Aufmerksame Freisinger hatten sich schon misstrauisch erkundigt, was denn im Baugebiet an der Angerstraße los sei. Die Baustelle „Angerquartier“ stehe seit vielen Monaten still, Baucontainer seien abtransportiert worden. Die Frage, ob der Bauherr insolvent sein könnte, kann inzwischen beantwortet werden. Ja, mit der „Project Immobilien“-Gruppe hat tatsächlich einer der Akteure in dem neuen Freisinger Stadtteil Insolvenz anmelden müssen – der Krieg, die Zinsen.
Im August vergangenen Jahres war das bereits, und ja, es war eine Branchengröße, die es getroffen hat. Neben dem Freisinger Projekt Angerquartier war das Unternehmen Ende Juni 2023 in bundesweit um die 120 Vorhaben mit einem Investitionsvolumen von 3,2 Milliarden Euro involviert, wie sich auf der Website der Immobiliengruppe nachlesen lässt. Die gute Nachricht für die Freisinger: Mit der ECE-Tochter „Work & Live“ hat inzwischen ein Nachfolger das Projekt übernommen – und: Noch hat kein Käufer einen Schaden erlitten.
In dem neuen Viertel, das nach dem Willen des Freisinger Stadtrats an der Angerstraße im Südwesten der Stadt entsteht, sollen – wenn alle Planteile umgesetzt sind – einmal 650 Wohnungen Platz für 1500 Menschen bieten. Vorausgegangen waren diesen Planungen ein städtebaulicher Wettbewerb und jahrelange Debatten um Wesen und Gestalt des neuen Baugebiets. Zu dessen Besonderheiten gehören neben der schieren Größe mit Kindergärten, Verbrauchermarkt und einem eigenen Blockheizkraftwerk auch der Abschluss eines städtebaulichen Vertrages, mit dem sichergestellt wurde, dass ein Teil der Wohnungen unter sozialen Kriterien gebunden ist und durch die Stadt an einkommensschwache Haushalte vergeben werden kann.
Gut zwei Drittel des sogenannten Planteils Ost sind auch schon umgesetzt. Zwei große Blöcke wurden an der Angerstraße über riesigen Tiefgaragen hochgezogen, die meisten Wohnungen in den bereits fertiggestellten Mehrfamilienhäusern sind vergeben – auch wenn an manchen der Klingelschilder noch Nummern stehen.


An der Angerstraße 48 allerdings – dem dritten Teil der Wohnanlage, der zur Stadtmitte hin liegt – rührt sich aktuell tatsächlich nichts. Die Tiefgarage ist zum Teil fertig, zwei Kräne stehen noch dort, doch gearbeitet wird hinter dem Bauzaun nicht. Auch die Außenanlagen sind hier weit von einer Fertigstellung entfernt. Im hinteren Bereich ist ein relativ großes Klettergerüst komplett eingezäunt, ein kleiner Fußweg endet im Nichts.
Genau so habe die „Project Immobilien“-Gruppe die Baustelle hinterlassen, bestätigt Daniel Steiner, Niederlassungsleiter von ECE-„Work & Live“ in Frankfurt. Das Unternehmen hat das Projekt aus der Insolvenz der Project Immobilien (Nürnberg) übernommen, wie Mitte Juni mitgeteilt wurde. Die neuen Entwickler wollen nun noch einige Kleinigkeiten an der Planung verbessern „und die Baustelle dann unmittelbar wieder in Gang setzen“, wie Steiner versichert: „Das ist ein tolles Projekt und es ist sehr schade, dass es hängen geblieben ist.“
Mit dem Verkauf der Wohnungen soll noch heuer begonnen werden
Auf dem gut 7300 Quadratmeter großen Areal im Angerquartier sollen der noch von der „Project Immobilien“-Gruppe abgeschlossenen Planung zufolge 118 Wohnungen in fünf Mehrfamilienhäusern mit einer Gesamtwohnfläche von rund 10 000 Quadratmetern und einer Tiefgarage für 169 Fahrzeuge entstehen. Weil die Wohnungen noch nicht in den Verkauf gegangen waren, Privatleuten also durch die Insolvenz kein Schaden entstanden war, will Steiner die ECE-Group nicht unbedingt als „Retter“ feiern lassen – „wenn, dann retten wir jetzt vor allem das Erscheinungsbild und die Situation für die bereits eingezogenen Nachbarn“.
Man selber wolle nun zügig vorankommen, versichert Steiner. Wenn alles gut laufe, werde man noch in diesem Jahr mit dem Verkauf der Eigentumswohnungen beginnen, diese sollten bis Anfang 2026 bezugsfertig sein. Dass der ECE Group in dem immer noch schwierigen wirtschaftlichen Umfeld der Branche ein ähnliches Schicksal droht wie dem Vorgänger, hält er für ausgeschlossen. Der inhabergeführte Projektentwickler mit Sitz in Hamburg sei ein finanzkräftiges Familienunternehmen und zuverlässig: „Wir glauben an das Projekt und wollen hier dringend benötigten Wohnraum schaffen.“