Freising:Annäherung statt Ausgrenzung

Die Penzberger Muslima Nermina Idriz schildert das interkulturelle Zusammenleben in ihrer Heimatstadt

Von Regina Bluhme, Freising

Selbstbewusst lächelnd hat die Muslima Nermina Idriz aus Penzberg gut 40 Zuhörer in der Freisinger Stadtbibliothek darüber informiert, warum in ihrer Heimatstadt das Zusammenleben von Muslimen und Kommune gut funktioniert. Sie zitierte zunächst aus einer Leipziger Studie aus dem Jahr 2014. Diese komme zu dem Ergebnis, dass Rassismus gegen Asylsuchende, Roma und Sinti sowie Muslime zugenommen habe. "Dazu haben wir keine Studie gebraucht, wir spüren das zum Beispiel bei der Wohnungssuche", sagte Idriz. Das werde in Freising nicht anders sein, fügte sie hinzu. "Gerade in Freising", erwiderte Ismet Ünal von der Islamischen Gemeinde der Stadt.

Dann kam Nermina Idriz auf Penzberg und seine Modellrolle zu sprechen. Auf der Leinwand erschien die hellerleuchtete Moschee der südbayerischen Stadt, ein futuristisch anmutender Quader mit einem durchbrochen gemusterten Türmchen, dem Minarett. Beim Bau sei die Islamische Gemeinde offen auf die Penzberger zugegangen, betonte Idriz. "Wir haben von uns aus das Gespräch gesucht". Viele Gespräche mit dem Stadtrat, dem Bürgermeister sowie den katholischen und evangelischen Pfarrern hätten stattgefunden. Dabei sei von Vorteil gewesen, dass in der einstigen Bergarbeiterstadt "viele Einwohner eine Migrationsgeschichte hinter sich hatten".

Darüber hinaus habe die "multinationale Vielfalt" der islamischen Gemeinde eine Rolle gespielt. "Wir sind total bunt, es gibt bei uns türkische, bosnische, arabische Muslime." In der Penzberger Moschee finden oft Tage der offenen Tür statt, es gibt Integrationskurse und gemeinsame Fahrten mit den anderen Religionsgemeinschaften. "Und es gibt in Penzberg keine Eröffnung ohne den Imam", sagte Nermina Idriz. Das ist in Freising nicht anders. Ünal berichtete, bei der Einweihung neuer Schulen sei neben den christlichen Pfarrern immer ein muslimischer Vertreter dabei.

Mittlerweile habe der Verein der Islamischen Gemeinde vier Festangestellte, informierte Idriz. Dazu gehörten der Imam und drei Frauen. Festangestellte würde sich Ünal auch für den Freisinger Verein wünschen, "da könnte man noch viel mehr erreichen", betonte er. Sie habe inzwischen die deutsche Staatsbürgerschaft beantragt, verriet Nermina Idriz. Auslöser sei ein Besuch auf dem Penzberger Friedhof gewesen. Dort habe sie ein muslimisches Grab entdeckt. "Da wusste ich, ich bin mit Leib und Seele angekommen." Auch in Freising gibt es seit einigen Jahren auf dem Waldfriedhof eine muslimische Grabstätte. Sie wird allerdings bislang nicht angenommen. Ein einziges Grab gibt es. Für ein tot geborenes Baby, berichtete Ünal. Er ist überzeugt: "Wir leben hier in Freising in einer guten Nachbarschaft. Doch die Integration der Muslime ist erst dann richtig gelungen, wenn unsere Leute auch hier begraben werden."

Eine bunt gemischte Gruppe hatte an der Veranstaltung, die im Zusammenhang mit der internationalen Woche des Rassismus stand, teilgenommen. In der letzten Zuhörerreihe hatten mehrere Frauen mit Kopftüchern Platz genommen. Vor ihnen saßen Mitglieder von Arbeitskreisen und Organisationen, Pfarrerin Dorothee Löser von der Evangelischen Gemeinde, ein paar Stadträte und Schüler.

Mehr als ein Viertel der Freisinger Bevölkerung habe einen Migrationshintergrund, "fast jedes zweite Kind unter neun Jahren", informierte Maja Rzonca von der städtischen Stelle für interkulturelle Arbeit. Darunter seien viele Muslime. Das Motto müsse heißen "Annäherung statt Ausgrenzung", forderte Rzonca. Für Ünal ist es sehr wichtig, "dass wir die Bürger mitnehmen" und zwar "sehr behutsam", erklärte er. Ünal wünscht sich, "dass unsere Enkel friedlich mit der heimischen Gesellschaft zusammenleben". Ausdrücklich lobte er den interkulturellen Leitfaden, den der Freisinger Stadtrat beschlossen hat. Er liegt als Broschüre im Rathaus aus.

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