, um Abläufe zu überprüfen. "Das Personal war super freundlich", betont Schmitz. "Auch von außerhalb wurde immer was für uns getan." Von Seiten des Gesundheitsamts habe er hingegen eine "Überforderung und Angst" wahrgenommen.

Aus seinem Umfeld seien viele Fragen gekommen: Was er denn in Köln genau gemacht habe? Mit wem er alles gekuschelt habe? Schmitz musste vieles klarstellen in dieser Zeit: Nein, er sei nicht fremdgegangen; mit vier später Infizierten habe er mehrere Stunden gefeiert, mit zwei weiteren dagegen nur fünf Minuten geredet, sagt er. Mehrere private Fernsehsender hätten ihn außerdem im Krankenhaus angerufen, teils Geld für Berichte aus dem Isolierzimmer geboten. Schmitz lehnte alle Anfragen ab. "Es wird viel berichtet, viel geredet", sagt er. "Wenn man dabei war, sieht's doch ein bisschen anders aus." Als Anfang Februar viele Menschen mit Grippesymptomen in Kliniken eingeliefert wurden, könne ja auch das schon eine frühe Corona-Welle gewesen sein.

Wie viele, die sich mit dem Coronavirus mutmaßlich infiziert haben, tappt auch Martin Schmitz teilweise weiter im Dunkeln. Bei seinem kleinen Sohn sei damals ein Test positiv ausgefallen, bei seiner Frau um eineinhalb Wochen verzögert auch. Den älteren Sohn habe es scheinbar nicht erwischt, da seien mehrere Tests negativ ausgefallen. "Wir werden jetzt irgendwann einen Antikörpertest machen", sagt Schmitz. Erst dann weiß er: Er und seine Familie sind vorerst gegen Sars-CoV-2 gefeit.

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