Freising:Arm trotz Arbeit

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Immer mehr Familien können vom Lohn des Familienvaters nicht leben. Aus Scham verzichten viele darauf, sich im Jobcenter um eine "Aufstockung" ihres Einkommens zu bemühen

Birgit Goormann-Prugger

Freising - Der Stadt Freising geht es gut. Bei den Schlüsselzuweisungen im Rahmen des bayerischen Finanzausgleichs ist sie darum in diesem Jahr leer ausgegangen. Der Grund: das Steueraufkommen ist zu hoch. Der Arbeitsmarkt im Landkreis Freising erweist sich in der Tat als robust, trotz der bayernweit etwas abgeschwächten Konjunktur-Erwartungen. Die Arbeitslosenquote liegt im Bezirk der Arbeitsagentur Freising derzeit bei 2,2 Prozent. Aber das Leben ist teuer in der Boomregion, vor allem weil der Wohnraum immer knapper wird. Und es gibt etliche, die selbst mit einem sozialversicherungspflichtigen Vollzeitjob von ihrem Gehalt nicht leben können. Sie brauchen Hilfe.

"1600 Euro netto, das ist so die Grenze für einen Vier-Personen-Haushalt mit zwei Erwachsenen und zwei Kindern", beschreibt das Bernhard Reiml, Geschäftsführer des Jobcenters Freising. Diese Summe brauche man, um im Landkreis Freising von seinem eigenen Verdienst leben zu können, was nicht heißt, dass man dann große Sprünge machen kann. "Vor allem Freising ist ein heißes Pflaster, hier ist es teuer", weiß Reiml. Wer nun nicht mehr ein noch aus weiß und seine Scham darüber, die oft groß ist, überwindet, der sucht sich Hilfe bei Bernhard Reiml. "Und wer zu uns kommt, der hat wirklich ein Problem" versichert er. "Ergänzer" wird die Gruppe von Personen genant, die von ihrem Lohn nicht leben können.

Bernhard Reiml beschreibt eine solchen Fall: Ein Ehepaar mit zwei Kindern. Der Mann hat einen Vollzeitjob bei einem Logistikunternehmen. Die Arbeit beginnt früh am Morgen, sie ist körperlich, hart, laut und schmutzig. Mit etwas unter 1300 Euro netto kommt der Mann im Monat nach Hause, Sein Frau verdient noch knapp 300 Euro als Reinigungskraft dazu. "Zusammen haben sie 1579 Euro im Monat netto zu Verfügung, sie sind nur knapp unter der Grenze von 1600 Euro, aber sie können davon nicht leben". Gespart werde dann erst Mal beim Essen, so Reiml. Auf diese Weise würden die Nachbarn nicht so schnell etwas von der prekären finanziellen Lage merken, was die betroffene Familien auf jeden Fall verhindern wollten. Wenn das Geld zum Leben knapp werde, dann würden auch die "Kulturgüter" gestrichen. Dann gebe es für die Kinder eben kein Kasperl-Theater und auch keinen Kinobesuch. Auch bei der Kleidung werde gespart. Doch was auch versucht werde: "Meistens trifft es die Kinder", sagt Bernhard Reiml. "

406 dieser "Ergänzer" betreut Bernhard Reiml zurzeit. Die Tendenz ist leicht steigend. Vor einen Jahr waren es nur 386 Betroffene. Insgesamt betreue das Jobcenter 1400 "erwerbsfähige Leistungsberechtigte". "Das sind Kunden im Alter von 15 bis 65 Jahren, die grundsätzlich arbeiten können", erläutert das der Geschäftsführer des Jobcenters weiter. Die 406 "Ergänzer" machten also rund 25 Prozent der Leistungsbezieher aus. "Da liegen wir im Bundesdurchschnitt", sagt Reiml.

Die Frauen seien bei den Ergänzern in der Mehrheit. "Vor allem weil viele Alleinerziehende dabei sind". Diese Frauen würden oft nur Teilzeit arbeiten, der Wohnort liege weit außerhalb von der Stadt Freising, wo die Mieten zwar billiger aber das Angebot bei der Kinderbetreuung nicht ausreichend sei. "Die haben gar keine Chance, Vollzeit zu arbeiten, erst recht nicht bei Jobs im Schichtdienst mit Arbeitszeiten, zu denen noch kein Kindergarten auf hat", so Bernhard Reiml. Bei anderen wiederum sei ein Vollzeit-Job nicht möglich, weil sie krank seien und beispielsweise nur 30 Stunden in der Woche arbeiten könnten. "Ein wirklich ganz geringer Teil unseres Klientel will nur Teilzeit arbeiten, könnte aber mehr, mit dem arbeiten unsere Vermittler eng zusammen".

Nicht jeder der trotz eines Vollzeitjobs von seinem Lohn nicht leben kann, hat den Mut und sucht sich die Hilfe der Behörden. "Wie hoch die Dunkelziffer ist, können wir nicht sagen. Die Scham bei diesen Menschen ist groß und die Wenigsten kommen zu uns. Das ist Fakt", ist sich Bernhard Reiml sicher.

© SZ vom 15.12.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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