Freising: Asamsaal:Im Bann des Rattenfängers

Die Tragödie ereignete sich vor mehr als 700 Jahren - und sie hat die Stadt Hameln weltberühmt gemacht. Am Wochenden tanzen junge Darsteller das Märchen.

Birgit Goormann-Prugger

Eine Tragödie im Jahr 1284 hat die Stadt Hameln einst weltberühmt gemacht: Glaubt man der Sage, entführte ein Rattenfänger aus Rache alle 130 Kinder aus der Stadt an der Weser. Der bunt gekleidete Mann hatte Hameln zuvor von einer Rattenplage befreit, seinen vereinbarten Lohn jedoch nicht erhalten. "Und wer sein Versprechen nicht hält, der wird eben bestraft", sagt Christina Ashton, die seit 22 Jahren in Freising eine Tanzwerkstatt führt.

Freising: Asamsaal: Katzen, Ratten und Mäuse beim Tanzprojekt "Der Pfeifer von Hameln": Alexandra, Stefanie, Adrian und Amelie (von links).

Katzen, Ratten und Mäuse beim Tanzprojekt "Der Pfeifer von Hameln": Alexandra, Stefanie, Adrian und Amelie (von links).

(Foto: Marco Einfeldt)

Sie hat zum Pfeifer von Hameln seit fast einem Jahr eine ganz besondere Beziehung, denn seitdem laufen bereits die Vorbereitungen für das Tanzprojekt, das sie am Samstag und Sonntag jeweils um 18 Uhr im Freisinger Asamsaal aufführt. Über 140 Kinder und Jugendliche im Alter von fünf bis 16 Jahren stehen dann auf der Bühne und tanzen diese geheimnisvolle und auch ein wenig gruselige Geschichte aus längst vergangenen Zeiten.

Eine der ganz kleinen ihrer jugendlichen Bühnenakteure, die in Tränen ausbrach, als sie vom Ende der Geschichte hörte, hat Christine Ashton dann fest versprechen müssen, dass sie vom musizierenden Rattenfänger nicht wirklich entführt und in eine andere Welt gebracht wird. "Bei der Aufführung verschwinden die Kinder natürlich, so will es die Geschichte, auch wenn das ein wenig brutal erscheint. Aber ich habe allen gesagt, dass sie zum großen Finale wieder auf die Bühne kommen und ihre Eltern dann wiedersehen", erzählt die ausgebildete Tänzerin.

In dem getanzten Märchen kommen alle Tanzstile, die in der Tanzwerkstatt unterrichtet werden zum Ausdruck. "Wir versuchen das Ganze modern zu gestalten". Die Ratsherren wurden von dem Freisinger Autor und Theaterexperten Reinfried Keilich zwar mit stilechten Perücken ausgestattet, doch ihren Auftritt tanzen sie zu Jazzmusik. Am gestrigen Freitag hat die Generalprobe stattgefunden. Profi-Visagistinnen haben die Buben und Mädchen da erstmals für ihren großen Auftritt geschminkt.

Eine Erzieherin, ein Lehrer und zwei Mütter sorgten hinter den Kulissen dafür, dass niemand Durst hatte und sich keiner in den dunklen Gängen fürchtete, als er auf seine Auftritt wartete. Das werden sie auch bei den Aufführungen an diesem Wochenende tun. "Vor allem die Kleinen müssen schon drei bis vier Stunden, die Vorbereitungszeit mit eingerechnet, ohne die Mama auskommen können, sonst geht das nicht", berichtet Christina Ashton von ihren Erfahrungen mit der Arbeit mit Kindern. "Bei mir wird zwar nicht mit Drill gearbeitet, aber es geht natürlich nicht, dass die Kleinen während der Aufführung ständig von der Bühne herab ins Publikum winken oder gar zu den Eltern laufen wollen. Da müssen sie schon hören."

Ältere Jugendliche längerfristig an ein solches Tanzprojekt mit vielen Proben zu binden, das sei in Zeiten von G 8 gar nicht mehr so einfach, erzählt die Tanzmeisterin mit dem staatlichen Diplom für klassischen Bühnentanz. "Gleich nach der Aufführung vom Pfeifer wollen schon wieder fünf Eltern ihre Kinder bei mir abmelden, damit sie mehr Zeit für die Schule haben. Und sie wollten das eigentlich schon vor der Aufführung tun, das habe ich aber noch verhindern können, ich plane ja mit den Darstellern".

Dabei bringe das Tanzen den Kindern und Jugendlichen enorm viel, da könnten sie sich mal so richtig auspowern. "Kinder, die tanzen, können viel besser mit Stress umgehen, die sind viel cooler", weiß Christina Ashton. Gar nicht so selten komme es vor, dass ihre Schüler später auch einen Beruf "im Bewegungsbereich" wählen. "Sie werden Sport- oder Gymnastiklehrer, und wenn ihr Interesse mehr künstlerisch ist, dann gehen sie ins Musikalfach."

Erst kürzlich habe eine ehemalige Schülerin von ihr dafür die Aufnahmeprüfung in Wien geschafft. Wer wirklich das Zeug dazu hat, eine klassische Ballettausbildung erfolgreich zu absolvieren, das sieht Christina Ashton schon ganz früh. "Die sind dann ganz ernst bei der Sache und mögen es gar nicht, wenn ihre Mitschülerinnen beim Unterricht schwätzen". Vielleicht entdeckt sie beim "Pfeifer von Hameln" auch wieder so ein Talent.

(Karten gibt noch im Musikhaus Pfefferkorn, 08161/92312).

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